LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1280 30.10.2012 Datum des Originals: 29.10.2012/Ausgegeben: 02.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 499 vom 26. September 2012 der Abgeordneten Henning Höne und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/993 Kann der Wunsch der Wiedereinführung alter Kfz-Kennzeichen durch Kreisbehörden verhindert werden? Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 499 mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. September 2012 die Erste Verordnung zur Änderung der Fahrzeug Zulassungsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 371/12) beschlossen. Darin wird dem Wunsch der Verkehrsministerkonferenz der Länder Rechnung getragen, dass auslaufende Kfz-Kennzeichen wieder eingeführt werden dürfen. Für viele Bürgerinnen und Bürger hat das Kfz-Kennzeichen eine identitätsstiftende Funktion. Zu dieser Auffassung kommt auch eine Studie der Hochschule Heilbronn unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Borchert. In zahlreichen Kommunen wird deshalb die Wiedereinführung der so genannten Alt-Kennzeichen diskutiert und beantragt. So ist zum Beispiel auch in der Stadt Grevenbroich aus der Bürgerschaft heraus der Wunsch an die Politik herangetragen worden, die Wiedereinführung des bis 1975 üblichen Kfz-Kennzeichen „GV“ zu beschließen. Daher hat der Rat der Stadt Grevenbroich in seiner Sitzung am 1. März 2012 einstimmig die Wiedereinführung des GV-Kennzeichens gefordert. Formal ist der Landrat des Rhein-Kreis Neuss Hans-Jürgen Petrauschke für die Beantragung der Wiedereinführung beim Land zuständig . Dieser verweigert sich jedoch dem einstimmigen Votum des Stadtrates ohne dies im Kreistag abstimmen zu lassen. Die Lokalmedien berichteten am 25. April 2012 darüber, dass der Landrat ausgewählte Vertreter der Stadt darüber informiert habe, dass er dem Wunsch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1280 2 nicht entsprechen werde, weil das Kennzeichen „NE“ Identität für den gesamten Kreis stifte und er das im Blick behalten wolle. Im sozialen Netzwerk Facebook äußern die Mitglieder der Gruppe „Ich bin für GV anstatt NE Auto-Kennzeichen in Grevenbroich“ ihren unmissverständlichen Unmut über die Blockadehaltung des Landrates. Auch die Schützen widmeten diesem Thema eine eigene Fackel beim diesjährigen Fackelzug. Das alles zeigt, dass der Wunsch der Grevenbroicher Bürgerinnen und Bürger nach Wiedereinführung des Altkennzeichens groß ist. Medien berichteten nach dem Beschluss des Bundesrates jedoch, dass nur die Länder antragsberechtigt seien und nicht die Zulassungsbehörden. 1. Welche Rechtsgrundlage lässt es zu, dass sich ein Landrat über den Beschluss einer Kommunalvertretung einer Kommune seines Kreisgebietes hinweg setzt? Gem. § 1 Absatz 1 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) verwalten die Kreise ihr Gebiet zum Besten der kreisangehörigen Gemeinden. Das bedeutet, dass die Kreise dabei die Interessen aller kreisangehörigen Gemeinden ihres Bezirkes im Blick haben müssen und einen Ausgleich der manchmal widerläufigen Interessen anzustreben haben. Bei der Ermittlung, was im Einzelfall zum Besten der kreisangehörigen Gemeinden und ihrer Einwohner ist, wird den Kreisen ein Ermessensspielraum zugebilligt, um auch die Stellung der Gemeinden innerhalb des sie umgebenden Raumes angemessen zu berücksichtigen . 2. Wie müssten Rechtsnormen ausgestaltet werden, damit dem im Art. 28 GG und in Artikel 78 der Landesverfassung NRW kodifizierte Anspruch auf Selbstverwaltung der Kommunalvertretungen auch dem Wunsch nach regionaler Identität durch die Wiedereinführung der Altkennzeichen Rechnung getragen werden kann? Der im Grundgesetz und in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung kodifizierte Anspruch auf kommunale Selbstverwaltung wird auch im Verhältnis der Kreise zu ihren kreisangehörigen Gemeinden realisiert. Den Wünschen einzelner kreisangehöriger Gemeinden nach regionaler Identität durch die Wiedereinführung der Altkennzeichen werden bei dem Verfahren der Wiederzuteilung der Altkennzeichen durch die Kreise Rechnung getragen. Auch nach den bereits geltenden Rechtsnormen achten die Kreise dabei auf einen Ausgleich der Interessen der kreisangehörigen Gemeinden und die überörtlichen Belange. 3. Ist es möglich, dass Kommunen den Wunsch der Wiedereinführung des Altkenn- zeichens - unter Umgehung des Landrates - direkt dem Landesverkehrsministerium kommunizieren und diese Anliegen von Seiten des Landes an den Bund weitergeleitet werden? In das Verfahren der Wiederzuteilung der in den ehemaligen Verwaltungsbezirken ausgelaufenen Altkennzeichen sind die Kreise und kreisfreien Städte als Zulassungsbehörden eingebunden , auch um die Interessen aller kreisangehörigen Gemeinden und die überörtlichen Belange zu berücksichtigen. Eine unmittelbare Kommunikation einzelner kreisangehöriger Gemeinden – unter Umgehung des Kreises – mit der obersten Landesbehörde würde die zuvor beschriebenen Ausgleichsfunktionen der Kreise aushebeln. Die Berücksichtigung des Interessenausgleichs und der überörtlichen Belange wäre auf diesem Wege nicht sicherge- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1280 3 stellt. Die Landesregierung wird deshalb einen Antrag beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nur dann stellen, wenn der für die Zulassung von Fahrzeugen zuständige Verwaltungsbezirk dies wünscht. 4. Wie viele vergleichbare Konflikte zwischen den Kommunen in NRW sind der Lan- desregierung bekannt? In einem Fall hat sich ein Bürgermeister einer kreisangehörigen Stadt nach Ablehnung der Wiedereinführung eines Altkennzeichens durch den Kreis an das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr gewandt. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um diese Streitigkeiten im Sinne des Wunsches der Landesverkehrsministerkonferenz nach Wiedereinführung von auslaufenden Verkehrszeichen zu schlichten? Auf ihrer Sitzung am 6./7. April 2011 bat die Verkehrministerkonferenz den Bund, durch eine Rechtsänderung die Wiedereinführung von Altkennzeichen zu ermöglichen. Eine Entscheidung , dass die Altkennzeichen wieder überall eingeführt werden sollen, hat die Verkehrsministerkonferenz damit nicht getroffen. Diese Entscheidung muss vor Ort im Rahmen des unter Nummer 2 beschriebenen Verfahrens getroffen werden. Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, in die Diskussionen auf kommunaler Ebene einzugreifen.