LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/12993 23.09.2016 Datum des Originals: 22.09.2016/Ausgegeben: 28.09.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5049 vom 16. August 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/12699 Chaos in der Finanzverwaltung: Auf Beförderungswelle folgt Beförderungsstopp – Welche Schadensersatzforderungen, innere Kündigungen und Arbeitsunzufriedenheit resultieren aus den Ungerechtigkeiten der verheerenden neuen Frauenquote? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Selten haben sich die fatalen Konsequenzen aus rot/grüner Gesetzgebung so schnell und umfassend gezeigt wie bei der verheerenden neuen Frauenquote dieser Landesregierung. Seit einigen Tagen treten immer mehr der zahlreichen Nachteile anschaulich in Erscheinung, die die FDP-Landtagsfraktion bereits vor Verabschiedung der Gesetzgebung prognostiziert hat. Obwohl der Finanzminister und der Innenminister jeweils mit einer vierstelligen Anzahl an vorgezogenen Beförderungsstellen und damit auch zusätzlichen Beförderungsoptionen alles dafür getan haben, die folgenreichen Konsequenzen ihrer Frauenquote irgendwie bis zur Landtagswahl im Mai 2017 notdürftig zu kaschieren, realisieren immer mehr intelligente Bedienstete die persönlich demotivierenden Auswirkungen der Dienstrechtsreform. Unter vielen Beamten hat sich verständlicherweise längst eine große Arbeitsunzufriedenheit breit gemacht, die verstärkt zu inneren Kündigungen der Betroffenen führt. Richtigerweise beginnen die benachteiligten Landesbeamten nun ebenso, sich mit Klagen gegen Entscheidungen ihres Dienstherren zu wehren. In der Konsequenz droht bereits ein Beförderungsstopp für viele Stellenbesetzungsverfahren, unter dem alle leistungsbereiten und zurecht zur Beförderung anstehenden Bediensteten zu leiden haben. Besonders in der Finanzverwaltung und bei der Polizei sind die Auswirkungen folgenreich. Auf die immense Beförderungswelle folgt nun erwartungsgemäß eine nicht minder große Welle von inneren Kündigungen und ein Beförderungsstopp. Fataler könnten die Signale an die Beamten kaum sein, die in Zeiten des Fachkräftemangels jetzt dringend zur öffentlichen Aufgabenerfüllung benötigt werden. Das sogenannte Dienstrechtsmodernisierungsgesetz hat sich im Ergebnis schon längst zu einem Gesetz der Demotivation von Bediensteten und einer abnehmenden Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Leistungsträger insgesamt entwickelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12993 2 Ausweislich der aktuellen Medienberichterstattung fordert die Deutsche Steuergewerkschaft vom Finanzminister im Millionenumfang Schadenersatz für Beamte, die allein aufgrund der neuen Frauenförderung bei Beförderungen nicht berücksichtigt worden sind. Das nachfolgende Fallbeispiel aus der Finanzverwaltung zeigt die Problematik anschaulich: Vergleich von Beurteilungen im dreijährigen Beurteilungszyklus 2016-2018 kinderlose Frau, 46 Jahre, wird bald befördert Mann, 52 Jahre, nicht befördert 3. Beurteilung 4. Beurteilung Hauptnote sehr gut 41-44 P. sehr gut 41-44 P. Unterscheidung in unterer Bereich 41-42 P. oberer Bereich 43-44 P. binnendifferenziert unten 41 P. oben 44 P. 2013-2015 kinderlose Frau, 43 Jahre Mann, 49 Jahre 2. Beurteilung 3. Beurteilung Hauptnote gut 37-40 P. sehr gut 41-44 P. Unterscheidung in oberer Bereich 39-40 P. unterer Bereich 41-42 P. binnendifferenziert oben 40 P. oben 42 P. 2010-2012 kinderlose Frau, 40 Jahre Mann, 46 Jahre 1. Beurteilung in neuer Funktion 2. Beurteilung Hauptnote voll befriedigend 36 P. gut 37-40 P. Unterscheidung in oberer Bereich 39-40 P. binnendifferenziert oben 40 P. 2007-2009 Mann nach Familienzeit, 43 J. 1. Beurteilung in neuer Funktion Hauptnote voll befriedigend 36 P. Im obigen Fallbeispiel ist der Mann nach einer Familienzeit mit einem um drei Jahre höheren Lebensalter in dieselbe Position gekommen, die die kinderlose Frau bereits in jüngerem Alter zeitlich drei Jahre später als der Mann erreicht hat. Ausgehend von einer erst identischen Leistungsbewertung hat sich der Mann nach der zweiten Beurteilung als leistungsfähiger herausgestellt und ist besser bewertet worden. Obwohl der Mann bereits vier Beurteilungsrunden auf eine Beförderung gewartet hat und in seiner dritten und vierten Beurteilung bessere Leistungen bescheinigt bekommen hat als seine weibliche Mitwettbewerberin bislang jemals erreicht hat, wird nun innerhalb derselben Hauptnote die Frau mit 41 Punkten dem Mann mit 44 Punkten vorgezogen, obwohl dieser neben der besseren Leistungsbewertung ferner bereits drei Jahre länger auf seine Beförderung wartet. Anders als in der Darstellung der Landesregierung vermittelt, handelt es sich keineswegs nur um geringfügig schlechter qualifizierte Frauen. Da aus Gründen der Personalmotivation schlechte Noten bei der dienstlichen Beurteilung quasi nicht vorkommen, verbirgt sich hinter der Ausdifferenzierung einer Hauptnote oft ein größerer mehrjähriger Leistungsunterschied. Eine genaue Ausschärfung der Leistungsbewertung ist von den Gerichten auch ausdrücklich gewollt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12993 3 Erschwerend kommt hinzu, dass nur die letzte Beurteilung zählt, also die über längere Jahre gezeigte Kontinuität der Arbeitsleistung nicht adäquat berücksichtigt wird. Da es nun in aller Regel deutlich weniger Beförderungsstellen gibt als Bewerber für diesen Aufstieg, geraten durch die Neuregelung viele Männer über lange Jahre in eine Karrieresackgasse, da ihnen dauerhaft von unten neu nachrückende schlechter qualifizierte Frauen vorgezogen werden. Auch mehrere SPD-Landtagsabgeordnete haben ihre begründeten Bedenken gegen die Frauenquote bei der Landtagsdebatte zu Protokoll gegeben. Sogar das Justizministerium hält die Verfassungskonformität der Neuregelung für fraglich und hat im Rechtsausschuss dazu ausgeführt , dass „jedenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des jetzigen § 19 Absatz 6 möglich ist“. Das bedeutet: Gerichte sollen der neuen Norm ihrerseits Schranken setzen, wenn sie diese ansonsten für unzulässig halten. Diese Herangehensweise offenbart zugleich ein bemerkenswertes Rechtsstaatsverständnis auf Regierungsseite. Die gesetzliche Neuregelung im Beamtenrecht ist ab 1. Juli 2016 in hohem Maße relevant für den öffentlichen Dienst des Landes und aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen, also für rund 800.000 Bedienstete landesweit. Die bisherige Rechtslage sieht bis 30. Juni 2016 vor, dass bei gleicher Eignung die Frauen gegenüber Männern bei Positionsbesetzungen und Beförderungen bevorzugt werden sollen. Männer erhalten nach altem Recht aber eine Stelle, wenn sie besser qualifiziert sind als weibliche Mitwettbewerber. Genau das ändert sich durch das neue Recht: Frauen werden nur aufgrund ihres Geschlechts ab 1. Juli 2016 auch dann Männern vorgezogen, wenn sie über schlechtere Leistungsbeurteilungen verfügen, solange sie derselben Vergleichsgruppe angehören . Dieses Vorgehen wird zunehmend auch zum Ärgernis etlicher leistungsfähiger Frauen im Landesdienst, die auch ohne die gesetzliche Neuregelung problemlos befördert worden wären, denn diese laufen Gefahr, nun als Quotenfrauen angesehen zu werden. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5049 mit Schreiben vom 22. September 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die vom Fragesteller angeführte Aufhebung der 18-monatigen Beförderungssperre hat zu einer „Welle“ geführt, weil die CDU/FDP-Landesregierung als untaugliches Mittel der Haushaltskonsolidierung 2007 per Erlass unter anderem für die Steuerverwaltung einen Beförderungsstau beschlossen hatte. Die heutige Landesregierung hat weder eine Welle noch einen Stopp beschlossen, der lediglich dann droht, wenn anhängige Gerichtsverfahren anstehende einzelne Beförderungen verhindern. Zur Sache: Die immer noch bestehende Unterrepräsentanz von Frauen in höheren Statusämtern sowie in Führungspositionen belegt eine faktische Benachteiligung von Frauen. Die bisherige Quotenregelung konnte hierbei nur bedingt Abhilfe schaffen. Insbesondere in höheren Besoldungsgruppen und in Führungspositionen sind Frauen im öffentlichen Dienst nach wie vor unterrepräsentiert. Die weiterentwickelte Quotenregelung in § 19 Abs. 6 LBG NRW ist ein wichtiger Schritt, um die Frauenförderung künftig wirkungsvoller zu gestalten. Dabei gilt, dass die Quote auch weiterhin leistungsbezogen bleibt. Nach § 19 Absatz 6 LBG NRW ist im Falle einer Unterrepräsentanz für die Anwendung der Quote Voraussetzung, dass eine im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorliegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12993 4 Die Quote, bis zu deren Erreichen die Frauenförderung greift, bemisst sich am höchsten Frauenanteil , der sich in einem unter dem angestrebten Beförderungsamt liegenden Amt findet. Damit stellt die neue Quote variabel auf den Anteil der Frauen ab, die potenziell für Beförderungsämter in Betracht kommen. Sie beträgt höchstens 50 %. Für besondere Konstellationen im Einzelfall ermöglicht das Gesetz verfassungskonforme Ausnahmen vom Grundsatz der Frauenförderung („in der Regel“ und „sofern nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“). Die Rechtsauffassung der Landesregierung fußt auf dem im Auftrag der Landesregierung erstellten Gutachten zur Zulässigkeit von Zielquoten für Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier. Das Gutachten lässt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes und betont ausdrücklich die Gleichrangigkeit der Verfassungsprinzipien der Bestenauslese (Art. 33 GG) einerseits und des Gleichberechtigungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) andererseits . Bei Beförderungsentscheidungen sind beide Prinzipien bestmöglich zur Geltung zu bringen . Das ist in § 19 Abs. 6 LBG NRW entsprechend umgesetzt. Die Landesregierung hat den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 05.09.2016 (Aktenzeichen 2 L 2866/16) zur Kenntnis genommen und dagegen Beschwerde eingelegt. 1. Welche Auswirkungen hat die verschärfte Frauenquote aus Sicht des Finanzministers im Einzelnen auf die Arbeitszufriedenheit leistungsbereiter männlicher sowie weiblicher Bediensteter in der Finanzverwaltung? Frauenförderung trifft grundsätzlich auf Akzeptanz bei den Beschäftigten der Steuerverwaltung . Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass einige aktuell persönlich betroffene Männer die Norm kritisch sehen. Die durchweg hoch qualifizierten Beschäftigten der Finanzverwaltung sind in ihrer Gesamtheit in der Lage, die neue rechtliche Situation differenziert zu betrachten und werden weiterhin gute Arbeit leisten. 2. Wie viele Klagen im Zusammenhang mit der neuen Frauenquote liegen differenziert nach den einzelnen Ressorts bislang bereits vor? 3. In konkret welchen Fällen haben rechtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Frauenquote differenziert nach den einzelnen Ressorts bereits dazu geführt, dass die Beförderungsverfahren gestoppt werden müssen? (vollständige Enumeration aller Verfahren unter Angabe der beklagten Ämter erbeten) Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Entgegen der Darstellungen des Fragestellers werden weiterhin sämtliche Beförderungen vorgenommen . Hiervon ausgenommen sind zurzeit lediglich die von einem gerichtlich verordneten Beförderungsstopp betroffenen Besoldungsgruppen. Insoweit verweise ich zur Beantwortung der Fragen auf die anliegende Tabelle. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/12993 5 4. In welcher Millionengrößenordnung drohen dem Land differenziert nach den einzelnen Ressorts Schadensersatzforderungen von Landesbeamten durch die voraussichtlich verfassungswidrige Frauenquote? Es kommen keine Schadensersatzansprüche aufgrund der Anwendung einer geltenden Rechtsnorm in Betracht. 5. Mit welchen einzelnen Maßnahmen wird die Landesregierung differenziert nach den einzelnen Ressorts noch in dieser laufenden Legislaturperiode versuchen, die objektiv vorhandenen Ungerechtigkeiten und benachteiligenden Auswirkungen abzumildern ? Die Landesregierung ist von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 19 Abs. 6 LBG NRW überzeugt. Anlage zur Beantwortung der Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage 5049 – LT-Drs. 16/12699 Seite 1 von 2 Anzahl der vorliegenden Klagen bzw. Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz differenziert nach den einzelnen Besoldungsgruppen (Stichtag 01.09.2016) Ressort Anzahl Klagen Anzahl Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz Besoldungsgruppe/ Funktionsbereich (Beklagte Ämter) Gerichtlich veranlasster Stopp der Besetzung der Dienstposten Ministerpräsidentin 0 0 - - Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) 0 0 - - Finanzministerium (FM) 1 10 A 11 nach A 12 / StraFa-FA (3) A 12 nach A 13 / GKBP (7 / 1 Klage) ja Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand, Handwerk (MWEIMH) 0 0 - - Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) 0 25 A 9 nach A 10 A 10 nach A 11 / Polizei ja Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) 0 0 - - Justizministerium (JM) 0 1 A 12 nach A 13 (Justizrätin/Justizrat) - Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) 0 0 - - Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) 0 0 - - Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) 0 0 - - Anlage zur Beantwortung der Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage 5049 – LT-Drs. 16/12699 Seite 2 von 2 Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport (MFKJKS) 0 0 - - Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) 0 0 - - Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12993