LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13264 27.10.2016 Datum des Originals: 26.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5180 vom 28. September 2016 des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS Drucksache 16/13062 Stand der Zusammenarbeit und Unterstützung der DITIB durch das Land NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) ist ein Dachverband türkischislamischer Moscheegemeinden des Landes. Nachdem eine langjährige Zusammenarbeit zwischen DITIB und Land und Kommunen stattfand, gibt es in letzter Zeit verstärkt Kritik an der DITIB. Ihr wird zu große Staatsnähe zur Türkei und fehlende Distanzierung zum extremen bzw. radikalen Islam vorgeworfen. Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist die DITIB gemäß ihrer Satzung an die türkische Religionsbehörde in Ankara angebunden . Innenminister Jäger hat die bisherige Zusammenarbeit beim Präventionsprogramm "Wegweiser " aus diesen Gründen beendet, während das Schulministerium weiter mit der DITIB im Beirat für Islamkunde an Schulen zusammen arbeitet. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ging zur DITIB ebenfalls auf Distanz. „Es verstärken sich die Zweifel, dass DITIB den Kriterien zur Einstufung als Religionsgemeinschaft entspricht“, wird sie zitiert. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5180 mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Justizminister, der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung und der Ministerin für Familie, Kinder, Kultur und Sport beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13264 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die DITIB im Hinblick auf ihre Beziehung zur Türkei und zum extremen bzw. radikalen Islam? Die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) ist ein beim Vereinsregister des Amtsgerichts Köln eingetragener Verein. Der Vereinszweck liegt in einer Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden. Über die diplomatischen Vertretungen der Türkei und das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei (Diyanet) ist die DITIB eng an türkische Behörden angebunden. Die Diyanet untersteht direkt dem türkischen Ministerpräsidentenamt. Die DITIB vertritt wie Diyanet einen traditionellen türkischen Islam. Der Landesregierung liegen im Übrigen keine Informationen vor, dass es seitens der DITIB eine Nähe zum extremistischen Salafismus gibt. 2. Welche Zusammenarbeit gab bzw. gibt es mit der DITIB bzw. Mitgliedsorganisationen der DITIB auf Landesebene? Nennen Sie beteilige Organisationen und Landesstelle , Name und Art der Zusammenarbeit, und ob diese fortgesetzt wird oder beendet ist bzw. wird. In den Justizvollzugsanstalten des Landes sind Imame der DITIB in die muslimische Religionsbetreuung von Gefangenen eingebunden. Diese Zusammenarbeit soll auch fortgesetzt werden. Wie sich die Imame auf die einzelnen Justizvollzugsanstalten des Landes verteilen, ist der Anlage zu Frage 4 zu entnehmen. Am 20.04.2016 und am 06.10.2016 erfolgte jeweils ein Austausch mit Vertretern der DITIB im Justizministerium zu der Thematik der Etablierung einer muslimischen Gefängnisseelsorge. Zudem wird die Deutsche Islamkonferenz (DIK) unter der Federführung des Bundesministers des Inneren als Austauschforum genutzt. So fand am 07. und 08.09.2016 unter Teilnahme eines Vertreters aus NRW ein Austausch mit DITIB-Vertretern ebenfalls zum Thema der Gefängnisseelsorge im Rahmen des DIK-Arbeitsausschusses in Vorbereitung auf die am 07.11.2016 anstehende Tagung der DIK in Berlin statt. Die DITIB ist seit der Gründung des dialog forum islam (dfi) im Jahr 2012 als einer der vier muslimischen Mitgliedsverbände in diesem Gremium vertreten. Das dfi, dem Integrationsminister Rainer Schmeltzer vorsitzt, ist ein Beratungsgremium zum Austausch zwischen der Landesregierung und den Verbandsvertretungen der Muslime und Aleviten zu festgelegten Themen rund um das muslimische und alevitische Alltagsleben in NRW. Zwei Verbandsvertreter der DITIB nehmen regelmäßig an den Plenumsveranstaltungen des dfi und ihren vorbereitenden Sitzungen teil. Diese Form der Zusammenarbeit mit der DITIB soll unverändert fortgesetzt werden. Darüber hinaus arbeiten zwei Vertreter des DITIB-Landesjugendverbandes NRW im Fachkreis der Jungen Islam Konferenz NRW (JIK NRW) mit. Die JIK NRW ist ein Projekt des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales, der Stiftung Mercator, der Humboldt Universität Berlin und der forum k&b GmbH, das 2016 begonnen hat und bis 2019 fortgeführt wird. Es ist vorgesehen , dass sich der NRW-Jugendverband der DITIB bis zum Projektende an der Gremienarbeit der Jungen Islam Konferenz NRW beteiligt. Es steht den Jugendverbandsmitgliedern darüber hinaus offen, sich in den kommenden Jahren als Teilnehmende für die jährlich stattfindende „Junge Islam Konferenzen“ zu bewerben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13264 3 Daneben finanziert das MAIS einzelne DITIB-Projekte im Rahmen der Förderung von Migrantenselbstorganisationen (MSO-Förderung). Eine Zusammenarbeit des Ministeriums für Inneres und Kommunales mit dem Landesverband DITIB NRW e.V. erfolgte im Rahmen der Trägerschaft für den Standort Köln des Präventionsprogramms gegen den gewaltbereiten Salafismus „Wegweiser“. Diese wurde einvernehmlich beendet (vgl. die Antworten auf die Kleinen Anfragen 5005 und 5009, LT-Drs. 16/12809 und 16/12898). 3. Welche Förderarten und -mittel sind für diese Zusammenarbeit bzw. für dabei geförderte Projekte von 2014 bis heute geflossen? Nennen Sie Empfänger, Projekt, Förderart, Summe und Zeitraum. Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales förderte bzw. fördert im Zeitraum 2014 bis 2016 DITIB-Projekte in Köln, Duisburg und Marl im Rahmen einer Anteilsfinanzierung in einer Gesamthöhe von rund 75.000 Euro. Die Projekte dienten bzw. dienen der Unterstützung und Vernetzung von Migrantenselbstorganisationen, der Qualifizierung von Moscheegemeinden und der Förderung des interreligiösen Dialogs. Weiterhin wurde im Jahr 2014 ein Projekt der DITIB mit 12.220,80 EUR aus Mitteln der Förderposition 3.2.1 (Integration als Chance) des Kinder- und Jugendförderplans NRW gefördert. Der Projekttitel lautete „Kinder stark machen - Manege frei für Kinder und Jugendliche - Zirkus und Theaterarbeit - Partizipation-Selbstsicherheit“. Das Projekt wurde durchgeführt in Köln- Ehrenfeld. 4. Wie viele vom türkischen Staat abgestellte Imame gibt es in Nordrhein-Westfalen, beispielsweise in Moscheen, Schulen, Universitäten oder als Gefängnisseelsorger ? Nennen Sie auch den jeweiligen Einsatzort. Aktuell (Stand 28.09.2016) sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes insgesamt 96 Imame der DITIB tätig. Im Übrigen wird auf die anliegende Tabelle Bezug genommen. An nordrhein-westfälischen Universitäten unterrichten keine vom türkischen Staat abgestellten Imame. Ob solche Imame in studentischen Gruppierungen tätig sind, ist der Landesregierung nicht bekannt. Es gibt keinen einzigen Imam, der an Schulen in Nordrhein-Westfalen unterrichtet oder in anderer Form beschäftigt ist. 5. Inwieweit und in welcher Form sind DITIB oder DITIB-Organisationen an Religionsoder Türkischunterricht an nordrhein-westfälischen Schulen bzw. an Universitäten eingebunden? Die Einbindung der islamischen Organisationen in den NRW-Beirat für den islamischen Religionsunterricht ist nicht nur Teil des in NRW breit getragenen Konzepts, sondern von der Verfassung so vorgegeben. In Deutschland kann Religionsunterricht nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden (Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz). Grundlage der Beiratsarbeit ist § 132a Schulgesetz: Absatz 5 regelt die Zusammenarbeit durch vier „Vertreterinnen und Vertreter der organisierten Muslime, die von den islamischen Organisationen in Nordrhein-Westfalen oder von deren Zusammenschluss bestimmt werden“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13264 4 sowie durch „vier weitere Vertreterinnen und Vertreter, „die vom Ministerium im Einvernehmen mit den islamischen Organisationen in Nordrhein-Westfalen oder von deren Zusammenschluss bestimmt werden“. Die Benennung der vier Mitglieder der organisierten Muslime erfolgt durch den Koordinierungsrat der Muslime. Unter den insgesamt acht Mitgliedern ist ein Vertreter der DITIB. Das Schulministerium kann aus diesem Grund die Besetzung des Beirats nicht eigenmächtig verändern . An der Universität Münster wurde ein Zentrum für islamische Theologie eingerichtet. Dem Beirat der Universität Münster gehören jeweils zwei von der DITIB, dem Verband der Islamischen Kulturzentren e. V., dem Zentralrat der Muslime in Deutschland und dem Islamrat benannte Personen an. Die von der DITIB benannten Personen sind Mitglieder der DITIB. Für den Fremdsprachenunterricht und den Herkunftssprachlichen Unterricht gibt es verbindliche Lehrpläne, die in Verantwortung des Schulministeriums erstellt wurden. Somit liegen die Inhalte und der Unterricht in staatlicher Verantwortung. DITIB bzw. Mitgliederorganisationen auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen waren und sind bei der Erstellung der gültigen Kernlehrpläne nicht eingebunden. Der Minister Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage 5180 Übersicht über die Imame bzw. muslimischen Religionsbetreuer in den Justizvollzugsanstalten (JVA) Anstalten Imame insgesamt davon von DITIB entsandt JVA Aachen 1 0 JVA Bochum 7 4 JVA Bochum-Langendreer 9 4 JVA Detmold 1 1 JVA Dortmund 4 4 JVA Duisburg-Hamborn 1 1 JVA Düsseldorf 1 0 JVA Essen 11 10 JVA Geldern 1 0 JVA Gelsenkirchen 24 24 JVA Hagen 4 4 JVA Hamm 4 4 JVA Heinsberg 6 6 JVA Herford 6 6 JVA Hövelhof 1 1 JVA Iserlohn 1 1 JVA Köln 1 1 JVA Münster 1 0 JVA Remscheid 7 7 JVA Rheinbach 1 1 JVA Schwerte 3 3 JVA Siegburg 1 1 JVA Werl 3 3 JVA Wuppertal-Ronsdorf 6 5 JVA Wuppertal-Vohwinkel 7 5 Gesamtanzahl 112 96 Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13264