LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13279 27.10.2016 Datum des Originals: 27.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5167 vom 26. September 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/13016 Nutzungskonzepte des Landes für die leerstehende Essener Einrichtung Opti-Park – Was unternimmt die Landesregierung, um eine gigantische Steuergeldverschwendung von rund 30 Mio. Euro für den Leerstand einer großen Immobilie noch zu verhindern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits seit Monaten beschäftigt die völlig unerwartete Räumung der Landeseinrichtung Opti- Park als Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge die Essener Stadtpolitik. Die Anmietung dieser Großliegenschaft ist in der Vergangenheit durch das Land erweitert worden und bietet in Kürze auf einer Gesamtmietfläche von fast 15.000 Quadratmetern die Kapazität für eine Unterbringung von rund 1.000 Personen. Wie erwartet haben sich angebliche Mängel beim Brandschutz mittlerweile nur als Vorwand herausgestellt, die Liegenschaft von Landesseite nicht länger zu nutzen. Tatsächlich sind technische Nachbesserungen durch den Vermieter längst erfolgt. Das Land hat aber seinerseits nicht die Absicht zu einer Weiternutzung des großen angemieteten Areals. Die Sachgründe für die Aufgabe des Opti-Parks sind vor Ort unverändert nicht nachvollziehbar. Die Entscheidung des Landes erweckt den Eindruck eines gigantischen neuen Falls von Steuergeldverschwendung , wenn man bedenkt, welche finanziellen Verpflichtungen das Land für die langfristige noch zehn Jahre andauernde Anmietung des Opti-Parks vertraglich übernommen hat: Die Monatsmiete pro Quadratmeter beträgt 12,65 Euro. Das ergibt nach der bald erfolgten vollständigen Übergabe der Gesamtmietfläche von 14.911 m² immerhin Mietkosten in der monatlichen Höhe von über 188.624 Euro. Zusätzlich hält das Land eine Bewachung der seit Monaten leerstehenden Liegenschaft für notwendig, die monatlich weitere 47.130,00 Euro kosten soll und offenbar dauerhaft anfällt. Selbst bei einer täglich 24-stündigen Bewachung rund um die Uhr an allen sieben Tagen in der Woche ergibt sich dabei ein Stundensatz von über 65,00 Euro. Bei der bekannten eher niedrigen Lohnzahlung selbst für gut qualifiziertes Wachpersonal kann der Opti-Park kontinuierlich von gleich mehreren Personen beaufsichtigt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13279 2 werden. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum dies bei einer dauerhaft ungenutzten Liegenschaft überhaupt notwendig erscheint und etwa beim Land allgemein üblich ist. Die Immobilie liegt nicht versteckt im Wald, sondern in der Essener Innenstadt und unterliegt daher einer automatischen Sozialkontrolle durch diverse Passanten. Eine tägliche Visite dort wäre sicherlich völlig ausreichend, wenn nicht andere vertragliche Verpflichtungen bestehen. Im Ergebnis fallen jedenfalls für Miete und vermeintlich notwendige Bewachung des Objekts monatliche Kosten von rund 235.754 Euro an. Das ergibt einen jährlichen Kostenaufwand von beträchtlichen 2,83 Mio. Euro für die völlig ungenutzte Einrichtung. Selbst wenn sich die Mietkosten während der Vertragslaufzeit nicht erhöhen, kostet eine zehnjährige Anmietung bereits 28,3 Mio. Euro. Zusammen mit den vom Land noch gar nicht bezifferbaren Kosten für den Rückbau erfolgter Umbauten dürfte der Verpflichtungsumfang dieses Mietvertrages rund 30 Mio. Euro wert sein. Einzelheiten zu dem Sachverhalt lassen sich auch LT-DS 16/12668 und LT-DS 16/12981 entnehmen. Das Land hat bislang nach eigener Mitteilung noch kein Nachnutzungskonzept für den Opti- Park und verweist als einzige konkrete Überlegung auf die Übernahmemöglichkeit der Stadt Essen. In der Stadt Essen ist allerdings der Eindruck ausgeprägt, dass es keine ernsthafte Absicht des Landes diesbezüglich gibt, da die Konditionen aus Sicht der Stadtverwaltung viel zu ungünstig sind. Ein unwirtschaftlicher Eintritt in das Mietverhältnis kommt jedoch für die größte Stärkungspaktkommune und deutschlandweit am höchsten verschuldete Stadt Essen nicht in Betracht. Umgekehrt wäre es für Land und Kommune aus gemeinsamem Interesse am verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld sinnvoll, der Stadt die Großimmobilie zu verbilligten Konditionen zu überlassen: Das Land würde so seine Aufwendungen reduzieren, und die Stadt hätte eine ideale Unterbringungslösung für 1.000 Flüchtlinge, die ihr vier bis fünf anderweitige konfliktreichere Standorte im Stadtgebiet ersparen würde. Die bisherige Entwicklung des Verhandlungsprozesses ist daher überaus ernüchternd. Der Opti-Park ist ein bislang weitgehend konfliktfreier Standort und hat den dort untergebrachten Personen durch die zentrale Lage einen einfachen Zugang zu Behörden und Einrichtungen ermöglicht. Die Stadt Essen hat nun ihrerseits die immense Herausforderung zu schultern, jeden Monat rund 260 weitere Asylbewerber aufnehmen und unterbringen zu müssen, was in etwa der Größe eines durchschnittlichen Asylheims entspricht. Die Landesentscheidung ist für die Stadt Essen ferner doppelt negativ: Durch die entfallende Anrechnung von 700 Plätzen in der leergezogenen Zentralen Unterbringungseinrichtung nimmt der Aufnahmedruck zu. Ein weiteres Problem besteht in der offenbar vom Land verfolgten, aber noch nicht offiziell kommunizierten Absicht, den Anrechnungsschlüssel für die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) des Landes an der Hammer Straße in Essen zu verändern. Dem Vernehmen nach soll der Anrechnungssatz des früheren Faktors 1,3 zukünftig mit nur noch 0,7 auf etwa die Hälfte abgesenkt werden. Dann zählen diese 800 Unterbringungsfälle auf Essener Stadtgebiet nur noch als 560 Plätze. Auch diese Entwicklung wäre unerfreulich für die Stadt Essen. Bei der Gesamtinvestition für die seitens der Stadt hergerichtete Liegenschaft sind natürlich die alten Kalkulationsparameter in die Entscheidungsfindung einbezogen worden zu einem Zeitpunkt, zu dem das Land händeringend errichtungswillige Kommunen gesucht hat. Ferner existiert die Problematik des massenhaften Zuzugs von anerkannten Asylbewerbern in die Ruhrgroßstädte. Mittlerweile leben nach Angaben der Essener Stadtverwaltung fast 8.000 Syrer allein in Essen – rund sechs Prozent aller in Nordrhein-Westfalen residierenden Syrer. Allein im ersten Halbjahr 2016 habe es einen Anstieg von über 60 Prozent gegeben. Ferner LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13279 3 haben etwa neun Prozent aller im Land lebenden Iraker und mehr als acht Prozent aller Afghanen ihren Wohnsitz in Essen. Die Entstehung großer Communities lockt immer wieder neue Zuzüge an. Für die armen Ruhrgebietsstädte bedeutet dieses Phänomen nicht nur eine immense Kostenbelastung für die in aller Regel dabei anfallenden Sozialleistungen, sondern auch zunehmende ungelöste Integrationsprobleme. Die in Kraft getretenen bundesgesetzlichen Regelungen zur Wohnsitzauflage laufen in der Praxis auch durch eine völlig unterschiedliche Handhabung in den nordrhein-westfälischen Kommunen derzeit oft noch ins Leere und können ganz leicht umgangen werden. So führt ein großzügiger Umgang mit dem Aufenthaltsrecht in den Kommunen, die vor Ort nicht mit dem dauerhaften Verbleib von Flüchtlingen rechnen müssen, und deshalb öfter die Härtefallregelung anwenden, dazu, dass eine Aufenthaltserlaubnis mit der Residenzpflicht für Nordrhein-Westfalen ausgesprochen wird. Damit wird aber nach der Erstanmeldung ein Umzug in eine andere Kommune innerhalb desselben Bundeslandes möglich, die aufgrund vorhandener Bewohnerzahlen von hoher Attraktivität für den weiteren Zuzug von bestimmten Nationalitäten ist. In der Stadt Essen werden die praktischen Herausforderungen des Flüchtlingszuzugs noch für längere Zeit auf der politischen Agenda bleiben. Fraglich ist vor Ort, wie sich das Land hierbei unterstützend einbringt. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5167 mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Im Jahr 2015 hat Nordrhein-Westfalen rund 330.000 Flüchtlinge zumindest kurzfristig unterbringen müssen. Um die Aufnahme und die Unterbringung sicherzustellen, wurden die Kapazitäten durch das Land mit Unterstützung der Kommunen innerhalb weniger Monate von rund 14.000 Plätzen im Juli 2015 auf rund 85.000 Plätze im Dezember 2015 aufgestockt. In einer extremen Situation, die dem außerordentlichen Flüchtlingszustrom geschuldet war, mussten teilweise innerhalb von wenigen Tagen oder sogar Stunden neue Unterbringungskapazitäten geschaffen werden. Die längerfristige Anmietung der Landeseinrichtung „Opti-Park“ im Herbst 2015 erfolgte vor dem Hintergrund dieser immensen Herausforderung. Aufgrund der nunmehr veränderteren politischen Rahmenbedingungen, die zu deutlich niedrigeren Zugangszahlen geführt haben, sowie aufgrund systemischer Veränderungen in den Prozessabläufen der zuständigen Behörden, befindet sich das Aufnahmesystem aktuell in einer Phase der Überplanung. Ziel der Landesregierung ist ein regional ausgewogenes und wirtschaftliches System, das sich flexibel auf Veränderungen einstellen kann. Die erforderlichen Unterbringungsplätze sollen zukünftig überwiegend in Regeleinrichtungen bereitgestellt werden. Die noch vorhandenen Plätze in Notunterkünften sollen so schnell wie möglich abgebaut beziehungsweise - sofern erforderlich - in Plätze in Regeleinrichtungen mit einheitlichen Unterbringungsstandards überführt werden. Bestehende Einrichtungen werden fortlaufend überprüft. Auf Grundlage des aktuellen Planungserlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 17. Juni 2016 werden die derzeit landesweit rund 60.000 Plätze in den zurzeit betriebenen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13279 4 105 Landesunterbringungseinrichtungen auf insgesamt 50.000 Plätze reduziert. Davon werden rund 35.000 Plätze aktiv betrieben und rund 10.000 weitere Plätze lediglich Stand-By vorgehalten . Für die übrigen 5.000 Plätze sollen Reserveflächen vorbereitet werden, um auf Veränderungen bei den Flüchtlingszahlen schnell und flexibel reagieren zu können. Eine hinsichtlich der Flüchtlingszugänge deutlich beruhigte Situation bietet jetzt die Möglichkeit , ausreichende Unterbringungskapazitäten mit einheitlichen Unterbringungsstandards zu etablieren und den Abbau kosten- und sanierungsintensiver Einrichtungen voranzubringen. Es wird eine gleichmäßige Verteilung der Kapazitäten auf die einzelnen Regierungsbezirke unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit angestrebt. 1. Welche konkreten Angebote hat das Land der Stadt Essen zur ggf. auch teilweisen oder befristeten Übernahme von Unterbringungskapazitäten im Opti-Park unterbreitet , die die Kommune sämtlich als nicht tragbar, da „unwirtschaftlich“ zurückgewiesen hat? (bitte präzise Darstellung der von Landesseite angebotenen Varianten mit alternativer Nutzungsdauer, Umfang, Kostenregelungen und Auflagen etc.) Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage 5047 (LT-Drs. 16/12981) berichtet, wurde der Stadt Essen die Zentrale Unterbringungseinrichtung Opti-Park zu denselben Konditionen angeboten zu denen auch die Anmietung durch das Land erfolgt ist. Da die Stadt Essen daraufhin signalisiert hat, dass eine Anmietung nur unter für sie vorteilhafteren Konditionen in Frage käme, hatte die Bezirksregierung Düsseldorf die Stadt Essen gebeten, hierzu einen Vorschlag abzugeben. Ein konkreter und prüffähiger Vorschlag durch die Stadt Essen wurde jedoch nicht vorgelegt. Die Stadt Essen ist, ohne eine weitere Beteiligung der Landesregierung , auch unmittelbar an den Vermieter der Immobilie herangetreten. Informationen zu dem Ergebnis dieser Verhandlungen liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Welche alternativen wirtschaftlichen Nachnutzungen des Opti-Parks strebt das Land nun, bitte unter Angabe der jeweiligen Ersparnisse im Vergleich zum vertraglich bereits bestehenden Mietkostenvolumen, für die nächsten zehn Jahre an, um die vereinbarten Millionenaufwendungen an Steuergeld nicht ungenutzt verfallen zu lassen? Das Land strebt eine zügige Klärung der Frage einer Nach- bzw. Weiternutzung des Opti- Parks an. 3. Namentlich welche anderen ungenutzten Leerstandsimmobilien lässt das Land, bitte unter Angabe der jeweiligen Gründe, ebenso in ganz Nordrhein-Westfalen dauerhaft bewachen wie den Essener Opti-Park? Es erfolgt gegenwärtig nur eine dauerhafte Leerstandsbewachung der Landeseinrichtung Opti-Park. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13279 5 4. Wie wird sich der Anrechnungssatz für die Essener Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) des Landes, bitte unter Angabe der Sachgründe für die landesseitigen Veränderungen , bei der kommunalen Aufnahmeverpflichtung konkret entwickeln? Bei Gemeinden, auf deren Gebiet eine Aufnahmeeinrichtung des Landes betrieben wird, erfolgt die Anrechnung gemäß § 3 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes NRW. Ob und in welchem Umfang einzelne Landeseinrichtungen von einer Veränderung der Anrechnungsregeln des Flüchtlingsaufnahmegesetzes betroffen sind, bleibt dem Ergebnis des jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vorbehalten. 5. Ist die Befürchtung der Essener Stadtverwaltung zutreffend, die Residenzpflicht des Landes würde in ihren konkreten Ausgestaltungen nicht den weit überproportionalen Zustrom der erwähnten Migrantengruppen und die damit einhergehenden besonderen Integrationsherausforderungen und Kosten vor Ort in der Stadt Essen reduzieren? Die Landesregierung geht davon aus, dass das durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 eingeführte Instrument der Wohnsitzregelung dazu beitragen wird, die besonderen integrationspolitischen Belastungen der Stadt Essen zu reduzieren. Zum einen dürfte die neu eingeführte Regelung des § 12 a Abs. 1 AufenthG dazu führen, dass sich der Zuzug aus den anderen Bundesländern nach NRW insgesamt reduziert. Zum anderen plant die Landesregierung, mit der Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV) Näheres zur landesinternen Wohnsitzzuweisung zu regeln und die bestehenden Belastungen der Integrationsinfrastruktur zu berücksichtigen , was voraussichtlich eine Entlastung für die Stadt Essen zur Folge haben wird. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13279