LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13272 27.10.2016 Datum des Originals: 26.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5202 vom 4. Oktober 2016 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/13106 100 Personen umzingeln zwei Polizisten in Dortmund – Was unternimmt die Landesregierung um unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Übergriffen zu schützen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Medienberichten vom 4. Oktober 2016 zufolge soll es in der Dortmunder Nordstadt zu bedrohlichen Szenerien für Polizeibeamte gekommen sein. Den Berichten nach teilte die Polizei mit, dass ein 24-Jähriger in der Dortmunder Nordstadt ein Trinkpäckchen gegen einen Streifenwagen geworfen hatte. „Die Beamten bemerkten das nicht und fuhren weiter. Zwei Zivilbeamte jedoch beobachteten den Vorfall am Samstag und forderten den Mann auf, sich auszuweisen. Dieser habe daraufhin begonnen, die Beamten zu beleidigen. Das hätten rund 100 Personen mitbekommen und sich um die Beamten versammelt.“ (vgl. Welt online vom 04.10.2016, „100 Personen umzingeln zwei Polizisten in Dortmund“). Dem Bericht zufolge solle der 24-Jährige die umstehende Menge immer wieder aufgehetzt haben. Die Stimmung wurde daraufhin immer aggressiver. Als die Polizeibeamten versuchten, den Mann in ihren Dienstwagen zu setzen, versuchte die Frau ihren Mann zu befreien. Weiter heißt es im Artikel dazu: „Ein Unbekannter habe – unter dem Applaus der Gruppe – eine Flasche auf das Auto geworfen, mehrere Menschen hätten die Straße blockiert. „Diese bedrohliche Szenerie dauerte einige Minuten an“, so die Polizei.“ (vgl. Welt online, „100 Personen umzingeln zwei Polizisten in Dortmund“). Die Menge löste sich erst auf, nachdem sich weitere Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn näherten. Bereits Anfang September hatte es in der Dortmunder Bergmannstraße einen ähnlichen Vorfall gegeben. Dort beobachteten Polizisten auf ihrer Streifenfahrt zufällig „wie ein 15-Jähriger einem anderen Jugendlichen mitten auf der Bergmannstraße in Dortmund eine Waffe an den Kopf hielt. Die Polizisten sprangen aus dem Wagen und überwältigten den Jungen.“ (vgl. Welt online vom 07.09.2016, „Polizisten von Menschenmenge umringt und beschimpft“). Bereits während der Festnahme sollen die Polizeibeamten von einer Menschenmasse umzingelt worden sein. „Mehrere Dutzend Personen schrien die Uniformierten an, versuchten zum Teil, zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13272 2 dem Tatverdächtigen zu gelangen.“ (vgl. Welt online, „Polizisten von Menschenmenge umringt und beschimpft“). Die Lage beruhigte sich auch hier erst, nachdem Verstärkung eintraf. In der Pressemitteilung der Polizei Dortmund heißt es im Nachgang zu diesem Vorfall: „Die Polizei Dortmund musste in der jüngsten Vergangenheit gehäuft das Phänomen registrieren, dass sich Personengruppen bei Einsätzen „zusammenrotten“ und versuchten, Einfluss auf polizeiliche Maßnahmen zu nehmen“ (vgl. Pressemitteilung der Polizei Dortmund vom 06.09.2016, „Dortmund, Bergmannstraße Bedrohung mit Schusswaffe - Streifenteam von mehreren Dutzend Personen umzingelt“ und Welt online Artikel „Polizisten von Menschenmenge umringt und beschimpft“). Einsätze in Brennpunkten sind für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit besonderen Gefahren verbunden. Umso wichtiger ist es den Schutz der eingesetzten Beamten zu verbessern . Hier ist auch die konsequente Nutzung von vorhandenen Instrumentarien etwa der StPO, wie zum Beispiel über besonders beschleunigte Verfahren gefragt. Erfolgreiche Maßnahmen, bei denen eine Strafe bei solchen Taten auch umgehend auf dem Fuße erfolgen kann, sind erforderlich um Abschreckungswirkungen zu erzielen. Die Häufung von Vorkommnissen dieser Art erfordert daher eine enge Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und konsequente Anwendung bestehender Möglichkeiten. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5202 mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Die Landesregierung hat bereits in Antworten zu mehreren Kleine Anfragen und in Sitzungen des Innenausschusses klargestellt, dass es in Nordrhein-Westfalen keine rechtsfreien Räume (sogenannte „No-Go-Areas“) gibt. In einer durch die CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde des Landtages am 06.10.2016 wurde ausführlich auf die diese Anfrage betreffenden Sachverhalte in Dortmund eingegangen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 5119 (LT-Drs. 16/13169) wurde zudem ausführlich auf den Sachverhalt vom 06.09.2016 in Dortmund eingegangen. Straftätern wird nachhaltig verdeutlicht, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat und seiner Polizei liegt. Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen werden auch weiterhin alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen treffen, um gegen Störer und Straftäter konsequent vorzugehen und die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Die hier in Rede stehenden Sachverhalte weisen aus Sicht der Landesregierung auf ein anderes , zunehmendes Phänomen hin. Danach wird Polizeibeamtinnen und -beamten und Rettungskräften im öffentlichen Raum immer weniger Respekt entgegen gebracht, was diesen die Arbeit erschwert. Die Polizei Nordrhein-Westfalen ist sich bewusst, dass sie hierbei nicht die Ursachen beseitigen , sondern die Folgen derartiger Entwicklungen nur abmildern kann. 1. Welche genauen Kenntnisse besitzt die Landesregierung über die beiden oben beschriebenen Vorfälle in Dortmund (bitte unter Angabe der genauen Zeitabläufe, Feststellung Täter, Aufwachsen der Menschenmenge und Eintreffen der Verstärkung )? Zum Sachverhalt vom 06.09.2016 wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 5119 (LT-Drs. 16/13169), Frage 1 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13272 3 Zum Sachverhalt vom 01.10.2016: Gegen 17:55 Uhr stellte eine Funkstreifenwagenbesatzung (ziviler PKW, Beamte in bürgerlicher Kleidung), die zufällig hinter einem weiteren Funkstreifenwagen (koloriert) herfuhren, im Bereich der Mallinckrodtstraße 58 fest, wie eine männliche Person vom Gehweg aus ein gefülltes Trinkpäckchen gegen den kolorierten Streifenwagen warf. Dies blieb von der Streifenwagenbesatzung unbemerkt, da eine Felge getroffen wurde. Die Beamten in bürgerlicher Bekleidung gaben sich dem betroffenen Werfer (rumänischer Staatsangehöriger) als Polizeibeamte zu erkennen und forderten ihn auf, sich auszuweisen. Dieser verhielt sich unkooperativ, wollte sich nicht ausweisen, beleidigte die Beamten und versuchte umherstehende Personen aufzuhetzen. Schnell fanden sich ca. 80-100 Personen südosteuropäischer Herkunft vor Ort ein, die immer aggressiver wurden. Angesichts dieser Situation zogen sich die Beamten mit dem inzwischen festgenommenen Tatverdächtigen in den Streifenwagen zurück. Gleichzeitig wurden Unterstützungskräfte angefordert . Die ebenfalls vor Ort befindliche Ehefrau des Tatverdächtigen versuchte diesen vergeblich aus dem Streifenwagen zu befreien und beleidigte dabei die Beamten. Des Weiteren wurde von einer unbekannten Person aus der Menschenmenge eine Flasche auf den Streifenwagen geworfen. Als die Sondersignale (Einsatzhorn) der wenig später eintreffenden Unterstützungskräfte vor Ort zu hören waren, löste sich die Personengruppe noch vor deren Eintreffen zügig auf. Dadurch konnten hier keine weiteren polizeilichen Folgemaßnahmen (u.a. Personalienfeststellungen ) mehr durchgeführt werden. Fahndungsmaßnahmen blieben ebenfalls erfolglos. Der Tatverdächtige wurde zur Durchführung von weiteren strafprozessualen Maßnahmen der Polizeiwache Nord zugeführt. Die Ehefrau des Tatverdächtigen wurde nach Personalienfeststellung vor Ort entlassen. Der zivile Streifenwagen wurde durch den Tatverdächtigen leicht beschädigt (Lackkratzer). Die Beamten blieben unverletzt. Nach Recherche im System Cebius dauerte die dargestellte Situation insgesamt fünf Minuten. 2. Wie ist konkret bei den oben beschriebenen Vorkommnissen eine enge Zusammenarbeit von Polizei und Justiz erfolgt, wie durch den Einsatz besonders beschleunigter Verfahren, um die Strafe auch auf dem Fuße folgen zu lassen? Bei beiden Sachverhalten erfolgten alle erforderlichen strafprozessualen Maßnahmen gegen die Tatverdächtigen der Grundsachverhalte. In beiden Fällen wurden keine Personalien von Personen der „umherstehenden“ Gruppen festgestellt . Im Sachverhalt vom 06.09.2016 wurde gegen den Tatverdächtigen eine Strafanzeige gefertigt. Bei dem Sachverhalt vom 01.10.2016 wurde gegen den Tatverdächtigen und seine Ehefrau ebenfalls eine Strafanzeige gefertigt. Zudem wurde eine Strafanzeige gegen Unbekannt gefertigt . Eine spezielle Zusammenarbeit von Polizei und Justiz war nicht erforderlich. 3. Was unternimmt die Landesregierung konkret um unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Vorfällen dieser Art zu schützen? Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles Sinnvolle unternehmen, um Gewalt gegen unsere Polizeibeamtinnen und -beamten und Rettungskräfte zu verhindern. Die phänomenologischen Entwicklungen werden ständig beobachtet und analysiert, um so die bestehenden Standards zum Schutz der Einsatzkräfte anzupassen und weiter zu entwickeln. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13272 4 Aktuell wurden mit dem Maßnahmenpaket der Landesregierung zur Stärkung der Inneren Sicherheit u.a. Stundenkontingente der Bereitschaftspolizei anlassbezogen neu verteilt, 250 Stellen für Regierungsbeschäftigte zugewiesen, Effekte aus landesweiten Lebensarbeitszeitverlängerungen genutzt, und die Einstellungszahlen im Polizeibereich erhöht. Der dadurch mögliche, erhöhte Kräfteansatz dient u.a. auch dazu, der Entstehung von tumultartigen Konfliktsituationen im Rahmen von Kontrollaktionen entgegenzuwirken und durch verstärkte und wahrnehmbare Präsenz zur Verhinderung einer Entstehung von Brennpunkten beizutragen. Die Polizeibeamtinnen und -beamten werden bereits in ihrer Ausbildung umfassend im Umgang mit gewalttätigen Personen und Personengruppen trainiert. Der Themenkomplex „Umgang mit größeren Menschengruppen und kollektive Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte“ ist Inhalt diverser zentraler Fortbildungsmaßnahmen sowie der örtlichen Einsatztrainings in den KPB. 4. Welche weiteren Fälle, bei denen Polizeibeamte während des Einsatzes plötzlich einer größeren Menschengruppe gegenüberstanden, sind der Landesregierung seit 2015 in NRW bekannt (bitte unter Auflistung der jeweiligen Stadt, Datum und Vorfall)? Derartige Sachverhalte/Fälle werden weder in den vorhandenen Auskunftssystemen noch in Vorgangsbearbeitungsprogrammen einheitlich erfasst. Es werden in den Kreispolizeibehörden , Landesoberbehörden und dem Ministerium keine entsprechenden Statistiken geführt. Für eine Erhebung müssten alle 47 Kreispolizeibehörden angeschrieben und um händische Ermittlung der Daten gebeten werden. Dies ist in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . 5. Ist die Landesregierung weiterhin der Meinung, dass es in NRW keine Bereiche oder Straßenzüge gibt, in denen der Staat erhebliche Schwierigkeiten hat das Gewaltmonopol durchzusetzen? Ja. Siehe Antwort der Kleinen Anfrage 5187, Frage 5. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13272