LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13108 05.10.2016 Datum des Originals: 04.10.2016/Ausgegeben: 10.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5085 vom 29. August 2016 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/12776 Zur Situation des Niederdeutschen in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Land NRW hat sich Ende der 1990er mit der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen zur Beachtung des Teils I (Allgemeine Bestimmungen) und der Anerkennung des Teil II (Ziele und Grundsätze) verpflichtet, ohne sich jedoch an Teil III (Maßnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitssprachen im öffentlichen Leben) zu binden. Im Kreis Herford gibt es eine Initiative für zweisprachige (hoch- und niederdeutsche) Ortseingangsschilder. Bislang hat das NRW-Verkehrsministerium aber die Zulassung verweigert, obwohl es sich bei den Regelungen zu Verkehrsschildern um Bundesrecht handelt und in anderen norddeutschen Bundesländern schon zweisprachige Ortseingangsschilder existieren. In der Staatskanzlei findet jährlich ein Treffen zur aktuellen Situation des Niederdeutschen in NRW statt, aber nur unter Beteiligung der NRW-Administration (Vertreter aus verschiedenen Ministerien) sowie Vertretern des Bundesrats für Niederdeutsch, der Fachstelle für nddt. Sprachpflege im Westfälischen Heimatbund und bei Bedarf westfälischer Niederdeutsch- Experten. Es fehlen Vertreter der Landespolitik. Gerade deren Beteiligung könnte jedoch gewinnbringend für die politische Diskussion zum Niederdeutschen in Westfalen sein. Insgesamt kann momentan der Eindruck entstehen, die Landesregierung ignoriere die Ratifizierung der Europäischen Sprachencharta, also erkenne sie faktisch nicht an und verfolge Ziele und Grundsätze wie z.B. Anerkennung des Niederdeutschen als Ausdruck des kulturellen Reichtums nicht, geschweige denn setze sie um. Dazu sei angemerkt, dass die Pflege des Niederdeutschen in Westfalen keine Folklore und Heimattümelei ist, sondern der Versuch die Regionalsprache zu bewahren oder gar wieder zu stärken. Dazu bedarf es jedoch konkreter Hilfe der Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13108 2 Beim Niederdeutschen in Westfalen handelt es sich um eine eigenständige Regionalsprache und nicht, wie oft fälschlicherweise bezeichnet, um einen Dialekt. Niederdeutsch ist Ausdruck der kulturellen Identität Westfalens, die in einer globalen Welt zunehmend wichtiger wird. Sie vermittelt eine eigenständige Ausdrucks- und Denkweise, Sprachgeschichte sowie Traditionen. Niederdeutsch hilft zudem andere Sprachen, wie Niederländisch, Englisch und Mittelniederdeutsch besser zu erlernen. Durch die unterschiedlichen Varietäten im Niederdeutschen wird den Sprachschülern vermittelt, dass bei dieser Nichtstandardsprache mehrere Formen nebeneinander gleichwertig existieren und akzeptiert sind. Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 5085 mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung sowie dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. 1. Welche Projekte, Initiativen u. ä. zur Förderung des Niederdeutschen in Westfalen hat die Landesregierung seit der Ratifizierung durch das Land NRW in NRW selber finanziert, um die Ziele der Europäischen Sprachcharta in Bezug auf das Niederdeutsche in Westfalen zu erreichen? Bitte listen Sie tabellarisch auf, welche im Einzelnen stattgefunden haben, welche davon mit welchen Budgets in welchen Rahmen (z.B. Personal- und Sachkosten) unterstützt wurden! Eine tabellarische Auflistung sowie eine differenzierte Darstellung der Kostenarten sind wegen der unterschiedlichen Art der Fördermaßnahmen nicht möglich. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) fördert das bei der Bezirksregierung Münster laufende Schulprojekt „Niederdeutsch an Grundschulen in Münster und dem Münsterland“. Die Unterstützung erfolgt über die Zuweisung von Stellenanteilen über den jährlichen Rundungsgewinnerlass an die Bezirksregierung Münster, die diese an die teilnehmenden Schulen weiterleitet. Während der Projektlaufzeit wurden auf diesem Wege durch das Ministerium Entlastungsstunden in nachfolgendem Umfang bereitgestellt: - Schuljahr 2014/15: 28,0 Entlastungsstunden - Schuljahr 2015/16: 28,0 Entlastungsstunden - Schuljahr 2016/17: 21,5 Entlastungsstunden Sachmittel wurden von Seiten des Ministeriums nicht zugewiesen. Vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung wurde in den Jahren 2009 bis 2014 jeweils das Projekt "Niederdeutsch in Westfalen" gefördert, das von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Bielefeld und Münster betrieben wird. Ziel des Projektes "Niederdeutsch in Westfalen" ist die Erstellung eines digitalen Archivs niederdeutscher Texte aus Westfalen vom 9. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Über ein Internetportal sollen bislang kaum oder nur schwer zugängliche Texte aus dem niederdeutschen Sprachraum der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden. Die Mittel wurden vom Ministerium bewilligt – teilweise als Gesamtbewilligung für mehrere Jahre – und jeweils unmittelbar der Universität Bielefeld ausgezahlt, die insoweit die Federführung auf der Empfängerseite übernommen hat. Die Höhe der Förderung stellt sich wie folgt dar: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13108 3 2009: 23.652,-- € 2010: 37.586,-- € 2011: 15.900,-- € 2012: 0,-- € 2013: 94.100,-- € 2014: 91.100,-- €. Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Niederdeutsche Sprache über folgende Projekte gefördert: 2010: Förderung der Niederdeutschen Sprache – Erstellung einer CD (Projektträger: Heimatbund für Niederdeutsche Kultur e.V.); Landesförderung: 2.700 €. 2012/2013: Förderung der CD Edition „Niederdeutsche Hörspiele des WDR aus 6 Jahrzehnten“ (Projektträger: LWL-Medienzentrum Westfalen); Landesförderung 2012: 2.700 € und 2013: 5.600 €. 2. Welche Vorstellung und Planungen zu konkreten Maßnahmen hat die NRW- Landesregierung? Die Staatskanzlei wird die Koordinierungsstelle für Niederdeutsch weiter betreiben. Das Konzept ist dabei insofern offen, als dass Anregungen zur Ausgestaltung geprüft und ggfls. aufgenommen werden. Weitere Fördermaßnahmen sind derzeit nicht geplant. 3. Warum gibt es in NRW eine abweichende Auslegung der Regelungen zu zweisprachigen Verkehrsschildern, die zweisprachige Ortsschilder nicht zulässt? Ortstafeln bestätigen die Zielführung, dienen damit der Orientierung der Verkehrsteilnehmer und sind ein amtliches Verkehrszeichen der Straßenverkehrsordnung (Zeichen 310), womit u.a. eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verbunden ist. Daher ist es notwendig, dass Ortstafeln gut les- und erfassbar sind. Aus diesem Grund ist der zulässige Inhalt der Ortstafeln in der bundesweit geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung festgelegt. Eine schlechte Erfassbarkeit des Ortsnamens könnte zu Irritationen bei den Verkehrsteilnehmern führen und damit die Unfallgefahr erhöhen. Mit Ausnahmeerlass wären Ortsnamen in Regionalsprachen auf Ortstafeln grundsätzlich möglich. Bundesweit werden solche Ausnahmen nur in Sachsen, Brandenburg und Schleswig- Holstein ausgesprochen, weil es dort mit Friesen und Sorben angestammte Bevölkerungsgruppen gibt, deren ursprünglichen und bis heute gesprochenen Sprachen nicht Deutsch sind. Eine Vergleichbarkeit mit diesen Minderheitensprachen ist nach Auffassung des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr als Oberste Straßenverkehrsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen nicht gegeben, so dass aus den dargelegten Gründen keine zweisprachigen Ortstafeln in Frage kommen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13108 4 4. Warum werden zu den jährlichen Treffen zur aktuellen Situation des Niederdeutschen in NRW keine politischen Vertreter eingeladen? Zu den Treffen der Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei sind bislang keine politischen Vertreter eingeladen worden, da es sich um Gespräche auf Arbeits- bzw. Fachebene handelt. 5. Für wann ist die Ratifizierung des Teil III der Sprachcharta mit den konkreten Maßnahmen zur Förderung des Niederdeutschen vorgesehen? Eine Ratifizierung des Teil III der Sprachencharta zur Förderung des Niederdeutschen ist derzeit nicht vorgesehen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13108