LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 08.09.2016 Datum des Originals: 07.09.2016/Ausgegeben: 13.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5033 vom 9. August 2016 der Abgeordneten Ralf Witzel, Marc Lürbke und Susanne Schneider FDP Drucksache 16/12672 Beförderungswelle in der Landesverwaltung vor der Landtagswahl 2017 – Wie wirken sich die gesetzlichen Neuerungen des Paragraphen 19 (6) LBG NRW nun auf die Beförderungen im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen aus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Beförderungsstellen kommt innerhalb einer Verwaltung eine wichtige Bedeutung zu, um den leistungsorientierten Bediensteten im öffentlichen Dienst regelmäßig Aufstiegsperspektiven zu ermöglichen, das Personal an die Dienststelle zu binden, die Betroffenen zu motivieren und ihnen auch eine positive Entwicklung bei ihren eigenen Bezügen zu ermöglichen. Daher ist es wünschenswert, dass die Beförderungsstellen in den Ressortbereichen so bemessen sind und planungssicher ausgebracht werden, dass sie den Bediensteten kontinuierlich neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die FDP-Landtagsfraktion freut sich aus diesen Gründen für jeden Landesbediensteten, der aufgrund seiner dauerhaft gezeigten Leistung zu Recht eine verdiente Beförderung erfahren hat oder zukünftig noch erfährt. Es gilt grundsätzlich, dass Beförderungen gemäß den Voraussetzungen des Artikels 33 (2) GG nach Eignung, Leistung und Befähigung vollzogen werden. Diese Leistungsfähigkeit der Bediensteten wird in Form einer Beurteilung in einem Zyklus von drei Jahren jeweils neu bewertet. Insofern stellen die Beurteilungen den wesentlichen Baustein für einen sachlichen Leistungsvergleich der Beamtinnen und Beamten einer Besoldungsgruppe dar und bilden dadurch die Grundlage für die erforderliche Reihung im Sinne der Bestenauslese. Jegliche Beförderung ist jedoch faktisch stets abhängig von einer freien und besetzbaren Planstelle. Letztere unterliegen überdies der Mitbestimmung des örtlichen Personalrates und ebenfalls der Gleichstellungsbeauftragten. Als im Sommer 2014 im Zuge der gerichtlich verhängten Haushaltssperre im Land auch kurzzeitig ein Beförderungsstopp für Landesbedienstete verhängt wurde, hat die Thematik landesweit für Aufsehen gesorgt, da offensichtlich gerade die mit dem Besoldungsurteil bei den Beamten und mit der Haushaltssperre besonders intensiv befassten Kabinettsmitglieder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 2 das Instrument der Beförderung als Motivationssteigerung der Beamten in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich schätzen und eine Reihe von „Last-Minute-Beförderungen" kurz vor der Haushaltssperre vollzogen haben. Wenige Monate vor der nächsten Landtagswahl im Mai 2017 besteht nun erneut die Absicht, mit einer beachtlichen außerplanmäßigen Beförderungswelle Wahlgeschenke auszukehren. Konkret hat der Innenminister in einer Blitzaktion mitten in der politischen Sommerpause für die Polizei entschieden, zahlreiche Beförderungen des Jahres 2017 auf dieses Jahr 2016 vorzuziehen und zugleich die Wiederbesetzungssperre für frei gewordene Stellen um sechs Monate zu verkürzen. Die Beförderungen in die Ämter A 10 und A 11 sollen für August 2016 ausgesprochen werden und die Beförderungen nach A 12 und A 13 für Oktober 2016. Durch dieses Vorgehen entstehen bei der Polizei zeitnah rund 2.200 Beförderungsmöglichkeiten. Der Eindruck der in den nächsten Wochen anstehenden individuellen Beförderungserfolge ist jedoch keinesfalls repräsentativ für das Aufstiegstempo, mit dem die Betroffenen nach der Landtagswahl weiter rechnen können. Die Berufsverbände gehen daher weiterhin von einer Vielzahl bevorstehender individueller Klagen gegen die neuen Gesetzesbestimmungen aus. Ein zentral wichtiger Grund für den plötzlichen Aktionismus der Landesregierung liegt sicher ebenfalls in den massiven Auswirkungen der drastisch verschärften Frauenquotenregelung gemäß der Bestimmungen des § 19 (6) LBG NRW im sogenannten Dienstrechtsmodernisierungsgesetz begründet, nach der zukünftig auch reihenweise schlechter qualifizierte Frauen den besser qualifizierten Männern in derselben Vergleichsgruppe vorgezogen werden. Um die Fallzahl der nun durch eine negative persönliche Betroffenheit hervorgerufenen Klagen benachteiligter Männer zu senken, sind einhergehend mit dem Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Juli 2016 nun massenhaft Beförderungsmöglichkeiten geschaffen worden. Welche dauerhaft negativen Auswirkungen die neue Frauenquote für Männer in den kommenden Jahren tatsächlich hat, soll den Betroffenen nach Absicht der Landesregierung wohl erst nach der Landtagswahl im Frühjahr 2017, konkret ab dem dritten Quartal des Jahres 2017 bewusst werden. Der Hintergrund der Entscheidung ist wohl folgender: Nach Einschätzung der Regierung existiert insbesondere dann eine Klagemöglichkeit für benachteiligte Männer, wenn deren eigener Listenplatz unmittelbar zur Beförderung angestanden hat („im Aufruf“ befindliche Beförderungen). Diese Fälle werden nun durch die Beförderungswelle in großem Umfang abgearbeitet. Die betroffenen Bediensteten dürfen sich dabei aber keinesfalls Sand in die Augen streuen lassen: Einerseits wird das Beförderungstempo so nicht aufrechterhalten werden können, andererseits die Diskriminierung von Männern durch dieses aktuelle und einmalige Vorgehen der Regierung nur auf die nachfolgenden Ränge der Beförderungsliste verlagert. Neben den oben dargestellten diskriminierenden Aspekten, die durch den § 19 (6) LBG NRW hervorgerufen werden, ist zusätzlich noch zu beklagen, dass die Kreispolizeibehörden aufgrund der übereiligen Einführung des Gesetzes keine einheitlichen und vergleichbaren Verfahrensweisen für die Umsetzung der neuen Gegebenheiten heranziehen können. Ein vorgelegter Erlass des Innenministers ist zu Recht soeben aufgrund der stark bezweifelten Verfassungsmäßigkeit durch den Hauptpersonalrat der nordrhein-westfälischen Polizei gestoppt worden. Insofern gibt es keine konkreten und landeseinheitlichen Handlungsvorgaben für die Behörden, was dort für Chaos sorgt und zu Ungerechtigkeiten führt. Die FDP-Landtagsfraktion weiß um die Bedeutung eines leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienstes. Die neuen gesetzlichen Regelungen, die die FDP-Landtagsfraktion für verfassungswidrig hält, lassen erwarten, dass männliche Beamte eine Perspektivlosigkeit für LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 3 das eigene Fortkommen und die eigene Karriereentwicklung auf Dauer erkennen werden. Dies schwächt den öffentlichen Dienst in erheblichem Maße. Auf diese Weise wird dem Land Nordrhein-Westfalen ein massiver Schaden zugefügt. Der Landtag hat als Haushaltsgesetzgeber einen parlamentarischen Auskunftsanspruch, das Beförderungsverhalten des Innenministers nachvollziehen und somit die Auswirkungen der Quotenregelung konkret beleuchten zu können. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5033 mit Schreiben vom 8. September 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die zusätzlichen Beförderungsmöglichkeiten für die Ämter der Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobener Dienst) innerhalb der Polizei wurden erst nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 19 Abs. 6 LBG an die Polizeibehörden zugewiesen. Die zugewiesenen Beförderungsmöglichkeiten sind uneingeschränkt nach der Neuregelung des § 19 Abs. 6 LBG zu vergeben. Durch die Erhöhung der Anzahl der Beförderungsmöglichkeiten ändert sich nichts an der Rechtsfolge, dass seit dem 01.07.2016 Frauen nach den Regelungen des § 19 Abs. 6 LBG bevorzugt zu befördern sind. Bis zum 30.06.2016 bestehende Reihenfolgen sind der neuen Rechtslage entsprechend anzupassen. Die Zuweisung zusätzlicher Beförderungsmöglichkeiten bewirkt, dass insgesamt mehr Beamtinnen und Beamte befördert werden können. Hieraus ergibt sich gegebenenfalls auch, dass Männer, die aufgrund der Frauenförderung in der Beförderungsreihenfolge zurückgefallen sind, im Zuge der höheren Anzahl an Beförderungsmöglichkeiten nunmehr ebenfalls befördert werden können. 1. Wie sehen jeweils differenziert nach allen einzelnen Besoldungsgruppen die quartalsweise Beförderungszahlen für die Polizei im Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 30. Juni 2016 aus? Die Zuweisung der Beförderungsmöglichkeiten für die Ämter der Laufbahngruppe 2 mit dem 2. Einstiegsamt (vormals höherer Dienst) erfolgt im Gegensatz zur Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobenen Dienst) nicht quartalsweise, so dass lediglich die jährliche Gesamtsumme in der folgenden Tabelle benannt wurde: (vormals) Höherer Dienst A16 A 15 A 14 Summe Gesamt 2014 8 14 1 23 Gesamt 2015 9 25 51 85 Gesamt 2016 6 6 15 27 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 4 Die Anzahl der Beförderungsmöglichkeiten für die Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt können für den genannten Zeitraum quartalsweise der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: (vormals) Gehobener Dienst A13 A 12 A 11 A 10 Summe 1. Quartal 2014 68 153 1.294 1.296 2.811* 2. Quartal 2014 30 56 174 195 455 3. Quartal 2014 34 58 167 185 444 4. Quartal 2014 36 59 198 235 528 Gesamt 2014 168 326 1.833 1.911 4.238 1. Quartal 2015 30 70 284 325 709 2. Quartal 2015 46 74 225 245 590 3. Quartal 2015 41 67 263 283 654 4. Quartal 2015 31 75 252 296 654 Gesamt 2015 148 286 1.024 1.149 2.607 1. Quartal 2016 48 100 310 325 783 2. Quartal 2016 44 76 284 315 719 Gesamt 2016 92 176 594 640 1.502 * Die Anzahl der Beförderungsmöglichkeiten fällt im 1. Quartal 2014 im Vergleich zu den nachfolgenden Jahren höher aus. Dies ist dadurch begründet, dass mit der Einführung der zweigeteilten Laufbahn bei der Polizei jährlich zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt wurden, um die Nachschlüsselung der Stellen für die Polizeivollzugslaufbahnen zu gewährleisten. Die letztmalige Zuweisung der Nachschlüsselungsrate erfolgte im Januar 2014. Es ist davon auszugehen, dass alle o. a. Beförderungsmöglichkeiten zeitnah ausgeschöpft wurden. 2. Wie viele von den tatsächlich beförderten Beschäftigten der Polizei sind jeweils jährlich in den Jahren 2014 bis 2016, differenziert nach den einzelnen Besoldungen von A9 bis A16, weiblich bzw. männlich gewesen? (Angaben für 2016 können sachlogisch nur das 1. Halbjahr umfassen) Die Zuständigkeit für die Durchführung von Beförderungen der Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobener Dienst) liegt vor Ort bei den Polizeibehörden, wohingegen die Beförderungen im höheren Dienst unmittelbar durch das Ministerium für Inneres und Kommunales vorgenommen werden. Aus diesem Grund liegen lediglich Daten zum höheren Dienst vor und können entsprechend der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: (vormals) Höherer Dienst A16 davon Frauen davon Männer A15 davon Frauen davon Männer A14 davon Frauen davon Männer 2014 8 0 8 14 1 13 1 1 0 2015 9 1 8 25 6 19 51 13 38 2016 6 3 3 6 0 6 15 6 9 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 5 3. Wie ändern sich differenziert nach allen einzelnen Besoldungsgruppen für das zweite Halbjahr 2016 die Beförderungszahlen beim Vergleich der ursprünglichen Planung mit den Effekten der soeben getroffenen Neuregelung (Vorziehen der Beförderungen aus 2017 und Verkürzung der Wiederbesetzungssperre)? (direkter Vergleich mit den absoluten Zahlenwerten) Durch das Vorziehen der Beförderungen aus 2017 sowie der Verkürzung der Wiederbesetzungssperre wurden zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten für die Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobener Dienst) realisiert. In der Laufbahngruppe 2 mit dem 2. Einstiegsamt (vormals höherer Dienst) haben sich keine Änderungen diesbezüglich ergeben. Die ursprüngliche sowie die aktuelle Planung für die Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobener Dienst) stellen sich für das zweite Halbjahr 2016 wie folgt dar: (vormals) Gehobener Dienst A13 bisher A13 aktuell Differenz A 12 bisher A12 aktuell Differenz 3. Quartal 2016 33 33 0 76 76 0 4. Quartal 2016 30 134 104 61 146 85 Gesamt 2016 63 167 104 137 222 85 (vormals) Gehobener Dienst A11 bisher A11 aktuell Differenz A 10 bisher A10 aktuell Differenz 3. Quartal 2016 229 1.254 1.025 257 537 280 4. Quartal 2016 284 0 -284 346 0* -346 Gesamt 2016 513 1.254 741 603 537 -66* * Die aktuelle Planung sieht eine weitere Zuweisung zum Ende des Jahres 2016 in der Besoldungsgruppe A10 und A 11 BBesO vor. Die Höhe der Zuweisung kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestimmt werden, weil diese maßgeblich abhängig ist von der benötigten Anzahl an Planstellen für Teilzeiterhöhungen und Rückkehr aus Elternzeit für das 4. Quartal 2016. Aus diesem Grund konnte in der o. a. Tabelle noch kein Zahlenwert benannt werden. 4. Wie sieht in den beiden vorgenannten Szenarien (alte Planung bzw. Neuregelung) die jeweilige Verteilung der zuvor dargestellten Beförderungskontingente für die einzelnen Besoldungsgruppen auf die beiden Geschlechter aus? (Abweichung der absoluten Zahl der männlichen bzw. weiblichen Beförderungen in beiden Szenarien erbeten) Wie bereits bei der Beantwortung zur Frage 2 ausgeführt, liegen für die Laufbahngruppe 2 mit dem 1. Einstiegsamt (vormals gehobener Dienst) keine Daten darüber vor, wie viele der zugewiesenen Beförderungsmöglichkeiten für weibliche bzw. für männliche Beschäftigte der Polizei genutzt wurden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12879 6 Darüber hinaus kann eine Vielzahl der Beförderungsmöglichkeiten aus dem 3. Quartal und 4. Quartal noch nicht durch die Polizeibehörden umgesetzt worden sein, so dass eine Erfassung der geforderten Daten zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. 5. Wie hat die Beteiligung des Haushaltsgesetzgebers an den zusätzlichen Kosten für die Jahre 2016 und 2017 bislang konkret ausgesehen, die aus der in der Sommerpause von der Landesregierung getroffenen Entscheidung resultieren? (bitte unter Angabe der von der Landesregierung prognostizierten Mehrkostenhöhe für 2016 und 2017) Die voraussichtlichen Mehrkosten für die Haushaltsjahre 2016 sowie 2017 können noch nicht abschließend beziffert werden, weil diese unmittelbar abhängig sind von der vorgesehenen weiteren Zuweisung in den Besoldungsgruppen A10 und A11 BBesO zum Ende des Jahres 2016. Die Höhe dieser Zuweisung ist wiederum abhängig von der benötigten Anzahl an Planstellen für Teilzeiterhöhungen und Rückkehr aus Elternzeit für das IV. Quartal 2016, welche zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt ist. Entstehende Mehrausgaben werden aus den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln des Einzelplans gedeckt. Daher ist eine Beteiligung des Haushaltsgesetzgebers nicht erforderlich. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12879