LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13280 27.10.2016 Datum des Originals: 25.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5158 vom 23. September 2016 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/12999 Immer wieder werden Retter Opfer von Gewalt und Angriffen! – Was unternimmt die Landesregierung NRW um unsere Rettungskräfte vor Übergriffen zu schützen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Rettungskräfte in NRW schildern verstärkt, dass sie bei Einsätzen unvermittelt angegriffen oder massiv beleidigt werden. So berichtet unter anderem am 20. September 2016 die Rheinische Post (http://www.rp-online.de/nrw/panorama/nach-angriffen-sanitaeter-mit-polizeischutzin -problemviertel-aid-1.6273897) über einen Vorfall in Gelsenkirchen, bei dem Sanitäter zuerst bestohlen werden sollten, dies auffiel und dann während des Einsatzes verprügelt wurden. Weiter wird berichtet, dass entsprechende Zahlen zu Übergriffen seit 2011 stetig steigen. Darum fordert der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst: „In Problemviertel, von denen man weiß, dass es dort zu Übergriffen kommen kann, sollten die Rettungswagen mit Streifenwagen -Begleitung fahren, damit sie geschützt sind.“ Weiter wird gesagt, dass die Fälle von der Staatsanwaltschaft auch verfolgt werden sollen, denn „[d]as ist nämlich leider sehr oft nicht so. Stattdessen hören wir immer wieder von betroffenen Kollegen, dass die Verfahren eingestellt werden. Das ist deprimierend und der eigentliche Skandal", betont König (Verbandvorsitzender ). Vorfälle, in denen diejenigen zur Zielscheibe werden, die eigentlich ausrücken, um Leben zu retten, sind in keinster Weise zu tolerieren. Besonders erschwerend kommt hinzu, dass die Retter in der Regel während ihrer Hilfeleistung selbst völlig schutzlos sind. Jeder einzelne Übergriff muss daher ernst genommen und Täter konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5158 mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Justizminister beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13280 2 Vorbemerkung der Landesregierung Für die Landesregierung hat der Schutz der Rettungskräfte hohe Priorität. Es zeigt sich hierbei, dass das Thema Aggression und Gewalt gegen Einsatzkräfte sehr vielschichtig ist und keine einseitigen und vor allem keine einfachen Erklärungen zulässt. Daher bedarf es einer genauen Betrachtung und sorgfältigen Analyse der unterschiedlichen Einsatzsituationen, in denen Rettungskräfte Aggression oder Gewalt erfahren, um hieraus gezielt Handlungsempfehlungen herzuleiten bzw. vorhandene anzupassen. 1. Wie viele Rettungskräfte wurden seit 2015 bis heute während Einsätzen Opfer von Straftaten? (Bitte unterscheiden nach Delikten wie Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Diebstahl aus Dienstwagen, usw.) Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Regeln erstellt. Die PKS unterscheidet zwischen Geschädigten und Opfern. Opfer i. S. der PKS sind Personen, gegen die sich eine mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar richtete. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit, etc.). Zu Geschädigten gibt die PKS derzeit keine Auskunft. Bei Eigentums- und Vermögensdelikten werden in der PKS keine Angaben zum Opfer erhoben . Deshalb können aus der PKS beispielsweise zu Diebstählen aus Dienstkraftwagen keine Daten abgeleitet werden. Die PKS dient insbesondere der Beobachtung der Kriminalität und einzelner Deliktarten, des Umfangs und der Zusammensetzung des Tatverdächtigenkreises, der Veränderung von Kriminalitätsquotienten sowie zur Erlangung von Erkenntnissen zur präventiven und repressiven Kriminalitätskontrolle sowie für kriminologisch-soziologische Forschungen und kriminalpolitische Maßnahmen. Daher sind Datenintegrität und Datenvalidität für die veröffentlichte PKS von besonderer Bedeutung. Da die PKS-Daten „unterjährig“, z. B. auf Grund fortschreitender oder veränderter Ergebnisse einzelner Ermittlungsverfahren, noch vielfältigen Nacherfassungen und Korrekturen unterliegen , können erst mit dem statistischen Jahresabschluss zum Ablauf des Kalenderjahres sämtliche in der PKS erfassten Datensätze abschließend geprüft und gesichert werden. Halbjahresstatistiken sind insoweit nur bedingt valide. Die Tabelle in Anlage 1 bildet - mit den genannten statistischen Vorbehalten - die Anzahl der Rettungskräfte ab, die im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 Opfer einer in der PKS erfassten Straftat wurden, unterscheidet jedoch nicht, ob das jeweilige Delikt vollendet wurde oder ob es sich um einen Versuch handelt. 2. Wie viele der Fälle aus Frage 1 wurden durch die Staatsanwaltschaft angeklagt, vor Gericht verhandelt und führten zu einer Verurteilung bzw. wurden eingestellt? (Aufschlüsselung entsprechend der Antwort auf Frage 1.) Hierzu liegen der Landesregierung keine validen Daten vor. Eine ent-sprechende Statistik gibt es nicht. Eine Sondererhebung, die von Hand vorzunehmen wäre, ist in der Kürze der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13280 3 3. Welche Handlungskonzepte verfolgt die Landesregierung, um Übergriffe auf und Straftaten zum Nachteil von Rettungskräften zu verhindern? Wie die Justizministerinnen und Justizminister auf ihrer Frühjahrskonferenz 2016 einstimmig betont haben, muss solchen Übergriffen zum Schutz der Allgemeinheit und der einzelnen Betroffenen auch mit den Mitteln des Strafrechts entschieden entgegengetreten werden. Aggression und Gewalt sind ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, welches (auch zur Gänze) in eben diesem Kontext betrachtet werden muss. Hiervon ist das berufliche Umfeld – und somit auch der Rettungsdienst – nicht ausgenommen. Ursachen von und Bedingungen für aggressives oder gewalttätiges Verhalten zu erkennen und zum Positiven zu verändern, ist eine Aufgabe , die nur unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen und in einem langfristigen Prozess nachhaltig erreichbar ist. Ein respektvoller Umgang miteinander ist die Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Mit der geplanten „Woche des Respekts“ vom 14. bis 18. November 2016 will die Landesregierung hierfür ein deutliches Zeichen setzen: Gegen Hass und Gewalt, für ein friedliches Zusammenleben und mehr Wertschätzung im Umgang miteinander. Die Landesregierung hat das Thema „Gewalt gegen Rettungskräfte“ bereits in der Vergangenheit im Hinblick auf präventive Maßnahmen vertieft für die Fortbildungsveranstaltungen für Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vorgesehen. Schwerpunkte werden hierbei auf die Bereiche Deeskalation, Konfliktmanagement und Selbstverteidigung gelegt. Im Sinne der Vorbemerkung erarbeitet die Landesregierung seit Anfang des Jahres mit den kommunalen Spitzenverbänden, der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, der KOMBA-Gewerkschaft und dem Verband der Feuerwehren NRW ein Konzept für ein gemeinsames Forschungsvorhaben , welches auf Basis einer umfangreichen Befragung von Einsatzkräften aus Rettungsdiensten und Feuerwehren eine wissenschaftliche Bewertung des Gewaltphänomens bringen soll. Auf Basis dieser Ergebnisse und der Bewertung sollen dann mit allen Akteuren gezielt Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Vermeidung von Gewalt gegen Einsatzkräfte erarbeitet und vereinbart werden. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Kleinen Anfragen 4777 (Drucksache 16/12317) und 4640 (Drucksache 16/11960) verwiesen. 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst, dass diese Fälle von der Staatsanwaltschaft auch verfolgt werden sollten, denn das sei „leider sehr oft nicht so“? Der Landesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen strafrechtlich relevante Übergriffe auf Rettungskräfte, denen diese während der Ausübung ihres Dienstes ausgesetzt sind, nicht mit dem gebotenen Nachdruck verfolgten . 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst, dass in bestimmten Stadtteilen Sanitäter nur noch mit Polizeischutz zum Einsatz gelangen? Der Schutz der Rettungskräfte hat für die Landesregierung hohe Priorität. Im Rahmen des Einsatzgeschehens arbeiten alle Beteiligten von Behörden und Organisationen, seien es Rettungskräfte , Einsatzkräfte der Feuerwehren oder auch der Polizei, je nach Erfordernis zusam- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13280 4 men. Der Landesregierung liegen keine Daten vor, die darauf schließen lassen, dass Rettungskräfte bestimmte Stadtteile ohne Polizeischutz grundsätzlich nicht mehr betreten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Kleine Anfrage 5158 Anlage 1 2015 1.HJ 2016 2015 1.HJ 2016 Straftaten insgesamt 228 103 184 96 Mord § 211 StGB 0 2 0 0 Sonstige Straftaten gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 4 StGB 1 0 1 0 Exhibitionistische Handlungen § 183 StGB 2 0 1 1 Sonstige Tatörtlichkeit bei gefährlicher Körperverletzung gem. § 224 StGB 15 9 14 10 Gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB auf Straßen, Wegen oder Plätzen 11 8 8 8 Vorsätzliche einfache Körperverletzung § 223 StGB 92 43 93 42 Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB 7 3 5 1 Freiheitsberaubung § 239 StGB 2 0 0 0 Nötigung im Straßenverkehr gem. § 240 Abs. 1 StGB 16 1 4 1 Sonstige Nötigung gem. § 240 Abs. 1 und 4 StGB 3 1 10 2 Bedrohung § 241 StGB 24 9 29 11 Nachstellung (Stalking) § 238 Abs. 1 StGB 0 1 1 0 Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte 19 14 9 13 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (ohne Polizeivollzugsbeamte) 4 0 3 0 Widerstand gegen gleichgestellte Personen 32 12 6 7 Straftat Feuerwehr Sonstige Rettungsdienste Land Nordrhein-Westfalen Opfer Rettungsdienste; 2015 und 1. Hj 2016 Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13280