LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12885 09.09.2016 Datum des Originals: 08.09.2016/Ausgegeben: 14.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5038 vom 10. August 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/12677 Aufgabenkritik bei den landeseigenen Familienkassen in Nordrhein-Westfalen – Ab wann will der Finanzminister für den öffentlichen Dienst das attraktive Angebot der kostenfreien Übertragung der Kindergeldbearbeitung als Effizienzpotential nutzen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Insgesamt wird in Deutschland gegenwärtig für rund 16 Millionen Kinder Kindergeld gezahlt. Das Auszahlungsvolumen betrug im Jahr 2015 über 39 Milliarden Euro. Üblicherweise ist für das Kindergeld die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit zuständig. Das Kindergeld für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wird jedoch nicht von der Bundesagentur für Arbeit verwaltet, sondern derzeit von den ländereigenen Familienkassen für die Behörden festgesetzt und gezahlt, bei denen die Beschäftigten arbeiten. Die zahlreichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst beziehen das Kindergeld deshalb von ihrer Behörde, weil sie einen Familienzuschlag oder eine vergleichbare tarifliche Leistung erhalten, wenn für ihre Kinder ein Kindergeld gezahlt wird. Neben den 14 Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit, die das Kindergeld für rund 87 Prozent aller Kinder in Deutschland bearbeiten, gibt es daher über 8.000 einzelne Familienkassen des öffentlichen Dienstes für die übrigen 13 Prozent, also für die Kinder von öffentlich Beschäftigten (vgl. BR-DS 278-16). Bereits im Jahr 2007 hat der Bundesrechnungshof erstmals diese offensichtlich ineffiziente Vorgehensweise der öffentlichen Hand kritisiert (BT-DS 16/7100). Damals waren noch 12.000 Familienkassen des öffentlichen Dienstes für die Bearbeitung des Kindergeldes der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zuständig. Seither hat es schon einige gesetzliche Veränderungen gegeben, und die Anzahl der zuständigen Behörden hat sich in einem ersten Schritt reduziert. Dass weiteres Optimierungspotential vorhanden ist, liegt jedoch bei der hohen Zahl der kindergeldbearbeitenden Stellen auf der Hand. Die Bundesregierung hat deshalb einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundesrat eingebracht, und dieser ist dort am 8. Juli 2016 im ersten Durchgang behandelt worden. Mit dem Gesetzentwurf soll eine grundlegende strukturelle Reform der Zuständigkeiten der Familienkassen des öffentlichen Dienstes eingeleitet werden. Dazu soll die Kindergeldbearbeitung der Familienkassen des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12885 2 öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes nun auf die Bundesagentur für Arbeit oder alternativ auf das Bundesverwaltungsamt übergehen. Bei Ländern und Kommunen werden öffentliche Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, ebenfalls Zuständigkeit und Fallbearbeitung kostenfrei an die Bundesagentur für Arbeit abzugeben (vgl. BR-DS 278-16). Ähnlich wie der Bundesrechnungshof im Jahr 2007 stellt die Bundesregierung jetzt in ihrem Gesetzentwurf fest, dass bei rund 80 Prozent der Familienkassen des öffentlichen Dienstes aufgrund der geringen Fallzahlen Standardisierungen der Arbeitsabläufe und damit zugleich die Erreichung von Mindeststandards bei der Qualität nicht möglich seien. Darüber hinaus sei kein einheitlicher IT-Standard bei den Familienkassen vorhanden und deshalb auch kein Abgleich der Daten untereinander möglich, weshalb schon strukturell bedingt im Bereich der Familienkassen des öffentlichen Dienstes selbst Doppelzahlungen beim Kindergeld nicht ausgeschlossen werden können. Im Jahr 2007 hat der Rechnungshof festgestellt, dass sich bei einer Konzentration auf einige wenige Familienkassen jährlich rund 100 Millionen Euro bei den Sach- und Personalkosten einsparen ließen (BT-DS 16/7100). Derzeit wird in Nordrhein-Westfalen für Kinder von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das Kindergeld noch nicht über die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt, sondern vom Dienstherren bzw. dessen jeweiliger Vergütungsstelle. Vergleichbares gilt für die Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Kommunen. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat verschiedentlich in dieser Legislaturperiode verkündet, er wolle sinnvolle Synergieeffekte im Verwaltungsbereich nutzen, um für eine größere Effizienz der administrativen Arbeitserledigung zu sorgen. Das Parlament hat daher ein Anrecht darauf, die Haltung der Landesregierung zu den zukünftigen Arbeitsaufgaben der landeseigenen Familienkassen in puncto Kindergeldbearbeitung präzise zu erfahren. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5038 mit Schreiben vom 8. September 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. 1. Wie viele Abrechnungsstellen bzw. Behörden sind, differenziert nach kommunaler und Landesebene, derzeit für die Bearbeitung des Kindergeldanspruchs der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen insgesamt zuständig? 2. In etwa welche personellen Ressourcen und materiellen Kosten bindet die aktuelle Struktur der Kindergeldbearbeitung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für Kommunen und Land in Nordrhein-Westfalen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Auf Landesebene sind mit der Landesfamilienkassenverordnung insgesamt 4 Landesfamilienkassen eingerichtet worden: - die Rheinische Versorgungskasse - die Kommunale Versorgungskasse Westfalen-Lippe - das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen und - der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband. - Die Fachaufsicht obliegt in allen Fällen nicht dem Land, sondern dem Bundeszentralamt für Steuern. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Landesfamilienkassenverordnung Nordrhein- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12885 3 Westfalen können die Rheinischen Versorgungskassen und die Kommunalen Versorgungskassen Westfalen-Lippe als Landesfamilienkasse die Aufgaben nach § 72 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wahrnehmen, soweit ihnen diese Aufgaben von einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer sonstigen kommunalen Körperschaft, kommunalen Anstalt oder kommunalen Stiftung übertragen werden. Aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung steht eine Übertragung den Kommunen frei. Das Land hat hierauf keinen Einfluss, so dass keine belastbare Aussage zum personellen und materiellen Aufwand für die Bearbeitung der Kindergeldangelegenheiten getroffen werden kann. 3. Welche einzelnen administrativen Veränderungen hat es in den letzten zehn Jahren bei der Bearbeitung des Kindergeldanspruchs der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen bei Land und Kommunen gegeben? Aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes hat das Land keinen Einfluss auf die Bearbeitung der Kindergeldangelegenheiten durch die Kommunen. Die Fachaufsicht für Kindergeldangelegenheiten obliegt dem Bundeszentralamt für Steuern. Von der Möglichkeit der Aufgabenübertragung an die Versorgungskassen haben seit 2007 insgesamt 163 Kommunen Gebrauch gemacht. Im Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW wurde die Kindergeldbearbeitung erfolgreich zentralisiert und so die Effizienz und Qualität der Bearbeitung erhöht. Die Optimierung von Verfahrensabläufen und die Umsetzung rechtlicher Änderungen (z.B. Steuervereinfachungsgesetz 2011) ist eine Daueraufgabe der öffentlichen Verwaltung. 4. Welche Einsparungen lassen sich bei einem möglichen Übergang der Bearbeitung des Kindergeldanspruchs der Beschäftigten im öffentlichen Dienst an die Bundesagentur für Arbeit bei Land und Kommunen insgesamt erzielen? 5. Ab welchem Termin beabsichtigt die Landesregierung für ihren Zuständigkeitsbereich die Übertragung der Fallbearbeitung des Kindergeldanspruchs für ihre Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an die Bundesagentur für Arbeit? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Das Finanzministerium hat auf Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen im Bereich des Bundes Anfang Juli eine Abfrage hinsichtlich der Übertragung der Kindergeldbearbeitung an die Bundesagentur für Arbeit bei den Landesfamilienkassen eingeleitet. Nach Vorliegen der Antworten, des beschlossenen Gesetzes und der ggf. notwendigen Verwaltungsvorschriften ist über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12885