LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12798 31.08.2016 Datum des Originals: 31.08.2016/Ausgegeben: 01.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5018 vom 3. August 2016 der Abgeordneten Ilka Freifrau von Boeselager CDU Drucksache 16/12626 Was folgt aus dem Eingeständnis der Ministerpräsidentin, der Entwicklungszusammenarbeit lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt zu haben? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Interview mit der Wochenzeitung Der Spiegel (Ausgabe vom 30.07.2016) hat Ministerpräsidentin Kraft erklärt: „Entscheidend ist, dass wir jetzt darangehen, die Fluchtursachen zu bekämpfen . Und wir täten gut daran, Entwicklungspolitik einen anderen Stellenwert beizumessen . Ich muss selbstkritisch sagen, im täglichen Hamsterrad war die Entwicklungszusammenarbeit lange Zeit kein Thema. Das war ein Fehler, auch von mir.“ Der Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 5018 mit Schreiben vom 31. August 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung Das Engagement des Landes Nordrhein-Westfalen in der Entwicklungszusammenarbeit blickt auf eine mittlerweile jahrzehntelange Tradition zurück. So feiert beispielsweise die als Initiative nordrhein-westfälischer Politiker und Wissenschaftler gegründete „Stiftung Entwicklung und Frieden“ in diesem Jahr ihr 30jähriges Bestehen, während das Programm „Konkreter Friedensdienst “ sogar bereits seit 1985 junge Menschen bei Arbeitseinsätzen in Entwicklungsländern finanzielle Unterstützung gewährt. Das in Nordrhein-Westfalen entstandene und von der Landesregierung seit 1996 geförderte Promotorenprogramm war lange Zeit in Deutschland einzigartig mit seinem Ansatz einer gezielten Stärkung der entwicklungspolitisch engagierten Zivilgesellschaft. Es ist so erfolgreich, dass es seit 2013 in Gestalt eines Bund-Länder-Promotorenprogramms bundesweit Schule gemacht hat. Gerade die Einbindung der Zivilgesellschaft ist im Übrigen für die Eine-Welt-Politik der Landesregierung Programm: So wurde die im Jahr LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12798 2 2013 verabschiedete Eine-Welt-Strategie in enger Abstimmung mit der entwicklungspolitisch engagierten Zivilgesellschaft im Land erarbeitet. Der Kooperation mit dem Bund und den anderen Ländern kommt in diesem Zusammenhang ein hoher Stellenwert zu. Ein hervorragendes Beispiel für diese Art der Kooperation ist die vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, in Kooperation mit den Ländern durchgeführte Zukunftstour 2015/16. Die nordrhein-westfälische Station der Zukunftstour fand am 30.6.2016 in Bonn in Anwesenheit von Bundesminister Dr. Müller und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sowie weiterer hochrangiger Gäste statt. Die Rolle der Länder in der Entwicklungspolitik und damit auch bei der Bekämpfung von Fluchtursachen ist durch das Grundgesetz begrenzt. Die genannten Beispiele zeigen aber, dass Nordrhein-Westfalen seit langem den Ländern für die Entwicklungspolitik gesteckten Aktionsrahmen konstruktiv und kreativ nutzt und dadurch immer wieder Impulse setzt, die auch außerhalb der Landesgrenzen Wirkung zeigen. Ebenso wird daraus deutlich, dass die Landesregierung in ihrer Entwicklungspolitik auf neue Herausforderungen eingeht und ihre Aktivitäten jeweils zeitnah an veränderte Realitäten – wie sie zum Beispiel die Zunahme der weltweiten Flüchtlingsbewegungen in den letzten beiden Jahren darstellt - anpasst. Für sein entwicklungspolitisches Engagement genießt Nordrhein-Westfalen im Länderkreis ebenso wie in der deutschen entwicklungspolitisch engagierten Zivilgesellschaft hohen Respekt . 1. Durch welche konkreten Maßnahmen will die Landesregierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit des Landes künftig einen Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen leisten? In Reaktion auf die Flüchtlingskrise hat Nordrhein-Westfalen unter anderem auch einen neuen entwicklungspolitischen Schwerpunkt gesetzt, der allerdings den verfassungsrechtlichen Beschränkungen , denen das Land unterliegt, Rechnung tragen muss. So förderte die Staatskanzlei in den Jahren 2015 und 2016 ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung syrischer Binnenflüchtlinge, das in Kooperation mit der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) in Syrien durchgeführt wurde, und über das der Leiter der UNRWA auch dem Landtag berichtet hat. Derzeit werden weitere Projekte vorbereitet mit dem Ziel, die Lebens- und Bleibeperspektiven von Flüchtlingen in den Nachbarländern Syriens zu verbessern und die Situation in den Aufnahmeländern zu stabilisieren . Um der deutschen Öffentlichkeit die Hintergründe der aktuellen Krisen in der arabischen Welt nahezubringen bietet die Staatskanzlei eine Nahost-Veranstaltungsreihe für Bürgerinnen und Bürger an. So war die Lage in Syrien Gegenstand der Veranstaltung „Spuren aus Syrien – Literatur, Kultur, Politik und Gesellschaft“, zu der die Staatskanzlei am 14. Dezember 2015 eingeladen hat. Weitere Veranstaltungen zu diesem Themenkomplex wurden bereits durchgeführt oder sind in Planung. In der „Bonn Conference for Global Transformation“, die im März 2017 zum zweiten Mal stattfinden soll, wird die Landesregierung in Zusammenarbeit mit der GIZ gGmbH zudem durch Aufgreifen des Themas „Nachhaltige Entwicklung in Zeiten von Krisen“ (Arbeitstitel) ein Forum bieten, in dessen Rahmen auch das Thema „Fluchtursachen“ seinen Platz haben wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12798 3 2. Durch welche konkreten landespolitischen Maßnahmen will die Landesregierung die Aufforderung der Ministerpräsidentin umsetzen, der Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert beizumessen? Wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt, haben Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen für die Landesregierung seit langer Zeit eine besondere Priorität und Bedeutung. Dies gilt für das nordrhein-westfälische Promotorenprogramm, aber beispielsweise auch für die von der Landesregierung über die GIZ gGmbH geleistete Projektförderung . Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben dürfen weitere an die Zivilgesellschaft des Landes gerichtete Förderprogramme wie der Konkrete Friedensdienst, das Programm für die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit (EpIB), die finanzielle Unterstützung der nordrhein-westfälischen Zivilgesellschaft bei der Durchführung von Auslandsprojekten mit Partnerländern und die Förderung der kommunalen Entwicklungspolitik. Im Kreis der Länder bietet nur das Land Nordrhein-Westfalen solche Programme an. In den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung herausgegebenen Statistiken zu den Leistungen für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) belegt Nordrhein-Westfalen regelmäßig den Spitzenplatz unter den Ländern. Die Eine-Welt-Politik und die Entwicklungszusammenarbeit des Landes werden organisatorisch in der Staatskanzlei koordiniert und konzeptionell weiterentwickelt. Die unmittelbare organisatorische Ansiedlung im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin unterstreicht die hohe Bedeutung, welche die Entwicklungszusammenarbeit für die Landesregierung besitzt und garantiert zugleich größtmögliche Aufmerksamkeit für Themen und Projekte aus diesem Bereich. Gleichwohl sieht sich die Landesregierung in der Verantwortung, im Rahmen ihrer Kompetenzen künftig noch mehr für ein stärkeres Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit und Eine-Welt-Politik in Bund und Ländern zu werben, sei es durch die gemeinsame praktische Arbeit im Länderkreis oder die politische Positionierung in Verfassungsorganen wie Bundesrat und Bundestag. 3. Durch welche konkreten organisatorischen Veränderungen will die Landesregierung sicherstellen, dass die Ministerpräsidentin persönlich der Entwicklungszusammenarbeit des Landes künftig größere Aufmerksamkeit schenkt? Es bedarf keinerlei organisatorischer Veränderungen, damit die Ministerpräsidentin der Entwicklungszusammenarbeit größere Aufmerksamkeit schenkt. Sie selbst hat in den vergangenen Monaten mehrfach öffentlich darauf hingewiesen, wie wichtig dieses Thema ist, zuletzt in ihrer Rede bei der Bonner Station der Zukunftstour des BMZ und in dem in der Anfrage zitierten Interview. 4. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der erklärten Absicht der Ministerpräsidentin für die gescheiterte Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Provinz Mpumalanga? Die über 20-jährige Partnerschaft mit Mpumalanga ruht zurzeit zwar auf politischer Ebene, ist aus Sicht der Landesregierung aber alles andere als gescheitert. Denn im Rahmen der Kooperation wurden seit 1995 sehr viele erfolgreiche Projekte umgesetzt, die zum Teil bis heute LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12798 4 – auch mit Unterstützung der Provinzregierung Mpumalangas – fort-gesetzt werden. Vor diesem Hintergrund bedauert die Landesregierung, dass die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit der südafrikanischen Provinz nicht abgeschlossen werden konnten, nachdem das Abkommen von 2008 regulär ausgelaufen ist. Auch wenn die Provinzregierung von Mpumalanga zurzeit nicht an einer Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene interessiert ist, betrachtet die Landesregierung Südafrika weiterhin als Schwerpunktland ihrer Eine-Welt-Aktivitäten und hat dies z.B. durch eine Stärkung der Geschäftsstelle des Südafrika Forums, die seit Januar 2016 mit 25 statt bisher 10 Wochenstunden gefördert wird, unterstrichen. Insbesondere werden von der Landesregierung auch nach wie vor zivilgesellschaftliche Projekte in Mpumalanga gefördert. 5. Beabsichtigt die Ministerpräsidentin mit Blick auf ihre erklärten Defizite im Bereich der Entwicklungspolitik, beispielsweise dem Partnerland Nordrhein-Westfalens Ghana einen Besuch abzustatten – erstmals in ihrer sechsjährigen Amtszeit? Die Landesregierung hat – vertreten durch den Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef des Staatskanzlei – dem Partnerland Ghana erst im Mai dieses Jahres einen Besuch abgestattet und bei dieser Gelegenheit die „Gemeinsame Absichtserklärung über die weitere Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Republik Ghana und der Regierung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen“ offiziell ausgetauscht. Die Reise dokumentiert die herausragende Bedeutung, die die Landesregierung der Zusammenarbeit mit Ghana beimisst. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12798