LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13137 06.10.2016 Datum des Originals: 05.10.2016/Ausgegeben: 11.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5087 vom 19. August 2016 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/12786 Kinderehen in NRW: Was unternimmt die Landesregierung zum Schutz minderjähriger Kinder und Jugendlicher? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Deutschlandweit gibt es derzeit mehr als 1.000 Kinderehen, wie die Welt am Sonntag in ihrer Ausgabe vom 14. August 2016 berichtete. Demnach sind in der Regel minderjährige Mädchen mit erheblich älteren Männern verheiratet worden. In Deutschland sind Kinderehen verboten. Das gleiche gilt für Zwangsehen und Mehrehen. Die Ehe können nur zwei Volljährige, in seltenen Ausnahmefällen auch 16-Jährige, eingehen. Aus Nordrhein-Westfalen gibt es bisher, laut Medienberichten, keine genauen bzw. offiziellen Zahlen über die Ausmaße. Laut Landesjustizminister Kutschaty sind es aber um die 200 Fälle, wie im Juni bekannt wurde. Der Bundesjustizminister hat zur Thematik eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die ab dem 05. September in Berlin tagen soll. Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 5087 mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales sowie der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. 1. Wie viele Fälle von Ehen, bei denen mindestens ein Partner noch minderjährig ist, gibt es in Nordrhein-Westfalen? (Bitte jeden einzelnen Fall auflisten nach Nationalitäten, Alter der Ehepartner, Geschlecht des/der Minderjährigen, ggf. Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Partnern, Land in dem die Kinderehe geschlossen wurde und dem aktuellen Aufenthaltsort/Kommune.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13137 2 Laut aktueller Abfrage bei den Bezirksregierungen (Stand 12. September 2016) sind in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit folgende Fälle von Ehen, bei denen mindestens ein Ehepartner minderjährig ist, bekannt: Ehepartner Aufenthaltsort/ Kommune Geschlecht des/der Minderjährige n Alter Nationalität Land der Eheschließung 1 Ehefrau Rüthen weiblich 17 Syrien Syrien Ehemann Rüthen 25 Syrien 2 Ehefrau Rüthen weiblich 17 Syrien Syrien Ehemann Rüthen 26 Syrien 3 Ehefrau Hagen weiblich 17 Syrien Syrien Ehemann Hagen 23 Syrien 4 Ehefrau Möhnesee weiblich 17 Syrien Syrien Ehemann Möhnesee 27 Syrien 5 Ehefrau Hamm weiblich 17 Afghanistan Afghanistan Ehemann Hamm 23 Afghanistan 6 Ehefrau Hamm weiblich 17 Irak Irak Ehemann Hamm 25 Irak 7 Ehefrau Heiligenhaus weiblich 16 Afghanistan nicht bekannt Ehemann Heiligenhaus 26 Afghanistan 8 Ehefrau Niederkrüchten weiblich 16 nicht bekannt nicht bekannt Ehemann Niederkrüchten nicht bekannt nicht bekannt 9 Ehefrau Rheinberg weiblich 17 nicht bekannt nicht bekannt Ehmann Rheinberg 22 nicht bekannt 10 Ehefrau Bielefeld weiblich 16 Syrien Syrien Ehemann Bielefeld männlich 17 Syrien 11 Ehefrau Bad Salzuflen weiblich 15 Syrien Syrien Ehemann Bad Salzuflen männlich 17 Syrien 12 Ehefrau St. Augustin weiblich 17 Syrien nicht bekannt Ehemann St. Augustin 22 Syrien 13 Ehefrau * weiblich 15 Irak nicht bekannt Ehemann Kerpen 36 Irak 14 Ehefrau * weiblich 17 Syrien Syrien Ehemann Münster 28 Syrien 15 Ehefrau * weiblich 16 Irak Irak Ehemann Münster 21 Irak 16 Ehefrau Ahaus weiblich 16 Irak Irak Ehemann Ahaus 21 Irak 17 Ehefrau * weiblich 17 Afghanistan Afghanistan Ehemann Gelsenkirchen 20 Afghanistan 18 Ehefrau Reken weiblich 17 Syrien Türkei Ehemann Reken 18 Syrien 19 Ehefrau Reken weiblich 15 Syrien Syrien Ehemann Reken 22 Syrien * Aus Gründen des Schutzes der Person wird der Aufenthaltsort nicht benannt. Die Auswertung umfasst ausschließlich diejenigen Personen, die zu einem Aufenthalt in einer Landeseinrichtung verpflichtet waren. Es wird darauf hingewiesen, dass der Familienstand häufig ausschließlich auf den persönlichen Angaben der Personen basiert. Zu dem erfragten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13137 3 Merkmal „Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Ehepartnern“ liegen keine Erkenntnisse vor. In der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine Abfrage bei den Kommunen bzw. den Ausländerbehörden zu denjenigen Personen, die bereits einer Kommune zugewiesen wurden, nicht möglich. 2. Was ist in den jeweiligen Fällen durch verantwortliche Behörden zum Schutz der Minderjährigen unternommen worden? (Bitte zu jedem Fall Maßnahmen auflisten.) Zum Schutz von Minderjährigen hat das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport mit Erlass vom 9. November 2015 an die Jugendämter die gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Inobhutnahme von unbegleiteten Minderjährigen klarstellen erläutert. Demnach sind minderjährige Flüchtlinge dann unbegleitet, wenn weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland leben. Der Erlass wurde durch das Ministerium für Inneres und Kommunales parallel an die Bezirksregierungen und die Landeseinrichtungen für Flüchtlinge weitergeleitet. Auch verheiratete Minderjährige, die als Flüchtlinge aus dem Ausland einreisen, gelten gemäß den Vorgaben des Jugendhilferechts als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Demnach ist eine Inobhutnahme durch das örtliche zuständige Jugendamt zwingend, es besteht kein Ermessen. Ob eine Trennung vom Ehepartner erfolgt, ist eine Einzelfallentscheidung und liegt im Ermessen des zuständigen Jugendamts. Im Verlaufe der Inobhutnahme ist zum einen der weitere Jugendhilfebedarf der verheirateten Minderjährigen zu prüfen und zum anderen auch die Frage zu beantworten, ob die jeweilige Ehe von der Minderjährigen freiwillig und in eigenem Interesse geführt wird und eine Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen werden kann. Für Betroffene von Zwangsheirat - sowohl drohender als auch vollzogener - stehen in drei Einrichtungen fünf Notaufnahmeplätze zur Verfügung, die durch das Land gefördert werden. Eine Abfrage bei den Jugendämtern zu den in Frage 1 genannten Einzelfällen war in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Sollte es zu juristischen Verfahren gegen getroffene Schutzmaßnahmen gekommen sein: Was haben nordrhein-westfälische Gerichte jeweils geurteilt? Statistische Daten zur Beantwortung der Frage liegen nicht vor. Insbesondere für die Ermittlung konkreter Urteilsinhalte ist eine Durchsicht der Verfahrensakten vor Ort erforderlich, die im Rahmen der für die Kleine Anfrage gesetzten Frist nicht erfolgen kann. 4. Wird die Landesregierung Forderungen nach einem strikten Verbot von Kinderehen und den Einhalt deutscher Ehegesetze einsetzen? (Bitte auch ausführen, mit welchen Vorschlägen die Landesregierung in die Bund-Länder- Arbeitsgruppe hineingeht.) In der auf Anregung Nordrhein-Westfalens initiierten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Umgang des deutschen Rechts mit Minderjährigenehen wird sich die Landesregierung für eine gesetzliche Neuregelung einsetzen, die nach ausländischem Recht geschlossenen Kinderehen, bei denen einer oder beide Ehepartner unter 16 Jahren alt sind, grundsätzlich die Wirksamkeit im Inland versagt. Mit einer solchen gesetzlichen Neuregelung gegebenenfalls LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13137 4 verbundene Änderungen des deutschen internationalen Privatrechts und/oder des bürgerlichen Rechts müssen dabei unter Berücksichtigung des Kindeswohls sorgfältig geprüft und erarbeitet werden. Dessen ungeachtet bestand zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Arbeitsgruppe Einvernehmen dahingehend, dass spätestens bis Ende 2016 ein Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung vorliegen soll. 5. Welche Strafen hält die Landesregierung für gerechtfertigt, um vollzogene Kinderehen und Zwangsehen in Deutschland zu sanktionieren? Zwangsheirat ist gemäß § 237 Strafgesetzbuch (StGB) im Regelfall mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Die nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls tat- und schuldangemessene Strafe bestimmen die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit. Gleiches gilt sowohl bei Zwangs- als auch bei Kinderehen für etwaige Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13137