LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12795 31.08.2016 Datum des Originals: 31.08.2016/Ausgegeben: 05.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5019 vom 3. August 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/12627 Nimmt die Landesregierung den sogenannten Sensibilisierungserlass zurück? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Jahr 2013 hat das Ministerium für Inneres und Kommunales anlässlich des vom Landtag am 17.12.2013 beschlossenen Entschließungsantrages der Fraktionen SPD/GRÜNE (16/4637) die Ausländerbehörden per Erlass vom 20.12.2013 aufgefordert, aufgrund der Lebenssituation der Roma, Ashkali und Ägypter in der Republik Kosovo bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eine zusätzliche sorgfältige Einzelfallüberprüfung vorangehen zu lassen. Aufgrund eines weiteren Beschlusses der Regierungsfraktionen im Dezember 2014 hat das Ministerium für Inneres und Kommunales diese Prüfung auf alle Staaten des Westbalkans ausgeweitet. Nach Willen der Landesregierung sollte der Entscheidung über die Rückführung in bestimmten Konstellationen – nach bereits erfolgtem Asylantragsverfahren - eine weitere sorgfältige Einzelfallprüfung vorausgehen. Mehrfach haben die Oberbürgermeister und Landräte des Ruhrgebiets die rot-grüne Landesregierung aufgefordert, den sogenannten Sensibilisierungserlass aus Dezember 2014 zurückzunehmen . Der Zeitpunkt dieses Erlasses (22. Dezember 2014) und die Staaten, auf die er sich bezieht (Albanien, Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo ) machen deutlich, dass die Landesregierung die im November 2014 und Oktober 2015 auf Bundesebene beschlossene Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten bewusst durch Landesrecht untergräbt und das Ziel von Bund und Ländern, die Verfahren von Menschen ohne Bleibeperspektive schnell mit der Rückführung in die Heimat zu beenden, konterkariert. Der Innenminister erklärte in der damaligen Landtagsdebatte: „Wir geben den kommunalen Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich vor, dass, wenn eine solche Rückkehr erforderlich ist, im Einzelfall die familiären, sozialen und gesundheitlichen Umstände zu prüfen sind – und zwar immer, nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über [...]. Deshalb LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12795 2 […] kündige ich jetzt an, dass dieser Sensibilisierungserlass, der im letzten Jahr für den Kosovo galt, auf ganz Südosteuropa – dort, wo es entsprechende Zuwanderungszahlen gibt – angewandt wird.“ Laut Mitteilung des Flüchtlingsrats Nordrhein-Westfalen vom 1. August 2016 werde nun mit einem neuen Erlass zur Ausreisepflicht von Ausländern aus Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2016 geregelt, dass der bisher bestehende Sensibilisierungserlass zurückgenommen wird und künftig für eine weitere Einzelprüfung im Falle eines abgelehnten Asylantrags keine Notwendigkeit mehr besteht. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5019 mit Schreiben vom 31. August 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Gelten die sog. Sensibilisierungserlasse mit dem aktuellen Erlass vom 21. Juni 2016 nicht mehr? 2. Werden die genannten Sensibilisierungserlasse mit dem aktuellen Erlass vom 21. Juni 2016 außer Kraft gesetzt? 3. Welche Wirkung auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht erhofft sich die Landesregierung durch die Rücknahme der Rücknahme der Sensibilisierungserlasse? Der durch nationale Vorgaben und europarechtliche Schutzgarantien geprägte Handlungsrahmen umfasst heute auch die generelle Verpflichtung, besonders schutzbedürftige Personen zu identifizieren und ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Speziellen Erlassregelungen für vulnerable Personen aus den Westbalkanstaaten ist damit der Anwendungsbereich entzogen. Bei der Durchsetzung von Ausreisepflichten bzw. bei der Ausgestaltung von Rückführungsmaßnahmen ist eine individuelle Schutzbedürftigkeit stets angemessen zu berücksichtigen. 4. Wie erklärt sich die Landesregierung die Duldung von mehr als 2.000 Ausreisepflichtigen aus den sechs Westbalkan-Staaten wegen eines Abschiebungsstopps nach § 60 a Absatz 1 AufenthG, obwohl es eine Anordnung eines Abschiebungsstopps für diese Länder nicht existiert? 5. Wie stellt sich aktuell die Differenz der Duldungen wegen eines Abschiebestopps nach § 60 a Abs. 1 AufenthG und der tatsächlichen Anordnung eines Abschiebestopps für bestimmte Herkunftsländer dar? (Bitte unter Angabe der Duldungen gem. § 60a AufenthG nach Herkunftsländern und der Benennung von Herkunftsländern , für die eine solche Anordnung besteht) Auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4580 vom 20.04.2016 (LT-Drs. 16/11794) wird verwiesen. Personen in Nordrhein-Westfalen, die im Ausländerzentralregister (AZR) mit Duldung nach § 60a Absatz 1 AufenthG erfasst sind, nach Hauptherkunftsländern zum Stichtag 30.06.2016: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12795 3 Serbien 710 Mazedonien 496 Kosovo 414 Albanien 216 Libanon 146 Türkei 134 Russische Föderation 126 Indien 121 Bosnien und Herzegowina 119 Ungeklärt 105 Derzeit gilt ausschließlich die Anordnung eines Abschiebungsstopps für Syrien. Bezogen auf Syrien weist das AZR zum genannten Stichtag 74 Personen mit einer Duldung nach § 60a Absatz 1 AufenthG aus. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12795