LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1306 05.11.2012 Datum des Originals: 02.11.2012/Ausgegeben: 08.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 533 vom 2. Oktober 2012 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/1056 Personalstruktur und Vergütungsfragen bei der Portigon AG und der EAA – Welche konkreten Lösungsansätze verfolgt die Landesregierung zur Reduzierung der Belastungen für den Landeshaushalt und den nordrhein-westfälischen Steuerzahler? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 533 mit Schreiben vom 2. November 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat kürzlich Pläne zur WestLB-Abwicklung beschlossen, die den nordrhein-westfälischen Landeshaushalt und damit auch den Steuerzahler noch für etliche Jahre teuer zu stehen kommen. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat die öffentlichen Gesamtkosten aus dem Niedergang der WestLB am 20. Juni 2012 gegenüber dapd mit rund 18 Mrd. Euro beziffert. Darin enthalten sind noch nicht die voraussichtlich notwendigen Rückstellungen für Verluste, beispielsweise resultierend aus Prozessrisiken. Gemäß den letzten verfügbaren Geschäftsberichten ergeben sich folgende durchschnittliche jährliche Gehaltskosten pro Beschäftigtem im Vergleich der unterschiedlichen Institutionen: Institut / Anstalt Jahresbrutto Beschäftigte Personalaufwand EAA 148.200 € 56 8,3 Mio. € Deutsche Bank 130.100 € 100.996 13.135 Mio. € Portigon * 97.300 € 4.194 408 Mio. € Helaba 87.100 € 5.888 513 Mio. € LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1306 2 Institut / Anstalt Jahresbrutto Beschäftigte Personalaufwand NRW.BANK 85.600 € 1.255 107,4 Mio. € Commerzbank 71.800 € 58.160 4.178 Mio. € BayernLB 60.300 € 10.893 657 Mio. € DZ-Bank 50.800 € 27.825 1.414 Mio. € Hinweis zum * in Tabelle: Da die neue Portigon AG noch keinen Jahresbericht vorgelegt hat, sind hier die Angaben aus der Schlussbilanz der früheren WestLB zum 30. Juni 2012 übernommen und sind Halbjahresbeträge auf Jahreswerte hochgerechnet worden. Nach der Abgabe des Verbundbankgeschäfts an die Helaba belasten das Land noch die zukünftigen Aufwendungen für den Portfoliodienstleister Portigon AG als Rechtsnachfolger der WestLB und die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) als organisatorisch und wirtschaftlich selbständige, teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Kosten entstehen dabei insbesondere durch den Abbau toxischer Papiere sowie die Personalaufwendungen für mehrere tausend Stellen bei der Portigon AG zuzüglich der Pensionsaufwendungen für frühere Beschäftigte der WestLB und zukünftige Ruheständler der Portigon AG. Bei der obigen Gehaltsübersicht fällt auf, dass die Durchschnittsgehälter bei der EAA im Vergleich zu allen privaten Instituten und öffentlichen Anstalten am höchsten sind und noch erkennbar die Gehälter bei der Deutschen Bank übersteigen, die aufgrund ihres hohen Internationalisierungsgrades als größtes deutsches Kreditinstitut ansonsten seit langem das bundesweite Vergütungsranking anführt. Interessant ist ferner, dass auch im Vergleich der (früheren) Landesbanken die WestLB eine Spitzenstellung eingenommen hat. Dieser Umstand dürfte nun die Weitervermittlung der Beschäftigten in neue Aufgaben nicht unbedingt erleichtern. Das durchschnittliche Bruttogehalt eines Arbeitnehmers hat im Jahr 2011 in Deutschland 29.359 Euro betragen. Auffällig ist insgesamt, welche Unterschiede zwischen EAA und Portigon AG einerseits sowie der Commerzbank (inklusive übernommener Dredner Bank), anderen Landesbanken und der genossenschaftlichen DZ-Bank andererseits bestehen . Die Portigon AG kommt sogar auf ein Durchschnittsgehalt von über 100.000 Euro pro Stelle, wenn beim Vergleich wie bei der Deutschen Bank auf Vollzeitstellenäquivalente abgestellt wird. Die Portigon AG hat zum Stichtag nur 3.963 Vollzeitkräfte bei 4.194 Beschäftigten (inklusive Teilzeitkräften). Für die weiteren Verpflichtungen, die dem Land durch die WestLB-Abwicklung entstehen, ist es das legitime Recht des Parlaments, von der Landesregierung einen präzisen Überblick über die bestehenden Vergütungs- und Personalstrukturen der im Landeseigentum befindlichen Institutionen des Finanzsektors zu bekommen. Abwicklungspläne der WestLB sagen Personalkosten in mindestens hoher dreistelliger Millionengrößenordnung voraus. Vorbemerkung der Landesregierung Der in der Kleinen Anfrage vorgenommene Gehaltsvergleich verschiedener Institute in Form einer reinen Durchschnittsbetrachtung ist ohne Berücksichtigung des Geschäftsmodells für eine Einschätzung der Höhe der Personalkosten wenig aussagekräftig. Jede der hier aufgeführten Banken und Institute hat ein anderes Geschäftsmodell hinsichtlich Internationalität, Umfang des Investment Banking, des Retailbanking oder des Bausparkassengeschäfts. Je internationaler und je stärker ein Institut im Investment Banking tätig ist, umso höher sind die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1306 3 durchschnittlichen Personalkosten. Dabei fallen die Gehaltsaufwendungen im Bereich Retailbanking oder Bausparkassengeschäft geringer aus. Die Portigon AG ist gemäß Beschluss der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 seit dem 01. Juli 2012 ausschließlich als Dienstleister im Service- und Portfoliomanagement tätig. Die dem Gehaltsvergleich zugrunde liegenden Daten sind noch von dem Geschäftsmodell der WestLB AG geprägt. Die WestLB AG war bis zum 30. Juni 2012 als internationale Geschäftsbank ohne Retailbanking, Bausparkassentochter und Förderaktivitäten in den tendenziell höher bezahlten Segmenten positioniert. Hierdurch begründet sich auch der Unterschied zu den genannten anderen Banken (Helaba, NRW.BANK, Commerzbank , BayernLB und DZ-Bank). Die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) ist als Steuerungseinheit mit hochqualifiziertem Fachpersonal mit der 1. bis 3. Führungsebene einer Großbank vergleichbar. Dies spiegelt sich auch in der hohen Seniorität des Personals der EAA wider: Geschäftsbereichsleiter verfügen über eine durchschnittliche Berufserfahrung von 20 Jahren, bei der Ebene darunter beträgt diese im Schnitt 10 bis 15 Jahre. Die Einordnung der EAA im Kontext der aufgeführten Kreditinstitute (die unter anderem ein breites Retailnetz und somit eine andere Personalstruktur aufweisen), ist damit nicht sachgerecht. Die EAA kann nur mit vergleichbaren Institutionen gemessen werden. Zu nennen sind hier zum Beispiel die im Geschäftsbericht 2011 der FMS Wertmanagement AöR veröffentlichten Zahlen. Danach beläuft sich der Personalaufwand der FMS Wertmanagement AöR für das Jahr 2011 bei 64 Beschäftigten auf 14 Mio. Euro. Bei der EAA handelt es sich zudem - entgegen den Ausführungen in der Kleinen Anfrage - nicht um eine „im Landeseigentum befindliche Institution (en) des Finanzsektors“. Am 11. Dezember 2009 wurde die Erste Abwicklungsanstalt als eine organisatorisch und wirtschaftlich selbständige, teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung errichtet. Sie ist eine Abwicklungsanstalt im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 des Finanzmarktstabilisierungs-fondsgesetzes. Beteiligte der Ersten Abwicklungsanstalt sind die beiden nordrhein-westfälischen Sparkassen- und Giroverbände mit jeweils rund 25 v.H., die beiden nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände mit jeweils rund 0,9 v.H. und das Land Nordrhein-Westfalen mit rund 48,2 v.H. 1. Wie gliedert sich die Anzahl sämtlicher Beschäftigter sowohl der Portigon AG als auch der EAA nach Gehaltskategorien auf, in lückenlosen 25.000 Euro-Schritten bei den Jahresbruttobezügen inklusive aller Sonderzahlungen, bis das höchste vorhandene Einkommen erfasst ist: Beschäftigtenzahl bis 25.000 Euro, bis 50.000 Euro, bis 75.000 Euro … etc.? (bei Teilzeitbeschäftigten bitte proportional auf Vollzeitstundenumfang und der damit fiktiv korrespondierenden Vollzeitvergütung hochrechnen) Mit Blick auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist den Instituten eine detaillierte Beantwortung der Frage zu den Gehaltsstrukturen nicht möglich. Portigon AG Die neue Aufgabenstellung der Portigon AG wird zu einer deutlichen Veränderung der Gehaltsstrukturen führen. Die höher vergüteten bisherigen Markt-/Produktbereiche werden aufgrund der Einstellung des Kreditneugeschäfts drastisch reduziert. Zudem werden bis Ende LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1306 4 2016 zahlreiche weitere hoch spezialisierte und somit höher vergütete Funktionen entfallen bzw. abgebaut. Per 30. September 2012 waren bei der Portigon AG noch rd. 3.100 Beschäftigte tätig, davon rd. 2.200 im Inland und rd. 900 im Ausland. Im Inland betrug der Anteil der Beschäftigten im tariflichen Bereich rund 45%. Bei fast der Hälfte der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen liegt das jährliche Durchschnittsgehalt unter 75.000 Euro. EAA Die EAA beschäftigte zum 30. Juni 2012 77 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (exklusive Vorstand ). Das durchschnittliche Bruttoeinkommen aller Beschäftigten (ohne Vorstand) betrug 139.000 Euro. Boni oder Sonderzahlungen wurden seitens der EAA nicht geleistet. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. 2. Wie hoch ist sowohl bei der Portigon AG als auch bei der EAA für den letzten verfügbaren Abrechnungsmonat die Monatsausgabe für Personalkosten gewesen , die sich jeweils für diese beiden Arbeitgeber ergibt, wenn die Summe aller Arbeitnehmervergütungsbestandteile eines Monats durch die jeweilige Anzahl der Vollzeitstellen geteilt wird? (bitte Rechengang mit jeweiligen Rechengrößen darlegen) Monatliche Zahlen über die Personalkosten werden weder von der Portigon AG noch von der EAA veröffentlicht. Portigon Der Personalaufwand der WestLB AG/Portigon AG betrug ausweislich des Zwischenabschlusses im 1. Halbjahr 2012 204 Mio. Euro. Im Durchschnitt waren im 1. Halbjahr 2012 4.076 Vollzeitarbeitskräfte beschäftigt. EAA Ausweislich des Zwischenabschlusses zum 30. Juni 2012 betrug der Personalaufwand der EAA rund 5,3 Mio. Euro, die Anzahl der Beschäftigten belief sich im Durchschnitt im 1. Halbjahr 2012 auf 73 Beschäftigte. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen wurde in der Antwort zu Frage 1 per 30. Juni 2012 beziffert. 3. Wie gliedert sich jeweils einzeln für die Portigon AG und EAA deren Personal- struktur nach sinnvollen Clustern in Vergütungsgruppen sowie Beschäftigtengruppen (wie beispielsweise Stellenanzahl für Sekretariat, Sachbearbeitung, wissenschaftliche Kräfte mit bzw. ohne Führungsverantwortung, Leitende Angestellte etc.) auf? Portigon AG Von einer Veröffentlichung detaillierter Angaben zu internen Vergütungsstrukturen wird aus Gründen des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses abgesehen, da hieraus Wettbewerber wichtige Erkenntnisse für ihre Preisgestaltung gewinnen könnten. EAA Die EAA definiert sich als Steuerungseinheit durch flache Hierarchien und unterteilt sich in 13 Geschäftsbereiche mit jeweils einem Leiter/einer Leiterin zuzüglich Sekretariatskräfte. Alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen analog vergleichbarer Institutionen die 2. und 3. Ebene dar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1306 5 4. In welchem Gesamtumfang sowie durchschnittlicher Höhe pro Person bei den davon Betroffenen hat die Portigon AG in den ersten neun Monaten des Jahres 2012 Abfindungen bzw. Übergangsgelder/Austrittsleistungen jeglicher Art, differenziert nach den Personenkreisen Arbeitnehmer, Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder , im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus der Organisation bzw. Aufsichtsfunktion bereits gezahlt bzw. sich zu einer zukünftigen Zahlung verpflichtet? Im Zuge der Restrukturierung der WestLB AG wurde am 03. November 2011 zwischen der Bank und der zuständigen Gewerkschaft ver.di ein Haustarifvertrag (HTV) abgeschlossen. Ziel des HTV ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und den Personalabbau durch freiwillige Maßnahmen umzusetzen. Hierzu gehören im Wesentlichen Ausscheidensvereinbarungen und Freistellungs- bzw. Vorruhestandsangebote. Seit Juni 2012 laufen die sogenannten „freiwilligen Phasen“ zum Mitarbeiterabbau. In diesem Zusammenhang wurden weltweit bis Mitte September 2012 rd. 300 Ausscheidensvereinbarungen abgeschlossen. Die bei der WestLB AG in 2011 entstandenen Restrukturierungsaufwendungen in Höhe von 440 Mio. Euro entfallen im Wesentlichen auf die Bildung von Rückstellungen für den Personalabbau im Zuge der Restrukturierung der Bank. Abfindungen bzw. Übergangsgelder/Austrittsleistungen an Aufsichtsratsmitglieder wurden keine gezahlt. In Bezug auf die Vorstandsmitglieder ist mit Rücksicht auf deren Persönlichkeitsrechte eine Mitteilung der Höhe der Abfindungszahlungen nicht möglich, da diese individuell zugeordnet werden könnten. 5. Welche vollständigen Aufwendungen für Personal jeglicher Art sowohl bei der Portigon AG als auch bei der EAA sind nach Erkenntnissen der Landesregierung jeweils jährlich ab dem Jahr 2012 bis 2027 zu erwarten, um einerseits die Pensionsverpflichtungen für ausgeschiedene frühere Beschäftigte der WestLB/Portigon AG bzw. EAA, andererseits die laufenden Gehaltszahlungen und drittens sämtliche personalabbaubedingte Kompensationsleistungen (beispielsweise für Sozialpläne, Abfindungen etc.) zu tragen? (Prognosen des voraussichtlichen Personalaufwands für beide Institutionen bitte nach Jahren und Aufwandsart differenziert darstellen) Portigon AG Die Portigon AG hat die Hauptlasten der Restrukturierung der WestLB AG zu tragen. Die Transformationskosten umfassen im Wesentlichen den Personalbereich einschließlich der Pensionslasten. Nach derzeitigem Stand reichen die Eigenmittel der Portigon AG aus, die Restrukturierungsaufwendungen abzudecken. Mit Blick auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist eine detaillierte Beantwortung der Frage zur personalwirtschaftlichen Planung der im Wettbewerb stehenden Portigon AG nicht möglich. EAA Angedacht ist, dass sich der Personalbestand analog dem Portfolioabbau entwickelt. Vor dem Hintergrund der erfolgten Nachbefüllung bereitet die EAA die Daten für die Folgejahre derzeit neu auf.