LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13189 14.10.2016 Datum des Originals: 12.10.2016/Ausgegeben: 19.10.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5081 vom 26. August 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/12768 Was unternimmt die Landesregierung, um die zentrale Bedeutung des Schützenbrauchtums für die Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu sichern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unsere Schützenbruderschaften und -vereine sind zentraler Dreh- und Angelpunkt der Traditions - und Brauchtumspflege in NRW. In diesem Zusammenhang findet in den Schützenvereinen auch eine intensive Jugendarbeit statt, die eine Modernisierung und Anpassung der Traditionen sowie die Pflege des Brauchtums gewährleistet, frei nach dem Motto „Auch Traditionen dürfen mit der Zeit gehen.“ Gerade die Jungschützenveranstaltungen bringen die Traditionspflege auf eine nachhaltige und zukunftssichernde Ebene, die in ihrem Rahmen den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigt . Tatsächlich kommen aus den Reihen der Jungschützen Persönlichkeiten, die sich in der Gemeinschaft der Städte und Dörfer für das Gemeinwesen, deren Bestand und bürgerfreundliche Weiterentwicklung engagieren. Diese jungen Leute erfahren eine besondere Persönlichkeitsentwicklung , die von ihrem Einsatz in den Schützengemeinschaften geprägt ist. Sie haben ihre Dorfgemeinschaft, die Stadtviertelgemeinschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bürger im Fokus. Hierbei gelingt die Heranführung an die ehrenamtliche Arbeit für die Schützen und damit für die Gesellschaft in besonderem Maße. Dazu gehört aber auch das alljährliche traditionelle Schützenfest, welches in organisatorisch anspruchsvoller Arbeit über Monate hinweg vorbereitet wird. Es ist der Höhepunkt der Vereinsarbeit und eines der wenigen Feste, wo generationenübergreifend Jung und Alt gemeinsam auf einem Platz, in einer Halle oder einem Zelt miteinander im Kontakt sind und feiern. Zugereiste und Alteingesessene begegnen sich und auch die Integration wird hier praktisch gelebt. Wenn es das Schützenfest und die Schützengemeinschaften noch nicht gäbe, dann müssten wir sie jetzt u.a. als Kitt für unsere Gesellschaft unbedingt erfinden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13189 2 Am letzten Mai-Wochenende fand das Schützenfest des Schützenvereins Borgholzhausen statt. Das konnte aber nur geschehen, weil das OVG Münster in letzter Minute mit einer Ausnahmegenehmigung das öffentliche Interesse an der Durchführung des 66. Schützenfestes als überwiegend über die kurzfristigen Lärmbeeinträchtigungen der beiden Kläger erkannte. Das Schützenfest des Schützenvereins ist ein wichtiger Teil des kulturellen Brauchtums der Stadt Borgholzhausen und das – wie bereits erwähnt – seit 66 Jahren. Es wird jährlich an 5 Tagen durchgeführt, wobei die Jugendveranstaltung die stärkste Besucherzahl mit bis zu 1000 Besuchern erreicht. Bei dieser Veranstaltung, die speziell auf junge Menschen ausgerichtet ist und u.a. Gelegenheit zum Tanzen bietet, handelt es sich um die Einzige ihrer Art in Borgholzhausen und hat für die jüngere Bevölkerung Bedeutung auch über die Stadtgrenzen hinaus. Die Jungschützentanzveranstaltung in Borgholzhausen findet seit 2004 in dieser Form statt. Bei der vorliegenden Veranstaltung handelt es sich um eine langjährige, mit dem Veranstaltungsort verbundene Traditionsveranstaltung, bei deren Durchführung ein öffentliches Interesse besteht und die zur Gesamtfinanzierung des Schützenfestes zwingend benötigt wird. Trotzdem mussten die Jungschützen 2016 bangen, ob diese Veranstaltung stattfinden könne, denn das VG Minden hat die allgemeine Bedeutung des Schützenwesens bei seiner Entscheidungsfindung nicht angemessen berücksichtigt. Im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung war auch zu berücksichtigen, dass ein politischer Wille besteht, das Brauchtum zu stärken. Wir brauchen einen stärkeren politischen Willen der Landesregierung und des Landtages, das Brauchtum zu stärken und vor allem gegenüber Einzelinteressen nachhaltig zu schützen. Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 5081 mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Justizminister und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Arbeit und den Wert der Schützengemeinschaften ? 3. Ist die Landesregierung bereit, die Interessen der Allgemeinheit bei den Schützenfesten gegenüber Einzelinteressen zu priorisieren? 5. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Jugendarbeit des Schützenwesens zu stärken und dessen Bedeutung in breiten Bevölkerungsschichten positiv darzustellen? Die Fragen 1, 3 und 5 werden zusammengefasst beantwortet. Schützengemeinschaften stellen ein historisch wertvolles Gut in der heutigen Gesellschaft dar und sind daher von hoher überregionaler Bedeutung. Die Arbeit, die sich mit der Aufrechterhaltung dieser Tradition befasst, dessen Ursprung in Deutschland und im benachbarten Ausland bis ins Mittelalter zurückreicht, ist enorm. Daher verdient jeder, der sich in diesen Vereinen aktiv einbringt und damit Zeit und persönliches Engagement investiert, hohen Respekt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13189 3 Die Landesregierung bringt die Wertschätzung für die Schützenvereine und Schützenbruderschaften durch Verleihung einer Ehrenplakette sowie einer Urkunde zum Ausdruck; auch für die von den Schützinnen und Schützen geleistete Jugendarbeit. Die Ehrenplakette und die entsprechende Urkunde werden anlässlich eines 100-jährigen Jubiläums und aller weiteren Jubiläumsjahre (125, 150 etc.) durch die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport ausgestellt und durch die direkt gewählte Landtagsabgeordnete bzw. den direkt gewählten Landtagsabgeordneten des jeweiligen Wahlkreises ausgehändigt. Darüber hinaus verfolgt der am 26.04.2016 novellierte Freizeitlärmerlass das Ziel, einen Ausgleich der Interessen an Freizeitgestaltung (z.B. durch Traditionsveranstaltungen wie Schützenfeste ) und dem Bedürfnis der Anwohnerinnen und Anwohner nach Ruhe zu finden. Insbesondere die Empfehlung des Erlasses an die Kommunen, ein Veranstaltungskonzept zu erstellen , in dem Art und Anzahl der geplanten Veranstaltungen aufgeführt sind und auf dessen Grundlage der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Beteiligung eingeräumt wird, soll die Akzeptanz der Traditionsveranstaltungen stärken. 2. Ist die Landesregierung mit konkreten Handlungen oder gesetzgeberischen Schritten bereit, die ehrenamtlich in den Schützenvereinen und –bruderschaften Aktiven stärker in ihrer Arbeit zu unterstützen? Die Landesregierung hat das historische Schützenwesen im Jahr 2014 förmlich in die Landesliste des immateriellen Kulturerbes gemäß der UNESCO-Konvention aufgenommen. Damit würdigt sie das gesellschaftliche Engagement der Schützenvereine und Schützenbruderschaften . Insofern sind gesetzgeberische Schritte nicht notwendig. Darüber hinaus stellt die von der Landesregierung zusammen mit den teilnehmenden Städten, Gemeinden und Kreisen des Landes eingeführte Ehrenamtskarte (aktuell: 212 Kommunen) einen zusätzlichen Ausdruck der Wertschätzung für den vielfachen ehrenamtlichen Einsatz der Bürgerinnen und Bürgern dar und verbindet diese Würdigung mit einem praktischen Nutzen. Menschen, die sich in besonderem zeitlichem Umfang für das Gemeinwohl engagieren, können mit der Karte die Angebote öffentlicher, gemeinnütziger und privater Einrichtungen vergünstigt nutzen. 4. Wie bewertet die Landesregierung den o. g. Vorfall, bei dem zwei Personen um Haaresbreite ein traditionelles Schützenfest, an welchem 1.500 Personen teilnehmen, verhindert hätten? Die Entscheidung des OVG Münster ist auf Grundlage der aktuellen rechtlichen Regelungen getroffen worden. Diese sind hier das Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie die Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) als Orientierungshilfe zur normativen Konkretisierung der Erheblichkeitsschwelle, auf die im nordrhein-westfälischen Freizeitlärmerlass Bezug genommen wird. Aus der Entscheidung ergibt sich, dass das angesprochene Schützenfest in Anbetracht seiner örtlichen Bedeutung trotz Überschreitung der im Regelfall geltenden Lärmwerte stattfinden kann. Mithin sind die bestehenden Regelungen auch für eine angemessene Berücksichtigung des Brauchtums ausreichend. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13189