LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1293 02.11.2012 Datum des Originals: 31.10.2012/Ausgegeben: 07.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 523 vom 28. September 2012 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/1028 Information der Bevölkerung in Katastrophenfällen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 523 mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Großbrand in einer Düngemittelfabrik in Krefeld am 25.09.2012 und die infolgedessen vom Niederrhein bis ins westliche Ruhrgebiet gezogene Rauchwolke haben erneut die Frage aufgeworfen, ob die Bürger und Bürgerinnen in Nordrhein-Westfalen in ausreichendem und zuverlässigem Maß in Katastrophenfällen über notwendige Maßnahmen zum Schutz insbesondere des eigenen Lebens und das der Familie informiert werden können. Ein bundesweit flächendeckendes Netz von Sirenen auf Häuserdächern existiert nicht mehr, weil der ursprüngliche Hauptzweck der Errichtung nach dem zweiten Weltkrieg, der Zivilschutz im kalten Krieg, glücklicherweise weggefallen ist. Dem Rundfunk als aktuelles Hauptwarnmittel bei Großschadenslagen und Katastrophen fehlt der sogenannte „Weckeffekt“. Ein hinreichend taugliches System mit „Weckeffekt“ steht nach dem Abbau des Zivilschutz-Sirenennetzes nicht mehr zur Verfügung. Bund und Länder setzen bei der Schaffung eines neuen Warnsystems offenbar maßgeblich auf die Entwicklung des Modularen Warnsystems (MoWaS). Dieses stützt sich auf das Satellitengestützte Warnsystem (SatWaS) zur Warnung der Bevölkerung im Spannungs- und Verteidigungsfall. MoWaS soll Warnungen über Medienbetreiber, Pager, Internetprovider und Sirenen, Brandrauchmelder, Handys und Smartphone-„Apps“ ermöglichen. Die Länder können die Entwicklung weitgehend selbständig vorantreiben. Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass SatWaS bereits seit 2001vorgehalten wird und dass gerade die Mobilfunktechnologie rasante Entwicklungsschritte nimmt, verwundert, dass bei der Vorstellung des Entwicklungsstandes von MoWaS in der Zivilschutzverbindungsstelle Kalkar in Uedem durch das Innenministerium NRW und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Mitte September deutlich wurde, dass seit 2009 immer noch die Realisierung des „Weckeffekts“ geprüft wird. Ebenso beunruhigt die laut einem Pressebericht geäußerte Erklärung einer Sprecherin des Innenministeriums NRW, dass es im Hinblick auf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1293 2 die Warnung per SMS noch Forschungsbedarf gebe und noch nicht ausgeschlossen werden könne, dass SMS wegen überlasteter Funknetze stecken blieben (Rheinische Post, 28.09.2012). Gerade die Problematik überlasteter Funknetze sollte der Landesregierung spätestens seit der Katastrophe der Loveparade am 24.07.2010 bekannt sein. Es drängt sich die Frage auf, ob die Landesregierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mit seinen zahlreichen Industriestandorten die Entwicklung der Bevölkerungswarnung nicht zielgerichtet genug vorantreibt. Vorbemerkung der Landesregierung Die Zuständigkeit zur Warnung der Bevölkerung folgt aus der behördlichen Zuständigkeit zur Abwehr der jeweiligen Gefahr. Das bedeutet im Rahmen des Brandschutzes eine Verantwortung bei der Gemeinde (§ 1 Abs. 1 FSHG), für Großschadensereignisse beim Kreis bzw. der kreisfreien Stadt (§ 1 Abs. 5 FSHG) sowie für den Zivilschutz beim Bund (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 1 ZSKG). Im Unterschied zu diesen Aufgabenträgern ist das Land nicht mit der konkreten Gefahrenabwehr betraut. Die Zuständigkeit des Landes umfasst die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung im Feuer- und Katastrophenschutz sicher zu stellen und die kommunalen Aufgabenträger zu unterstützen. Die kommunalen Aufgabenträger sind sich dieser Verantwortung bewusst, haben die Warnung der Bevölkerung jedoch auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt. Dort wo Sirenen vorhanden sind, werden diese von den Leitstellen ausgelöst, ansonsten sorgen z. B. Lautsprecherdurchsagen für eine Information der Bürgerinnen und Bürger. Viele Kommunen haben in den vergangenen Jahren angefangen, ihr Sirenennetz wieder aufzubauen, aber nicht in allen Städten und Gemeinden ist auf Grund der lokalen Gegebenheiten die Sirene das beste Mittel. Da der technische Fortschritt rasant voranschreitet, kann die Lösung nur in einem System liegen, das alle zur Zeit denkbaren Warnmittel ansteuern kann und auch so flexibel gestaltet ist, dass zukünftige Technologien mit einbezogen werden können. Das hat zum Ausbau des Satelliten gestützten Warnsystems SatWaS zu dem Modularen Warnsystem MoWaS geführt. MoWaS soll langfristig ermöglichen, dass die Gefahrenabwehrbehörden unmittelbar und ohne Medienbruch alle in ihrem Verantwortungsbereich vorhandenen Warnmittel auslösen können. Dabei soll die Nutzung von Sirenen, Rauchmeldern, Mobilfunk etc. dazu beitragen, so viele Bürger wie nur möglich in einem möglichst abgegrenzten Warnbereich erreichen zu können. Der Bund bietet MoWaS derzeit in einer ersten Stufe als ein satellitengestütztes Leitstellensystem an. Bund und Länder favorisieren das Mobiltelefon und Rauchmelder als vorrangige Warnmultiplikatoren. Der Anschluss unterschiedlicher Warn-mittel soll in Pilotvorhaben getestet werden. Eine Arbeitsgruppe des Bundes klärt dazu die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, die für die Versendung von Massen-SMS geschaffen werden müssen. Die Telekommunikationsgesetze verbieten dies derzeit. In Nordrhein-Westfalen wurde eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller kommunalen Spitzenverbände gegründet, die ein Gesamtkonzept für die Warnung der Bevölkerung für Nordrhein-Westfalen als Empfehlung für die Kommunen erstellen soll. MoWaS wurde in einer der Sitzungen vorgestellt und ist von allen Beteiligten positiv aufgenommen worden. Hier stellt sich die Frage nach der Kostenbeteiligung der verschiedenen Ebenen. Zur Ermittlung der Kosten hat BMI allen interessierten Ländern angeboten, sich an einem großflächigen Praxistest zu beteiligen. Darin soll die Integration von Sirenen, Rauchwarnmeldern, KATWARN (System der öffentlichen Versicherer zur SMS-Warnung) und Mobilfunk erprobt werden. Neben der Überprüfung der technischen Machbarkeit soll LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1293 3 dieser Test auch einen genaueren Überblick über die entstehenden Kosten ermöglichen. Bund und Länder haben vereinbart, die Integration der aufgeführten Multiplikatoren in MoWaS in vier Teilprojekten unter Beteiligung ausgewählter Länder durchzuführen ("Sirenen über Digitalfunk", "Integration KATWARN", "Brandrauchmelder über Paging" und "Nutzung Mobilfunk"). Ziel der Teilprojekte ist es, beispielhaft die Kosten für die einzelnen Lösungen je Land zu beziffern. Nordrhein-Westfalen hat für das Teilprojekt Warnung und Information über den Mobilfunk bereits die Federführung übernommen. Ebenso wird sich Nordrhein-Westfalen an den Pilotvorhaben "Brandrauchmelder über Paging" "und "Sirenen über Digitalfunk" beteiligen. 1. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung aus den bisherigen Tests von MoWaS in den Pilotgebieten Köln und dem Kreis Steinfurt gezogen? 2. Welche Einsatzfälle hat es in der Testphase in Köln und im Kreis Steinfurt gegeben? Die Warnkonzepte der Kreise und kreisfreien Städte bestehen aus verschiedenen Komponenten, die unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen. Sirenen werden hauptsächlich eingesetzt, um die Bevölkerung auf ein bestehendes Problem hinzuweisen (Weckeffekt) und eine bestimmte Handlung zu erreichen (Fenster und Türen geschlossen zu halten und das Radio einzuschalten). Dazu werden im Kreis Steinfurt auch mobile Sirenen eingesetzt. Um detailliertere Informationen zu verbreiten, werden Radio- und Fernsehdurchsagen durchgeführt. Dazu gibt es vor Ort Vereinbarungen mit den Lokalsendern. Für die landesweite Durchsage von Meldungen existiert seit 2008 eine Vereinbarung der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder und der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten sowie des DeutschlandRadios zur Warnung und Information der Bevölkerung. Nicht zuletzt werden Lautsprecherdurchsagen für kurze Informationen und Handlungsanweisungen eingesetzt. Die Stadt Köln hat dazu das gesamte Stadtgebiet in Warnbezirke eingeteilt; ein Warnbezirk kann dabei innerhalb von 10 Minuten komplett abgefahren werden. Auch im Internet werden Informationen bereitgestellt und Bürgertelefone/Call Center informieren die Bürgerinnen und Bürger per Telefon. Das Modulare Warnsystem bietet die Möglichkeit in einem georeferenzierten Bereich die verschiedenen Warnmittel anzusprechen und bereits vorgefertigte Warndurchsagen an die Radio und Fernsehstationen zu versenden. Da die Hardware für das MoWaS-System erst Ende letzten Jahres bei den Leitstellen installiert wurde und durch ein Klageverfahren die Weiterentwicklung durch die Betreiberfirma bis vor wenigen Monaten ruhen musste, sind noch nicht alle notwendigen Schnittstellen programmiert, so dass in der Pilotphase das MoWaS-System noch parallel zu den bereits vorhandenen Leitstellensystemen getestet wird. 3. Welche über eventuelle, in Köln und im Kreis Steinfurt gewonnene hinausgehende Erfahrungen und Aspekte stehen der weitergehenden Realisierung von MoWaS entgegen? Wie in den Vorbemerkungen bereits erläutert sind die Kommunen für die Warnung der Bevölkerung zuständig. Es bleibt in der Entscheidung der Kommunen, ob sie das Modulare Warnsystem in Zukunft einsetzen wollen oder nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1293 4 4. Wann wird MoWaS flächendeckend in NRW einsatzfähig sein? 5. Welche Systeme könnte die Landesregierung alternativ aufbauen? Zur Zeit finden Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden statt. Zur zeitlichen Dimension und den Alternativen in der Sache wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.