LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12884 09.09.2016 Datum des Originals: 08.09.2016/Ausgegeben: 14.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5028 vom 8. August 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/12656 Faktische und rechtliche Würdigung der WestSpiel-Sause auf dem Partyschiff – Welcher tatsächliche Hergang und steuerliche Sachverhalt liegt bei der sogenannten „Mitarbeiterversammlung“ mit angeschlossener Betriebsfeier am Totensonntag nun vor? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Totensonntag, 23. November 2014, veranstaltete der landeseigene Glücksspielanbieter WestSpiel – wie mittlerweile öffentlich bekannt und vom Unternehmen auch eingeräumt ist – eine Betriebsfeier auf einem Partyschiff der Rheinschifffahrt. Diese Veranstaltung kostete mindestens 77.000 Euro und umfasste Schiffscharter, die Gastronomie, einen Bustransport zum Schiff hin und wieder zurück sowie ein Musikprogramm und Tombolagewinne (Details vgl. LT-DS 16/11703). Diese Sause wurde von der Unternehmensleitung anberaumt, obwohl das Unternehmen jahrelang nach Steuern Fehlbeträge in relevanter Millionengrößenordnung erzielt hat und nur durch den umstrittenen Verkauf von Warhol-Exponaten seinerzeit wieder aus der Verlustzone gebracht werden konnte. Offenbar auch in Reaktion auf diese für den Staatsbetrieb unangenehmen Veröffentlichungen behauptete WestSpiel Medienvertretern gegenüber dann tatsächlich, bei dem besagten Ereignis habe es sich angeblich um eine „Mitarbeiterversammlung mit angeschlossener Weihnachtsfeier“ gehandelt. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 15. März 2016 die WestSpiel-Darstellung wörtlich wie folgt: >> Obwohl es jahrelang keine derartige Veranstaltungen gegeben habe, sei die "Mitarbeiterversammlung mit angeschlossener Weihnachtsfeier" im November 2014 eine "wichtige Maßnahme der internen Kommunikation gewesen“. << Den Darstellungen des Finanzministeriums in obiger LT-DS kann jedoch nicht entnommen werden, dass überhaupt eine Mitarbeiterversammlung durchgeführt wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Veranstaltung am Totensonntag stattgefunden hat, wäre dies auch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12884 2 verwunderlich. Verschiedene bei dem Partyevent anwesende WestSpiel-Beschäftigte haben inzwischen gegenüber dem Fragesteller ausdrücklich bestritten, dass es am besagten Totensonntag ein Ereignis gegeben hat, das sich auch nur annähernd sachgerecht als eine „Mitarbeiterversammlung“ mit Informationscharakter bezeichnen lassen würde. Der Leser dürfte bei einer „Mitarbeiterversammlung“ leicht an eine „Betriebsversammlung“ denken, auch wenn WestSpiel den Fachbegriff im arbeitsrechtlichen Sinne nicht verwendet hat. Der Hinweis auf eine (nur) angeschlossene Feier legt zudem nahe, dass es im Kern bei dem mehrstündigen Aufenthalt am Rhein nicht um die Feier, sondern um eine Versammlung gegangen sei, die dann eher mit einer Feier abgerundet worden ist. Diese Darstellungsweise von WestSpiel in der Öffentlichkeit muss für Erstaunen und nähere Nachfragen sorgen. Im internen WestSpiel-Informationsmedium „Newsflash“ von Dezember 2014, also in der auf die Bootsparty folgenden Ausgabe, wird mit keinem einzigen Wort die offenbar so wichtige „Mitarbeiterversammlung“ als solche erwähnt, jedoch gibt es eine ausführliche ganzseitige Darstellung der Feierlichkeiten. Unter anderem heißt es im Medium von WestSpiel wörtlich: „Welch ein rauschendes Fest! Vielen Dank für die vielen Mails – es scheint Ihnen wirklich gut gefallen zu haben. Das Organisationskomitee [Eigennamen] freuen sich sehr, dass die insgesamt 585 Mitarbeiter der WestSpiel-Gruppe einen so schönen Abend verlebt haben. Die vielen E-Mails waren so voller positivem Feedback, dass wir dieses gerne mit Ihnen teilen möchten. Hier einige Auszüge: (…) „Das Schiff war atemberaubend und die Deko hat ihren Rest dazugetan. Die Stimmung war sehr ausgelassen. Das Essen war sensationell. Alles in Allem war es einfach genial und wunderschön. Das einzige, was ich persönlich nicht so toll fand war, dass [Rechtschreibfehler korrigiert] es etwas lange gedauert hat, bis man tanzen konnte.“ Üblicherweise dürften Eindrücke von Mitarbeiterversammlungen bei Unternehmen anders wiedergegeben werden, sollten diese denn tatsächlich im Zentrum gestanden haben. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat zurecht bereits öffentlich konstatiert, dass er den Maßstab bei dieser Feier für deutlich überschritten hält. Betriebsfeiern hätten sich auch an der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens zu orientieren. Die Geschäftsführung von WestSpiel hat aber dem entgegen in einem Schreiben an die Beschäftigten noch im April 2016 ausdrücklich festgehalten, dass die Veranstaltung „durchaus im üblichen Rahmen lag“. Der WestSpiel-Newsflash von April 2016 notiert dazu wörtlich: „Fakt ist: Mit den Ausgaben blieben wir unter den gesetzlich geregelten Steuerfreigrenzen und lagen damit durchaus im üblichen Rahmen.“ In der Tat wirft die Geschäftsführung von WestSpiel damit einen Sachverhalt auf, der einer genaueren Betrachtung bedarf. Im Jahr 2014 hat für Betriebsfeiern eine Freigrenze von 110 Euro pro Teilnehmer gegolten. In der vom Finanzminister angewandten Lohnsteuerrichtlinie heißt es diesbezüglich: „Betragen die Aufwendungen des Arbeitgebers einschl. Umsatzsteuer für die üblichen Zuwendungen i. S. d. Satzes 1 Nr. 1 bis 5 an den einzelnen Arbeitnehmer insgesamt mehr als 110 Euro je Veranstaltung, sind die Aufwendungen dem Arbeitslohn hinzuzurechnen.“ (LStR 2011 Lohnsteuer-Richtlinien 2011 - R 19.5).“ Betrugen die Zuwendungen an den einzelnen Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsfeier also mehr als 110 Euro, wurde seinerzeit der gesamte Betrag einkommensteuerpflichtig. Erst für spätere Jahre ist diese Regelung nach einer steuerzahlerfreundlicheren Rechtsprechung des BFH zeitverzögert angepasst worden, und es handelt sich seitdem um einen Freibetrag LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12884 3 von 110 Euro. Die Finanzverwaltung hat die BFH-Entscheidung zur Berechnung der 110-Euro- Freigrenze für das Jahr 2014 ausdrücklich nicht anerkannt. Erst in 2015 ist eine neue Verfügung ergangen für alle nach dem 31. Dezember 2014 stattfindenden Veranstaltungen. Die Feierlichkeit auf dem Partyschiff dürfte für die WestSpiel-Teilnehmer unzweifelhaft einen marktgängigen Vorteil darstellen, insbesondere wenn man sich die obige Darstellung des nachträglichen WestSpiel-Berichts über die Hergänge der Bootsparty in Erinnerung ruft. Die im Dezember 2014 durchgeführte Feier auf dem KD-Partyschiff kostete laut Darstellung des Finanzministeriums 77.000 Euro und hatte eine Teilnehmerzahl von 582 Beschäftigten. Rechnerisch hat die Weihnachtsfeier 132 Euro je Teilnehmer gekostet, was 22 Euro über der damals zulässigen Freigrenze läge. Die abgeleitete Vermutung, dass diese Zuwendungen einkommensteuerpflichtig sein könnten, liegt also nahe. Die anderslautende Einlassung von WestSpiel lässt sich zumindest mit den bisherigen Auskünften der Landesregierung nicht nachvollziehen. Der Logik der WestSpiel-Verlautbarungen nach dürfte es bis zum heutigen Tag die Pauschalversteuerung eines geldwerten Vorteils für die Schiffsparty durch WestSpiel nicht geben. Fraglich ist damit, ob auf die Teilnehmer der Sause auf dem Rhein nachträglich möglicherweise sogar noch Steuernachforderungen zukommen. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans dürfte diese Frage in hohem Maße interessieren, da er sich gern mit einer konsequenten Vorgehensweise gegen eine denkbare unbillige Steuervermeidung einen Namen macht. Seinen Maßstäben sollten sicherlich auch alle im Eigentum des Landes befindlichen Unternehmen genügen. Die vollständige Aufklärung der tatsächlichen Hergänge und rechtlichen Implikationen dieser besagten WestSpiel-Sause sind daher unverändert von parlamentarischem und öffentlichem Interesse. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sollte daher die obigen Sachverhalte ausführlich analysieren und dem Landtag seine Untersuchungsergebnisse berichten. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5028 mit Schreiben vom 8. September 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Bereits in der Antwort auf die ebenfalls auffällig belletristisch formulierte Kleine Anfrage 45601 („Fragwürdige After-Warhol-Party beim staatlichen Glücksspielanbieter WestSpiel – Wie bewertet der Finanzminister die luxuriöse 100.000 Euro teure rauschende Sause für alle landesweit tätigen Casino-Beschäftigten ausgerechnet am Totensonntag?“) wurde umfangreich zu der Veranstaltung von WestSpiel Stellung genommen. Auf die entsprechende Antwort (LT-Drs. 16/11703) wird verwiesen. 1 Seit dem letzten Jahr wurden u.a. die folgenden sieben Kleinen Anfragen gestellt: Kleine Anfrage 3296 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/8673; Kleine Anfrage 3956 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/10234; Kleine Anfrage 4460 der Abgeordneten Ralf Witzel und Ingola Schmitz der Fraktion der FDP, Antwort LT- Drs. 16/11477; Kleine Anfrage 4492 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/11586; Kleine Anfrage 4560 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/11703; Kleine Anfrage 4724 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/12200; Kleine Anfrage 4856 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/12549). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12884 4 1. Welche vollständigen Informationen zum tatsächlichen Hergang dieser sogenannten „Mitarbeiterversammlung“ bei WestSpiel (insbesondere Dauer, Ort und Inhalt genau nur dieses vorgeschalteten Veranstaltungsteils vor Beginn der späteren Feierlichkeit) kann der Finanzminister dem Landtag geben? Die in Rede stehende Veranstaltung fand auf einem Ausflugsschiff statt, das in Düsseldorf ablegte und für vier Stunden auf dem Rhein unterwegs war. Der Ablauf gestaltete sich wie folgt: ab 17:00 Uhr Boarding ab 17:30 Uhr Beginn des Rahmenprogramms ab 19:30 Uhr Begrüßungsansprache durch die Geschäftsführung mit Rückblick auf das Geschäftsjahr 2014 und Ausblick auf das Geschäftsjahr 2015 und Eröffnung des Buffets ca. 21:30 Uhr Ende des Rahmenprogramms 1:00 Uhr Ende der Veranstaltung 2. Hält der Finanzminister den durch WestSpiel öffentlich erweckten Eindruck, es handele sich bei der Zusammenkunft der WestSpiel-Beschäftigten am Totensonntag (vor allem) um eine „Mitarbeiterversammlung“ mit (nur) angeschlossener Feierlichkeit angesichts der tatsächlichen Ereignisse für eine sachgerechte Darstellung und Information? Indem der Fragesteller die Darstellung von WestSpiel, es habe sich um eine Mitarbeiterversammlung mit angeschlossener Feierlichkeit gehandelt, um ein „nur“ ergänzt, verändert er die Aussage von WestSpiel. Die entsprechende Darstellung durch WestSpiel lautete lediglich „Mitarbeiterversammlung mit angeschlossener Weihnachtsfeier“. Aus meiner Sicht stand die Feierlichkeit im Vordergrund. 3. Aus welchen sachlichen Gründen ist die steuerrechtliche Beurteilung von WestSpiel nach dem Recht des Jahres 2014 zutreffend (bzw. nicht zutreffend), die Kosten der Feier lägen trotz der sich rechnerisch ergebenden 132 Euro an Kosten pro Person dennoch unter der gesetzlich geregelten Steuerfreigrenze von 110 Euro pro Kopf? WestSpiel hat die lohnsteuerliche Behandlung der Weihnachtsfeier geprüft. Die Hauptpreise der Tombola wurden gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit 25 % durch WestSpiel pauschalversteuert. Von den verbliebenen Gesamtkosten wurden gemäß dem im Bundessteuerblatt veröffentlichen Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. Mai 2013 (VI R 94/10, BStBl. II 2015, S. 186) die Mietkosten für den Veranstaltungsort abgezogen. Nach Abzug der Tombola-Kosten und der Mietkosten verblieben Kosten in Höhe von 56.619,69 EUR brutto. Bei 582 Teilnehmern ergaben sich Kosten pro Teilnehmer von 97,28 EUR. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12884 5 4. In welchem Umfang hat es bei WestSpiel für den 23. November 2014 weitere interne bzw. externe Aufwendungen neben den bislang eingeräumten 77.000 Euro gegeben? Nach Angaben von WestSpiel enthält der genannte Betrag alle externen Aufwendungen der Weihnachtsfeier. Interne Kosten z.B. für die Organisation der Feier, Telefonate etc., die bei WestSpiel nicht separat erfasst würden, seien in ihrer Höhe gering und deswegen für die steuerliche Beurteilung irrelevant. 5. Falls der Finanzminister die Steuerpflicht für die WestSpiel-Bootsparty nach dem für das Jahr 2014 gültigen Recht verneint: Können sich alle anderen Unternehmen bzw. Arbeitnehmer auf eine vergleichbare Behandlung und Steuerfreiheit berufen? Ja. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12884