LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13141 07.10.2016 Datum des Originals: 06.10.2016/Ausgegeben: 12.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5110 vom 6. September 2016 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/12871 Welchen Stellenwert nehmen engagierte Hilfen zur Trauerverarbeitung wie z.B. durch Leuchtturm Schwerte e.V. bei der Landesregierung ein? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Verlust eines geliebten Menschen, sei es der Partner, ein Elternteil oder das eigene Kind, stellt für die Angehörigen eine große emotionale Belastung dar. Wie man mit Schmerz, Trauer und Verlust umgeht, ist individuell sehr verschieden. Werden manche von einem festen sozialen Netz emotional aufgefangen, haben andere das Gefühl, mit niemandem die Trauer teilen zu können. Mit der Zeit können sich aus unverarbeiteter Trauer psychische Erkrankungen wie Depressionen entwickeln. Trauerverarbeitung braucht Zeit und viel Kraft. Besonders für Kinder ist die Verarbeitung des Todes eines ihnen nahestehenden Menschen häufig schwierig, da sie die Situation zwar verstehen, doch ihre Gefühle nicht immer einordnen und artikulieren können . Vereinen und Institutionen, wie der Leuchtturm e.V. in Schwerte, die ihren Schwerpunkt auf die Trauerverarbeitung legen, nehmen dabei eine wichtige gesellschaftliche Funktion im Bereich der Gesundheitsprophylaxe und Gewaltprävention ein. Sie unterstützen und beraten Familien damit Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen nach dem Tod eines nahen Menschen wieder Mut und Vertrauen ins Leben finden können und in der Gemeinschaft neue Kraft und Lebensfreude schöpfen. Daher verweisen die Krankenkassen häufig auf diese Angebote, beteiligen sich aber nicht an der Finanzierung. Dabei ließen sich durch ein gutes Netzwerk von Präventionsangeboten mögliche Folgeerkrankungen und die damit einhergehenden finanziellen Kosten der Behandlung, die dann auf die Krankenkassen zukämen, vorbeugen. Trotz dieser anerkannten gesellschaftlichen Aufgabe erfolgt die Finanzierung dieser Vereine zum überwiegenden Teil aus Spenden und aus Kooperationen mit gemeinnützigen Stiftungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13141 2 Die Minister für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5110 mit Schreiben vom 6. Oktober 2016 namens der Landesregierung beantwortet, Vorbemerkung der Landesregierung Eine gute Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen sowie die Unterstützung und Begleitung ihrer Familien, An- und Zugehörigen ist seit vielen Jahren ein wichtiges gesamtgesellschaftliches , aber auch ein gesundheitspolitisches Anliegen des Landes Nordrhein- Westfalen. Die Hospizbewegung ist in Nordrhein-Westfalen vor über 30 Jahren aus bürgerschaftlichem Engagement heraus entstanden und hat seither eine dynamische Entwicklung erfahren. Inzwischen verfügt Nordrhein-Westfalen über ein nahezu flächendeckendes Angebot . Zur Kernkompetenz der ambulanten Hospizdienste zählen auch Angebote zur Unterstützung und Begleitung bei Verlust eines nahestehenden Menschen, sei es spirituell, emotional, psychosozial oder mit praktischer Unterstützung. Zugehörige eines schwerstkranken, sterbenden oder verstorbenen Menschen werden intensiv unterstützt und begleitet. Sie haben die Möglichkeit , über die Krise und die damit verbundenen Gefühle und Ängste zu reden und mit ihnen umzugehen. Dabei kümmert sich die Hospizbewegung inzwischen verstärkt auch um die Verlustbewältigung bei Kindern und Jugendlichen. 1. Welchen Stellenwert nimmt die Trauerverarbeitung aus Sicht der Landesregierung in der Präventionsarbeit ein? Zu präventiven Handlungsfeldern gehören auch Maßnahmen zur Vermeidung von seelischen und psychischen Erkrankungen. Sie können unter anderem durch Schmerz, Trauer oder Verlust ausgelöst werden. Zu begrüßen sind daher alle Maßnahmen und Initiativen, die sich in diesem Umfeld engagieren. Gleichwohl ist es wichtig, Trauer als normale menschliche Reaktion zu verstehen und nicht als pathologische Verhaltensweise. Trauer ist ein wichtiges und notwendiges Element im Prozess der Verlustbewältigung, das dazu beiträgt, dass den Betroffenen der Weg zurück in den Alltag gelingen kann. Das heißt, dass hier eher ein präventives und weniger ein therapeutisches Angebot eine hilfreiche Unterstützung darstellt. 2. Wie viele Vereine und Einrichtungen, die sich auf die Trauerverarbeitung spezialisiert haben, sind der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekannt? In Nordrhein-Westfalen gibt es 311 ambulante Erwachsenen- bzw. Kinder- und Jugend-Hospizdienste , zu deren Kernkompetenz − wie in der Vorbemerkung ausgeführt − auch die Unterstützung der Familien, An- und Zugehörigen von schwerstkranken, sterbenden sowie verstorbenen Menschen gehört. Über die übrigen Angebote führt die Landesregierung keine statistischen Erhebungen. 3. Wie bewertet die Landesregierung die bisherige Finanzierungssituation dieser Einrichtungen vor dem Hintergrund des Aspekts der Präventionsarbeit? Ambulante Hospizdienste, die die Voraussetzungen erfüllen, erhalten gem. § 39 a SGB V auf Antrag einen Zuschuss zu ihren Personal- und Sachkosten durch die Krankenkassen. In Nordrhein -Westfalen erhalten diese Förderung derzeit 226 der 311 ambulanten Hospizdienste. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13141 3 Ein verbleibender Eigenanteil, der in der Regel über Spenden finanziert wird, ist von den Hospizverbänden ausdrücklich erwünscht und Ausdruck des ehrenamtlichen und gesamtgesellschaftlichen Gedankens. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen für Mut, Stärke und menschliche Wärme und prägen damit maßgeblich den Charakter der Arbeit. Ihre Menschlichkeit ist in der Trauerarbeit unverzichtbar. Es ist daher von Bedeutung, dass das Ehrenamt in diesem Bereich als eigenständige bürgerschaftliche Bewegung erhalten bleibt und gestärkt wird. 4. Welche Unterstützung erhalten Vereine im Bereich der Trauerverarbeitung von Seiten des Landes NRW? Das Land unterstützt die Weiterentwicklung der Hospizarbeit und der Hospizlandschaft in Nordrhein-Westfalen seit fast 25 Jahren durch Förderung zahlreicher Projekte sowie durch die Einrichtung und Finanzierung der beiden Ansprechstellen im Land NRW zur Palliativversorgung , Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung (ALPHA NRW). Über Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hospizdienste durch die ALPHA-Stellen fördert die Landesregierung das Ehrenamt. Aktuell hat die Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen einen Beschluss zur Unterstützung von zwei Projekten gefasst, die Schülerinnen und Schülern einen geschützten Rahmen bieten, sich mit dem sensiblen Thema Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen und Halt und Orientierung zu finden. Die Projekte sind von der Hospizbewegung Düren und dem Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln entwickelt und bereits erfolgreich auch an Schulen in Nordrhein-Westfalen umgesetzt worden. Ein weiteres Projekt zur Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern in Kindertagesstätten wird durch das Ministerium für Gesundheit , Emanzipation, Pflege und Alter gefördert. Die Beschäftigten sollen im Rahmen eines Fortbildungskonzepts Methoden erlernen und Sicherheit gewinnen im Umgang mit von Verlust betroffenen Kindern. 1992 hat die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW mit der Förderung einer wissenschaftlichen Begleitforschung durch Herrn Prof. Dr. Franco Rest die Grundlage für die Entwicklung der Hospizarbeit in Nordrhein-Westfalen gelegt. Bis jetzt hat die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW mit Zuwendungen von über 21 Mio. Euro den Bau, Ausbau und die Einrichtung von ambulanten und stationären Hospizen unterstützt. Zudem fördert sie die Entwicklung von Konzepten, die in der Hospizarbeit zum Einsatz kommen können, um Qualität und Wirkung zu verbessern. So wird aktuell ein Projekt der Hospizbewegung Düren-Jülich gefördert, das den Blick auf die Bedürfnisse der Familien richtet, um diese gezielter unterstützen zu können. Es umfasst sämtliche Aspekte der Trauerarbeit, während der Begleitung und nach dem Tod der betroffenen Menschen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13141