LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13115 05.10.2016 Datum des Originals: 05.10.2016/Ausgegeben: 10.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5103 vom 4. September 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/12824 Entwicklung der Beförderungen in der Finanzverwaltung im Monat Juli 2016 – Wie sehen die Beförderungsentscheidungen des Finanzministers nach Beendigung der einmaligen Beförderungswelle aus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Beförderungsstellen kommt innerhalb einer Verwaltung eine wichtige Bedeutung zu, um den leistungsorientierten Bediensteten im öffentlichen Dienst regelmäßig Aufstiegsperspektiven zu ermöglichen, das Personal an die Dienststelle zu binden, die Betroffenen zu motivieren und ihnen auch eine positive Entwicklung bei ihren eigenen Bezügen zu ermöglichen. Daher ist es wünschenswert, dass die Beförderungsstellen in den Ressortbereichen so bemessen sind und planungssicher ausgebracht werden, dass sie den leistungsbereiten Bediensteten kontinuierlich neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Für die Finanzverwaltung ist dieser Aspekt besonders wichtig, da bei der aktuellen Arbeitsmarktlage derzeit vielfältige attraktive Wechseloptionen in die private Wirtschaft bestehen. Prinzipiell gilt, dass Beförderungen im Hinblick auf Eignung, Leistung und Befähigung dem Leistungsgrundsatz unterliegen. Einem Bediensteten wird demnach eine neue berufliche Funktion zugetraut, wenn er sich auf seiner bisherigen Position bewährt hat. Der sogenannte Bewährungsaufstieg ist im Öffentlichen Dienst die Bezeichnung für die Einreihung in eine höhere Laufbahngruppe oder für eine Höhergruppierung bei Angestellten, wenn sich jeweils der Betroffene den Anforderungen der bisherigen Position gewachsen gezeigt hat. Jegliche Beförderung ist jedoch stets abhängig von einer freien und besetzbaren avisierten Planstelle. Beförderungen unterliegen in der Regel der Mitbestimmung des Personalrates. Seit dem 1. Juli 2016 bestimmt ferner eine deutlich verschärfte Frauenquote die Beförderungsoptionen für die Landesbediensteten, die sogar vorsieht, dass innerhalb einer Vergleichsgruppe eine leistungsschlechtere Frau einem leistungsbesseren Mann vorzuziehen ist. Diese Abkehr vom Leistungsprinzip und Beamtenrecht hält die FDP-Landtagsfraktion für verfassungswidrig und für in hohem Maße demotivierend für die davon nachteilig betroffenen männlichen Beamten. Die neuen Vorschriften enthält das sogenannte Dienstrechtsmodernisierungsgesetz. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13115 2 In der Ausführung der Bestimmungen müssen ab 1. Juli 2016 sämtliche Beförderungslisten aller Ressorts grundlegend neu sortiert werden. Allein durch diesen gesetzgeberischen Akt sind über Nacht trotz unveränderter Arbeitsleistung zahlreiche Frauen auf Beförderungslisten drastisch aufgestiegen und etliche Männer nur aufgrund ihres Geschlechts weit nach unten gerauscht. Von der erheblich verschärften Frauenquote sind aus strukturellen Gründen insbesondere die beiden Bereiche Finanzverwaltung und Polizei betroffen. Der Finanzminister hat wenige Tage vor Inkrafttreten der Neuregelung noch nach altem Recht eine Massenbeförderung in seinem Ressort nach altem Recht vorgenommen. Wäre der Finanzminister nur annähernd von der Richtigkeit der neuen Frauenquote überzeugt, hätte er seine Massenbeförderung bei rationaler Verhaltensweise nur einige wenige Tage später nach neuem Recht durchgeführt und damit für seinen Frauenvorrang logischerweise eine größere Wirkung erzielt. Durch ihre Beförderungswelle hat sich die Landesregierung mehrere einhundert Klagen erspart, damit das Problem aber nur auf spätere Zeitpunkte vertagt. Die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans verständlicherweise frühzeitig vor den gravierenden Auswirkungen der Frauenquote gewarnt. In ihrem Fachbeitrag „Frauenbeförderungsquote § 19 Abs. 6 DRModG: Klagewelle droht“, der im Magazin Blickpunkt, Ausgabe Nr. 7/2016, auf Seite 8 veröffentlicht worden ist, heißt es unter anderem: „Trotz intensivster Bemühungen der DSTG war eine politische Lösung am Ende an der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gescheitert. Die Beförderungslisten sind bereits neu sortiert und die neuen Listenplatznummer bekannt gegeben. Noch im Juli, aber spätestens im August, werden die ersten negativ betroffenen Männer vor dem Verwaltungsgericht klagen, und was dann passiert, ist ungewiss. (…) Mit dem Wegfall der Beförderungs-/ Wiederbesetzungssperre konnten zwar zahlreiche ‘Härtefälle’ im Vorfeld der Neuregelung vermieden werden, aber das Problem wurde damit nicht gelöst. (…) Es besteht aber die Gefahr, dass die jeweilige Liste für alle Beförderungen gesperrt wird, bis der Einzelfall entschieden ist. Das kann – anders als bei einem Normkontrollverfahren vor dem Landesverfassungsgericht – Jahre dauern.“ Je mehr Einzelheiten nun zu den Auswirkungen der neuen Frauenquote sukzessive bekannt werden, umso unverständlicher wird deren Beschlussfassung. Die neue Frauenquote soll insbesondere bei der Vergabe von Führungsfunktionen nach offizieller Begründungslage eine angeblich gerechtere Chancenverteilung gewährleisten. Gerade in diesem Bereich gibt es aber bereits nach altem Rechte eine überproportional günstige Erfolgswahrscheinlichkeit für Frauen, eine Leitungsposition zu erlangen. In den letzten dreieinhalb Jahren seit 2013 sind exakt 50% der Aufstiege in Führungspositionen von A 14 nach A 15 bzw. von A 15 nach A 16 (70 von 140) Frauen ermöglicht worden, obwohl diese im dortigen Personalbestand noch unterrepräsentiert sind. (siehe hierzu auch LT-DS 16/12799) Jeweils zum 15. eines Monats werden für alle rund 26.000 Bediensteten in der nordrheinwestfälischen Finanzverwaltung mittels Intranet die monatlich neuen Beförderungstabellen sichtbar publiziert. Der Landtag hat natürlich einen parlamentarischen Auskunftsanspruch, die Auswirkungen der Beförderungspolitik des Finanzministers nachvollziehen zu können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13115 3 Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5103 mit Schreiben vom 5. Oktober namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die immer noch bestehende Unterrepräsentanz von Frauen in höheren Statusämtern sowie in Führungspositionen belegt die faktische Benachteiligung von Frauen. Die bisherige Quotenregelung konnte nur bedingt Abhilfe schaffen. Insbesondere in höheren Besoldungsgruppen und in Führungspositionen sind Frauen im Öffentlichen Dienst nach wie vor unterrepräsentiert. Die weiterentwickelte Quotenregelung in § 19 Abs. 6 LBG NRW ist ein wichtiger Schritt, um die Frauenförderung wirkungsvoller zu gestalten. Dabei gilt, dass die Quote auch weiterhin leistungsbezogen bleibt. Nach § 19 Absatz 6 LBG NRW ist im Falle einer Unterrepräsentanz für die Anwendung der Quote Voraussetzung, dass eine im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorliegt. Die Quote, bis zu deren Erreichen die Frauenförderung greift, bemisst sich am höchsten Frauenanteil, der sich in einem unter dem angestrebten Beförderungsamt liegenden Amt findet. Damit stellt die neue Quote variabel auf den Anteil der Frauen ab, die potenziell für Beförderungsämter in Betracht kommen. Sie beträgt höchstens 50 %. Für besondere Konstellationen im Einzelfall ermöglicht das Gesetz verfassungskonforme Ausnahmen vom Grundsatz der Frauenförderung. Wie unzutreffend der vom Fragesteller hergestellte Bezug zwischen der Aufhebung der Beförderungssperre und dem unterstellten Versuch der Aushebelung der Frauenquote ist, beweisen die Zahlen. In Folge der Aufhebung der Beförderungssperre wurden im Juni 2016 mehr Frauen (907 Beförderungen) als Männer (624 Beförderungen) befördert. 1. Wie viele Bedienstete der Finanzverwaltung sind zum Stichtag 30. Juni 2016 jeweils differenziert nach allen einzelnen Besoldungsgruppen von A 5 bis A 16 Z bzw. nach den Laufbahnen des einfachen / mittleren / gehobenen und höheren Dienstes jeweils männlich bzw. weiblich gewesen? (Angaben in absoluten Zahlen erbeten) Die nachfolgende Tabelle enthält die Anzahl der Frauen und Männer (inklusive der beurlaubten Beschäftigten) in den einzelnen Besoldungsgruppen im Bereich der Oberfinanzdirektion und der Finanzämter zum Stichtag 30.06.2016. Besoldungsgruppe Frauen Männer Laufbahngruppe 1.1 24 110 A 5 2 3 A 6 22 107 Laufbahngruppe 1.2 5.335 2.276 A 6 1.057 533 A 7 135 78 A 8 677 172 A 9 2.651 915 A 9 Z 815 578 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13115 4 Laufbahngruppe 2.1 8.564 6.630 A 9 2.102 1.173 A 10 1.563 777 A 11 2.856 1.647 A 12 1.577 1.913 A 13 466 1.120 Laufbahngruppe 2.2 408 614 A 13 108 99 A 14 145 262 A 15 126 161 A 16 22 66 A 16 Z 7 26 2. Wie viele von allen tatsächlich im Monat Juli 2016 beförderten Bediensteten in unserer Finanzverwaltung sind, differenziert nach den einzelnen Besoldungen von A 6 bis A 16 Z, jeweils weiblich bzw. männlich gewesen? (Angaben in absoluten Zahlen erbeten) Die nachfolgende Übersicht enthält die Anzahl der beförderten Frauen und Männer in den einzelnen Besoldungsgruppen im Bereich der Oberfinanzdirektion und der Finanzämter für den Monat Juli 2016. Besoldungsgruppe Frauen Männer Laufbahngruppe 1.1 - - A 5 - A 6 - - Laufbahngruppe 1.2 13 4 A 6 - A 7 2 1 A 7 - A 8 - - A 8 - A 9 - - A 9 - A 9 Z 11 3 Laufbahngruppe 2.1 43 13 A 9 - A 10 2 4 A 10 - A 11 23 3 A 11 - A 12 15 5 A 12 - A 13 3 1 Laufbahngruppe 2.2 7 3 A 13 - A 14 4 3 A 14 - A 15 3 - A 15 - A 16 - - A 16 - A 16 Z - - LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13115 5 3. Wie viele weibliche bzw. männliche Bedienstete in der Finanzverwaltung haben sich, differenziert nach den jeweiligen der Frauenquote unterfallenden Beförderungslisten ab 1. Juli 2016 infolge von deren Neusortierung jeweils bei ihrer Platzierung verbessert bzw. verschlechtert? (Angaben in absoluten Zahlen erbeten) Die Auswirkungen der Neusortierung der Beförderungslisten zum 01.07.2016 stellen sich wie folgt dar: Beförderungslisten Verbessert Verschlechtert Laufbahngruppe 1.1 - - Laufbahngruppe 1.2 - - Laufbahngruppe 2.1 A 11 (nach A 12) Regelbereich 432 Frauen 217 Männer A 11 (nach A 12) GKBP 8 Frauen 22 Männer A 11 (nach A 12) Steufa 34 Frauen 83 Männer A 12 (nach A 13) Regelbereich 1 Frau 1 Mann A 12 (nach A 13) GKBP 136 Frauen 263 Männer A 12 (nach A 13) Steufa 25 Frauen 82 Männer Laufbahngruppe 2.2 A 14 ( nach A 15) 37 Frauen 31 Männer 4. Welche einzelnen Komponenten hat die für den Finanzminister offenbar vertretbare angedachte „politische Lösung“ im Umgang mit der Frauenquote konkret beinhaltet, die dann letztlich am grünen Koalitionspartner gescheitert ist? Es ist nicht Sache des Finanzministers, etwaige politische Überlegungen der Fraktionen zu kommentieren. 5. Aus welchen objektiv nachvollziehbaren Sachgründen heraus hat der Finanzminister bei seiner Beförderungswelle im Monat Juni 2016 auf die üblichen Einzelanfragen bei den Dienststellen verzichtet? Alle Dienststellen wurden am 10.06.2016 mit der Veröffentlichung der Beförderungslistenplatznummern im Intranet über die beabsichtigten Beförderungen informiert und gebeten, etwaige Bedenken mitzuteilen. Einzelanfragen in schriftlicher Form waren daher nicht erforderlich. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13115