LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13277 27.10.2016 Datum des Originals: 26.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5188 vom27. September 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13083 Warum wird die Hälfte aller Ausreisepflichtigen aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans in Nordrhein-Westfalen geduldet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Von den bundesweit zum Stichtag 31.08.2016 im Ausländerzentralregister erfassten Duldungen entfielen rund 29 % (45.436 von 158.190) auf Nordrhein-Westfalen. Gemessen an dem auf Nordrhein-Westfalen entfallenden Anteil von 24,9 Prozent an der ausländischen Bevölkerung in Deutschland insgesamt weist dieser Wert schon eine Auffälligkeit auf. Von den fast 59.000 Ausreisepflichtigen zum 31.08.2016 sind in Nordrhein-Westfalen 77 Prozent geduldet. Der Innenminister legt seinen medialen Fokus in der Frage möglicher Duldungen aufgrund nicht vollziehbarer Ausreisepflichten allein auf das Thema der nordafrikanischen Asylbewerber und kaschiert damit anhand deren Schwierigkeiten bei der Vollziehung der Abschiebungen, dass generell mehr gemacht werden könnte. Die Gruppe der Ausreisepflichtigen und Geduldeten aus Marokko, Algerien und Tunesien macht nur einen kleinen Teil der Ausreisepflichtigen und Geduldeten aus. Die 2.890 Ausreisepflichtigen aus dem Maghreb sind lediglich 5% aller Ausreisepflichtigen in Nordrhein-Westfalen . Gleiches zeigt sich bei den Herkunftsländern der Geduldeten. Lediglich 4 Prozent (1.899 von 45.436 zum Stichtag 31.08.2016) der Geduldeten stammen aus den drei nordafrikanischen Ländern. Der Großteil derer, die in Nordrhein-Westfalen geduldet werden, entstammen den sicheren Herkunftsländern des Westbalkans: Serbien 7.417 Albanien 4.551 Kosovo 4.341 Mazedonien 4.293 Bosnien und Herzegowina 1.822 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13277 2 Bei diesen fünf Herkunftsländern zeigt sich zudem, dass im Falle von Serbien 86%, dem Kosovo 86% und Mazedonien 85% ein wesentlicher Teil der Ausreisepflichtigen geduldet ist und die Duldungsquote noch über dem Landesdurchschnitt von 77% der geduldeten Ausreisepflichtigen liegt. Insgesamt machen die Staaten des Westbalkans mit mehr als 22.000 Duldungen fast die Hälfte aller Duldungsfälle in Nordrhein-Westfalen aus. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5188 mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die hohen Duldungszahlen von Ausreisepflichtigen aus den sicheren Herkunftsländern des Westbalkans? Zur Beantwortung wird auf Nr. II.2 des in Frage 2 genannten Berichts „Integriertes Rückkehrmanagement “ (Vorlage 16/4221) verwiesen. 2. Im Bericht des Innenministeriums zum „Integrierten Rückkehrmanagements NRW“ wurde erklärt: „Speziell mit Blick auf die Westbalkanstaaten geht der Gesetzgeber, wie es die zwischenzeitliche Einstufung sämtlicher dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten zeigt, nunmehr allgemein davon aus, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Diese gesetzgeberische Vermutung bezieht sich auf sämtliche Asylsuchende aus diesen Staaten einschließlich der Minderheitenangehörigen. Weiterhin haben sich die Rückführungspraxis in die Westbalkanstaaten sowie die dortige Akzeptanz von Rückführungen, insbesondere den Kosovo betreffend, verändert. Ein Beleg hierfür ist die seit Herbst 2015 bestehende Möglichkeit der Rückführung auch mittels EU Laissez Passer anstelle der jeweiligen nationalen Passersatzpapiere. Schließlich werden durch die Neufassungen der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) und der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Mindestbedingungen für die Aufnahmesituation sowie besondere Verfahrensgarantien speziell für vulnerable Personen konstituiert. Mit MIK-Erlass vom 21.06.2016 wurde daher festgehalten , dass angesichts des nunmehr bestehenden allgemeinen rechtlichen und sachlichen Handlungsrahmens durch nationale Vorgaben und europarechtliche Schutzgarantien für zusätzliche spezielle Erlassregelungen (sog. „Sensibilisierungserlasse - vgl. MIK-Erlass vom 21.09.2010 einschließlich seiner Folgeerlasse) für vulnerable Personen aus den Westbalkanstaaten kein Raum mehr ist.“ In welcher Form führte der o.g. Sensibilisierungserlass des nordrhein-westfälischen Innenministeriums dazu, dass Ausreisepflichten von Personen aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans nicht vollzogen wurden, bzw. Duldungen oder Aufenthaltsgestattungen erteilt wurden? Die in dem Erlass gegebenen Hinweise dienten ausschließlich der Sensibilisierung für die Situation besonders schutzbedürftiger Minderheitenangehöriger. Sowohl die Durchsetzung von Ausreisepflichten als auch deren Aussetzung erfolgten ausschließlich im Rahmen des geltenden Rechts und unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Ein gestatteter Aufenthalt besteht nur während eines laufenden Asylverfahrens (55 AsylG). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13277 3 3. Welche konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Gründe liegen den jeweiligen Duldungen der Personen der Westbalkan-Staaten zugrunde? Die Duldungsgründe ergeben sich aus § 60a Abs. 2ff Aufenthaltsgesetz. 4. Angesichts der aktuellen praktischen Probleme scheint es sinnvoll, die Organisationsstruktur für Rückführungen und Abschiebungen im Lande zu verändern. Was spricht aus Sicht der Landesregierung dafür oder dagegen? 5. Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um diese unvertretbare Situation zu verändern? Das Land hat sich insbesondere in den vergangenen Monaten intensiv mit einer Optimierung des Rückkehrmanagements in Nordrhein-Westfalen befasst und führt dies auch kontinuierlich fort. Hierzu wird auf den schriftlichen Bericht zur Sitzung des Innenausschusses am 08. September 2016 und zur Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik am 09. September 2016 „Integriertes Rückkehrmanagement NRW“ (Vorlagen 16/4221 und 16/4226) verwiesen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13277