LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13175 12.10.2016 Datum des Originals: 10.10.2016/Ausgegeben: 17.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5113 vom 6. September 2016 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/12882 Monatliche Veröffentlichung von PKS-Daten: Wo sind die Übergriffe gegen Frauen aus der Kölner Silvesternacht bilanziert? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 2. September 2016 verkündete die Landesregierung, dass die NRW-Polizei ab sofort jeden Monat aktuelle Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung veröffentlichen werde. Aus der monatlichen Übersicht für das Polizeipräsidium Köln ergibt sich für Dezember 2015 bei dem Delikt „Vergewaltigung/sexuelle Nötigung (überfallartig)“ die Anzahl bekanntgewordener Fälle von: 1 (Köln – Sicherheit im Fokus 1) Für den Monat Januar 2016 ergibt sich bei gleicher Deliktsart für das PP Köln eine Anzahl bekanntgewordener Fälle von: 0 (Köln – Sicherheit im Fokus 1). Vor dem Hintergrund von über 1.150 vorliegenden Anzeigen aus der Kölner Silvesternacht stellt sich unweigerlich die Frage, wo diese bekanntgewordenen Fälle eigentlich bilanziert werden . Gleichermaßen stellt sich die Frage, wie sich das Anzeigeaufkommen aus vergleichbaren Delikten gegenüber Mädchen und Frauen landesweit seit dem 31. Dezember 2015 entwickelt hat. Ferner überrascht, dass ohne weitere Erläuterungen die Deliktsart „Vergewaltigung/sexuelle Nötigung überfallartig (durch Gruppen) im Dezember 2015 wie Januar 2016 jeweils ohne Eintrag für das Polizeipräsidium Köln wiedergegeben, hingegen für den Juni 2017 die Anzahl bekanntgewordener Fälle mit „17“ angegeben wird. Des Weiteren fallen für das Polizeipräsidium Köln insgesamt die Entwicklung der bekanntgewordenen Fälle für die Monate April und Juni 2016 auf (jeweils aus „Köln – Sicherheit im Fokus 2) im Zusammenhang mit Vergewaltigungen /sexuelle Nötigungen mit den verschiedenen Unterdeliktsarten auf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13175 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5113 mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit , Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Informationsbedürfnis der Bevölkerung hat sich vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung grundlegend verändert. Informationen sind im digitalen Zeitalter schnell und umfangreich verfügbar. Die Polizei unseres Landes wird daher von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Medien, Gewerbe und gesellschaftlichen Institutionen inzwischen sehr oft gebeten, aktuelle Informationen zur Entwicklung von Kriminalität bereit zu stellen. Mit der nur jährlich veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht aktuell genug informiert . Im Fokus des Interesses stehen dabei zumeist die Delikte, die das Sicherheitsgefühl im besonderen Maße beeinflussen, also z. B. Gewaltdelikte, Diebstähle und Wohnungseinbrüche sowie Delikte der Straßenkriminalität. Diese umfassen unter anderem auch überfallartige Vergewaltigungen /sexuelle Nötigungen durch Einzeltäter sowie durch Gruppen. 1. Wie begründet die Landesregierung, dass eine kriminologisch-differenzierte Darstellung der Sexualdelikte der Transparenz dienen soll und nicht eher beim gewöhnlich ungeübten Leser kriminologischer Bezeichnungen suggeriert, dass möglichst kleine Zahlen dargestellt werden sollen und somit noch mehr Spekulationen ausgelöst werden? Siehe Vorbemerkung. 2. Wo werden die über 1.150 Strafanzeigen aus der Kölner Silvesternacht jeweils veranschlagt (Kriminalitätsentwicklung im Land Nordrhein-Westfalen insgesamt; Polizeipräsidium Köln 1 und 2 in der aktuellen PKS-Veröffentlichung)? Eine erweiterte Darstellung erfasster Sexualstraftaten sowie solcher der Beleidigung auf sexueller Grundlage sind für den Bezirk des Polizeipräsidiums Köln der Tabelle „Kriminalitätsentwicklung Köln 2“ zu entnehmen. Mit Blick auf die statistischen Erfassungskriterien ist eine detailgetreue Abbildung der Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Taten der Kölner Silvesternacht allerdings nicht möglich. 3. Welche Erklärung hat die Landesregierung für den über-durchschnittlichen Anstieg aus den verschiedenen Bereichen der „Sexualdelikte“ in den Monaten April und Juni 2016 in dem Bereich des Polizeipräsidiums Köln (Beantwortung bitte getrennt nach den Deliktsbereichen gemäß „Köln - Sicherheit im Fokus 2“)? Für „Sicherheit im Fokus“ werden Daten der Kriminalitätsentwicklung verwendet. Grundlage bilden die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der endgültigen Abgabe an die Staatsanwaltschaft. Zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung sind die Tatumstände hinsichtlich des Tatvorwurfs, der Tatverdächtigen und Opfer in vielen Fällen noch un- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13175 3 klar. Deshalb erfolgt die tabellarische Zuordnung grundsätzlich zu dem Monat, in dem der Ermittlungsvorgang „ausermittelt“ an die Justiz übergeben wird. Dies ist bei zunächst hohem Ermittlungsaufwand insoweit nicht immer auch der Monat, in dem die Tat begangen wurde. Aufgrund der Vielzahl der Strafanzeigen und Hinweise zu Straftaten in der Silvesternacht in Köln sowie der damit verbundenen komplexen Ermittlungsanforderungen sind daher die für die Monate April und Juni 2016 ausgewiesenen Anstiege der Anzahl von Sexualstraftaten für den Bezirk des Polizeipräsidiums Köln ausschließlich auf die Taten der Silvesternacht zurückzuführen . 4. Wie haben sich seit der Kölner Silvesternacht Übergriffe gegen Mädchen und Frauen im öffentlichen Raum in Nordrhein-Westfalen entwickelt (nach Kreispolizeibehörde , nach Monaten, nach Deliktsarten)? Der Begriff des „öffentlichen Raumes“ ist in der polizeilichen Arbeit weder deliktisch noch als Tatörtlichkeit definiert. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die üblicherweise zur Darstellung der Kriminalitätsentwicklung herangezogen wird, kennt als grobe Annäherung an den „öffentlichen Raum“ nur die Delikte der Straßenkriminalität bzw. Delikte, die „auf Straßen, Wegen oder Plätzen“ begangen wurden. Straftaten, die zwar in der Öffentlichkeit innerhalb von Gebäuden oder eingefriedeten Bereichen begangen wurden, werden hierunter nicht erfasst. In der PKS werden Informationen zu Opfern nur bei den sogenannten Opferdelikten erfasst. Hierzu zählen Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit , Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung). In den anderen Deliktsbereichen werden statistisch keine Informationen zu Opfern erfasst. Bei der überwiegenden Anzahl der Taten der Silvesternacht in Köln handelte es sich strafrechtlich um Taschendiebstähle und Beleidigungen auf sexueller Grundlage. Beide Delikte sind statistisch keine sogenannten Opferdelikte . Damit stehen die mit der Anfrage erbetenen Informationen zur statischen Recherche nicht zur Verfügung. 5. Welche bestehenden Präventionsprogramme gegen jede Form von sexualisierter Gewalt hat die Landesregierung im ersten Halbjahr 2016 ausgeweitet bzw. neu adjustiert , um die Prävention aller Formen von sexualisierter Gewalt anzugehen? Die Landesregierung fördert seit vielen Jahren die Arbeit der Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt. Diese Förderung ist als Antwort auf die Silvesterereignisse in Köln im Rahmen des 15-Punkte-Maßnahmepaketes ausgeweitet worden. Zur Aufstockung der Beratungsangebote und zur Entwicklung und Erprobung neuer Formen der Prävention können die Fachberatungsstellen nunmehr eine Förderung für bis zu 1 ½ Fachkraftstellen erhalten. Weiterhin können in Gebieten, in denen bislang noch keine Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt gefördert wird, neue Fachberatungsstellen in die Förderung aufgenommen werden. Mit den zusätzlichen Kapazitäten leisten die Einrichtungen verstärkte Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit , um allen Formen sexualisierter Gewalt sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum, insbesondere auch in neuen Begehungsformen, entgegenzutreten. Das erweiterte Aufgabenspektrum umfasst auch die Entwicklung neuer Präventionsformen und die Erreichbarkeit bei Großveranstaltungen. Unter anderem als Reaktion auf die Straftaten der Silvesternacht werden in diesem Jahr im Rahmen der Förderung der örtlichen Kooperationen gegen Gewalt an Frauen vorrangig Maßnahmen zum Thema Sexualisierte Gewalt gefördert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13175 4 Nach den Straftaten der Silvesternacht erarbeitete das Landeskriminalamt NRW umgehend Empfehlungen zur Verhinderung von Straftaten im öffentlichen Raum. Diese wurden den Kreispolizeibehörden zur Verfügung gestellt und werden fortlaufend evaluiert. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13175