LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12962 19.09.2016 Datum des Originals: 19.09.2016/Ausgegeben: 22.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5054 vom 18. August 2016 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/12720 Wie erklärt sich die Landesregierung den auffälligen Anstieg der Syphilis-Fälle in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Verschiedene Medien, darunter Spiegel Online und die Ärzte Zeitung, berichten aktuell über die steigenden Fälle von Syphilis-Infektionen in Deutschland. So registrierte das Robert Koch- Institut (RKI) im Jahr 2015 insgesamt 6.834 Fälle von Syphilis. Mit 19 Prozent mehr als im Vorjahr (5.722 Fälle) ist ein neuer Höchststand erreicht. Nachdem es gelungen war, zwischen dem Ende der 70er Jahre und Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts die Neuinfektionen von Syphilis deutlich zu reduzieren und die Krankheit somit weitgehend zurückzudrängen, ist insbesondere in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg neuer Fälle zu verzeichnen. Damit scheint eine von vielen Menschen beinahe vergessene sexuell übertragbare Infektionskrankheit wieder auf dem Vormarsch zu sein. Die Syphilis ist eine bakterielle, durch die Spirochätenart Treponema pallidum verursachte Erkrankung , die nur beim Menschen vorkommt und sexuell, durch Blut und intrauterin von der Mutter auf das Kind übertragbar ist. Sie verläuft typischerweise in drei Stadien: ein so genannter Primäraffekt (ein meist schmerzloses Geschwür an der Eintrittsstelle) bildet sich wenige Tage bis Wochen nach der Infektion, im Sekundärstadium macht sich die Erkrankung durch Allgemeinsymptome und Hauterscheinungen bemerkbar und im Tertiärstadium (Jahre nach der Erstinfektion) kann es zur Schädigung des Gehirns und der Blutgefäße kommen. Symptomfreie Phasen werden als Latenz bezeichnet. (…) Infektiös sind Personen im Primär und Sekundärstadium sowie während der Frühlatenz (bis etwa ein Jahr nach der Infektion). Die Infektion kann durch Antibiotika geheilt werden; wiederholte Infektionen sind möglich (Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI, Seite 204). Auch in Nordrhein-Westfalen hat die Anzahl der gemeldeten Syphilis-Infektionen stark zugenommen . Vergleichsweise hohe Inzidenzen von über 20 Fällen pro 100.000 Einwohner waren außer in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg auch in den NRW-Städten Köln (36) und Düsseldorf (27) zu verzeichnen. Die höchsten Inzidenzen weisen Männer zwischen 25 und 50 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12962 2 Jahren auf. Allerdings sind die Fallzahlen auch bei Frauen ausgehend von einem niedrigeren Niveau deutlich angestiegen. In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgte die Infektion im Inland (Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI, Seiten 204-206). Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5054 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie erklärt sich die Landesregierung den auffälligen Anstieg von Syphilis-Fällen in Nordrhein-Westfalen? Seit 2010 nimmt die Anzahl der gemeldeten Syphilis-Fälle in Deutschland wieder kontinuierlich zu, wobei der Anstieg in 2015 vergleichsweise stark ausfiel. Auf der Grundlage der Zahlen des Robert Koch-Instituts liegt Nordrhein-Westfalen mit ca. 8,5 Syphilis-Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Bundesdurchschnitt. Der Anstieg an gemeldeten Syphilis-Fällen insbesondere bei MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) beschränkt sich nicht nur auf Deutschland. Die gleichen Entwicklungen sind auch in anderen westeuropäischen Staaten zu beobachten. Laut dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sind für den Anstieg von Syphilis-Meldungen in Europa u.a. die bessere Umsetzung von Leitlinien, etwa für ein breiteres Syphilis-Screening von HIV-positiven MSM, sowie ein konsequenteres Meldeverhalten und bessere Erfassungssysteme ursächlich. Das ECDC sieht dennoch Evidenz dafür, dass es in den letzten Jahren zu Verhaltensänderungen, insbesondere bei MSM, gekommen ist, die eine Ansteckung mit Syphilis begünstigen. Nach den Meldedaten des Robert Koch-Instituts waren die Anstiege im Jahr 2015 in Deutschland überwiegend auf Infektionen bei MSM zurückzuführen, deren Anteil an den Meldungen damit auch insgesamt im Vergleich zu den Vorjahren anstieg. Hohe Inzidenzen von über 20 Fällen/100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, die insbesondere auf Meldungen von MSM zurückzuführen waren, gab es in Berlin, Köln, Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf und Leipzig. Diese städtischen Ballungszentren verfügen über eine vergleichsweise große schwule Community , die häufig einen weiten internationalen Einzugsbereich hat. 2. Welche gesundheitlichen Programme und Angebote für eine erfolgreiche Syphilis- Prävention unterstützt die Landesregierung? 3. Wie will die Landesregierung das Bewusstsein in der Bevölkerung über die Gefahren von Syphilis und anderer sexuell übertragbarer Infektionen stärken? 4. Wie will die Landesregierung einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Diagnostik und Therapie der Syphilis unterstützen? Die Aufklärung und Prävention sexuell übertragbarer Infektionen (STI), darunter auch der Syphilisinfektion , ist aufgrund der Überschneidung der Hauptbetroffenengruppen landesweit grundsätzlich eng verzahnt mit der Prävention von HIV/AIDS, auch, weil diese Infektionen das Risiko einer HIV-Infektion deutlich erhöhen. Dies ist das Ergebnis einer zielgerichteten Entwicklung der letzten Jahre, die ihren Niederschlag auch im Konzept zur „Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Prävention in Nordrhein-Westfalen“ findet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12962 3 Die Landesregierung fördert die örtlichen Präventions- und Hilfeangebote für Menschen mit HIV/AIDS und deren soziales Umfeld sowie zielgruppenspezifische AIDS-Aufklärungs- und Beratungsangebote für Jugendliche und Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko im Rahmen der fachbezogenen Pauschale gemäß § 29 Haushaltsgesetz mit jährlich rund 2,4 Mio. €. Zudem übernimmt das Land die Kosten für die Durchführung von HIV/AIDS- und Syphilistests durch die unteren Gesundheitsbehörden. Damit unterstützt das Land die anonymen und kostenlosen Beratungs- und Testangebote für HIV/AIDS und Syphilis in den unteren Gesundheitsbehörden , die einen niedrigschwelligen Zugang zu Diagnostik und ggf. weiterführenden Hilfen /Behandlungen ermöglichen. Ausweislich der landesweiten Statistik zeigt sich, dass die Testungen vermehrt in Anspruch genommen werden. Zusätzlich stellt das Land jährlich Mittel in Höhe von rund 1,2 Mio. € zur Förderung von Pro jekten der zielgruppenspezifischen und personalkommunikativen Aufklärung im Bereich HIV/AIDS und anderen STI's durch AIDS-Hilfen und AIDS-Fachkräfte der unteren Gesundheitsbehörden zur Verfügung. Die Projekte richten sich insbesondere an MSM, Sexarbeiter*innen sowie Jugendliche. Im Rahmen dieser Projekte werden u. a. zielgruppenspezifische Maßnahmen gefördert, die die Zielgruppe MSM frühzeitig erreichen und ihr den Zugang zu Diagnostik und weiterführenden Hilfen erleichtern sollen (z. B. szenenahe Informationsmaterialien und -veranstaltungen, Einbeziehung neuer Medien). Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung innovative Versorgungsansätze. Das MGEPA hat in einer zweijährigen Projektphase das Konzept eines fach- und institutionsübergreifenden Zentrums WIR „Walk In Ruhr (WIR) – Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin“ der Der matologischen Klinik, Ruhr-Univ. Bochum gefördert. Erstmalig in Deutschland werden Versorgung zu STI und Sexueller Gesundheit "unter einem Dach" angeboten. Aktuell fördert das MGEPA die Erprobung eines Health Advisors mit der Zielgruppe MSM. Mit Hilfe eines Case- Managers soll die Überleitung in eine Therapie von STI (und HIV) erleichtert werden. Um das Bewusstsein für die Gefahren von STI frühestmöglich zu schärfen, bildet auch die Aufklärung von Jugendlichen einen besonderen gesundheitspolitischen Schwerpunkt. So gibt es in NRW das Netz der Youthworker*innen, die eingebunden in sexualpädagogische Maßnahmen nicht nur HIV/AIDS-Prävention, sondern auch Prävention und Aufklärung von STI im Sinne einer lebensnahen, ganzheitlichen Gesundheitsförderung umsetzen. Auch mittels eines von der Landesregierung finanzierten Internetauftritts, jugendgerechter Informationsmaterialien und Veranstaltungen wird eine zielgruppenspezifische Ansprache erreicht. Die Allgemeinbevölkerung soll durch die massenmedial angelegten Aufklärungskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erreicht werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12962