LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1278 30.10.2012 Datum des Originals: 30.10.2012/Ausgegeben: 02.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 445 vom 11. September 2012 des Abgeordneten Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg CDU Drucksache 16/895 „Sanfter Druck der Schulaufsicht“ auf Schulen Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 445 mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ministerin Löhrmann sagte in der Plenardebatte des Landtags über die Inklusion im Bereich Schule am 4. Juli 2012, dass es für das kommende Jahr gelungen sei, den Wünschen von Eltern nachzukommen, die für ihr Kind einen Platz in einer allgemeinen Schule wollten. In vielen Orten habe es jedoch Schwierigkeiten gegeben, einen Platz an allgemeinen Schulen bereitzustellen. Wörtlich sagte Ministerin Löhrmann, nachzulesen im Plenarprotokoll 16/5, Seite 137: „Viele Schulen sind nur auf mehr oder weniger sanften Druck der Schulaufsicht bereit gewesen, sich der Aufgabe zu stellen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Mein vom Fragesteller zugrunde gelegtes Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen; daher erfolgt zunächst eine Wiedergabe der gesamten Passage: „Meine Damen und Herren, ich möchte nicht schließen, ohne zumindest ein Wort zur aktuellen Situation in den Schulen zu sagen. Nach allen mir vorliegenden Informationen ist es auch für das kommende Jahr gelungen, den Wünschen von Eltern, die für ihr Kind einen Platz in einer allgemeinen Schule wollen, weitestgehend nachzukommen. Es ist nicht immer die Wunsch-Schule gewesen, aber ein Angebot zum gemeinsamen Lernen. Dieser Erfolg gebührt den Schulen, den Schulträgern und auch der Schulaufsicht, weil sich alle bemühen, dem Wunsch der Eltern gerecht zu werden. Ich will aber gar nicht verschweigen, dass an LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1278 2 vielen Orten Schwierigkeiten entstehen. Viele Schulen sind nur auf mehr oder weniger sanften Druck der Schulaufsicht bereit gewesen sind, sich der Aufgabe zu stellen.“ Ich lege insbesondere Wert auf den von mir gegenüber allen Beteiligten zum Ausdruck gebrachten Dank für das umfassende Bemühen, den Elternwünschen gerecht zu werden. 1. Wie sah der „mehr oder weniger sanfte Druck der Schulaufsicht“ konkret aus? 2. Auf wie viele Schulen wurde „Druck“ ausgeübt? 3. In welchen Orten befinden sich diese Schulen? 4. Wie viele Schulen haben dem „Druck“ standgehalten? 5. Was müssen Schulen befürchten, die dem „Druck“ standgehalten haben? Die Fragen 1 bis 5 werden zusammen beantwortet. Mit der Ratifizierung der VN-Behindertenrechtskonvention (VN-BRK) im Jahr 2009 erhält das Gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung in allgemeinen Schulen in weit stärkerem Maße Bedeutung als bisher. Um im Vorfeld einer landes- und schulgesetzlichen Anpassung den Vorgaben der VN-BRK Rechnung zu tragen, hatte die Landesregierung bereits im Dezember 2010 die Schulaufsicht gebeten, in Abstimmung mit dem Schulträger, dem Wunsch der Eltern nach einem Platz an einer allgemeinen Schule nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Dies führte zu einer Steigerung des Bedarfs an Plätzen sowie an Standorten. Im Schuljahr 2010/ 2011 entwickelte sich die Integrationsquote von 24,9 % in der Primarstufe auf 28,5 % im Schuljahr 2011/2012. In der Sekundarstufe I von 11,1 % auf 14,0 % im gleichen Zeitraum. Die in der parlamentarischen Debatte gewählte Formulierung „sanfter Druck“ umschreibt die Situation, dass ein solcher Ausbauprozess viele neue Standorte erfordert und die Gewinnung von Schulstandorten häufig mit intensiven Beratungsprozessen durch die Schulaufsicht verbunden war. Zumal auch Schulformen zu gewinnen waren, die sich in der Vergangenheit bislang noch nicht intensiv mit dieser Aufgabe auseinandergesetzt hatten. Der Begriff, der wie in der Vorbemerkung ausgeführt in einem bestimmten Kontext steht, veranschaulicht, dass es nicht immer durch Initiative der Schulen, sondern durch direkte Ansprache und z.T. durch Standortauswahl der Schulaufsicht - gemeinsam mit dem Schulträger - zur Neugewinnung kam. Auch wird durch die Formulierung aufgezeigt, dass der Landesregierung bewusst ist, dass ein Prozess der Ausweitung des Gemeinsamen Lernens vor Ort nicht immer reibungslos, d. h. ohne mehr oder weniger intensive Widerstände verläuft, da trotz über dreißigjähriger Erfahrung mit Gemeinsamem Unterricht nach wie vor noch viel Überzeugungsarbeit und Akzeptanzgewinnung in den Schulen erforderlich ist. Bereits die Vorgängerregierung hatte mit Runderlass vom 15. Dezember 2010 die Verwaltungsvorschrift 37.11 zur AO-SF (Amtsblatt NRW 01/2011 Seite 43) geändert und klargestellt, dass die Einrichtung Gemeinsamen Unterrichts bzw. Integrativer Lerngruppen nicht der Zustimmung der Schulkonferenz bedarf. Die Anzahl von Beratungsgesprächen zwischen Schulaufsicht und Schulen zur Gewinnung neuer Standorte und Plätze wird nicht erhoben. Auch lässt sich kein Maß dafür erstellen, wann ein solcher Beratungsprozess als „sanfter“ Druck empfunden wird. Mit dem Referen- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1278 3 tenentwurf zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz wird aufgezeigt, dass der Prozess auf dem Weg zur inklusiven Schule sich über Schwerpunktschulen entwickelt. Somit ist es sinnvoll, dass sich immer mehr Schulen mit der Aufgabe vertraut machen. Um den Prozess zu unterstützen , sind u.a. Fortbildungsangebote eingerichtet, die von den Schulen abgerufen werden können.