LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13287 27.10.2016 Datum des Originals: 26.10.2016/Ausgegeben: 02.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5183 vom 27. September 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13076 Sorgen ineffiziente Verwaltungsabläufe im Landesaufnahmesystem für eine erhöhte Anzahl an Duldungen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die „Welt“ berichtet am 27. September 2016 über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Duldungspraxis der Bundesländer. Demnach hätten abgelehnte Asylbewerber in Bayern die geringsten Chancen aufgrund einer Duldung in Deutschland bleiben zu dürfen. In Bayern hatten zum Stichtag 30. Juni lediglich 9.283 Ausländer den Aufenthaltsstatus „geduldet“. In Baden-Württemberg wurden 36.058 Ausreisepflichtige geduldet, im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sogar 46.080. Die vorliegenden Zahlen würden daher zeigen, dass viele Länder auch große Probleme damit haben, abgelehnte Asylbewerber und andere Ausreisepflichtige überhaupt erst einmal als „vollziehbar Ausreisepflichtige“ zu kategorisieren – erst dann kann ja eine Abschiebung konkret vorbereitet werden. Der bayrische Innenminister erklärt die wenigen Duldungen in seinem Bundesland mit dem Versuch, „die Verwaltungsabläufe so effizient wie möglich zu gestalten“. Bayern lässt in den sogenannten besonderen Aufnahmeeinrichtungen in Bamberg und Manching das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das zuständige Verwaltungsgericht und die Ausländerbehörde an einem Ort Entscheidungen treffen und zentral die Rückführungsmaßnahmen organisieren. Dies erspare unnötigen Schriftwechsel und Reisebewegungen. Dort werden auch die fehlenden Pass- oder Passersatzpapiere erstellt, sofort nachdem BAMF und Verwaltungsgericht entschieden haben. Das funktioniert besser, als wenn jede Kreisverwaltungsbehörde sich selbst um die einzelnen Fälle kümmern müsse. In allen Bundesländern führen „fehlende Reisedokumente“ am häufigsten zur Duldung. Bei 22 Prozent der bundesweit 168.212 Geduldeten war dies laut Antwort der Bundesregierung ausschlaggebender Grund. Auch dieses Problem hat Bayern offenbar besser im Griff als die übrigen Länder, während es hier nur 5201 Duldungen aus diesem Grund gab, waren es im benachbarten Baden-Württemberg 28.920 Fälle. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13287 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5183 mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. In wie vielen Fällen sind aktuell Ausreisepflichtige in Nordrhein-Westfalen wegen fehlender Reisedokumente geduldet? Zum Stichtag 31.08.2016 waren laut Ausländerzentralregister (AZR) in NRW 58.854 Personen ausreisepflichtig, davon wurden 45.436 Personen geduldet. Der alleinige Duldungsgrund „fehlende Reisedokumente“ lag lt. AZR bei 10.436 Personen vor. 2. Aus welchen Herkunftsländern stammen die wegen fehlender Reisedokumente Geduldeten (bitte unter Angabe von Anzahl und Herkunftsland)? Der Duldungsgrund „fehlende Reisedokumente“ kommt bei fast allen im AZR für NRW erfassten - über 200 - Staatsangehörigkeiten vor. 3. Wie bewertet es die Landesregierung, dass die Anzahl der Geduldeten wegen fehlender Reisedokumente in Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern sehr viel höher ist als die Anzahl der Geduldeten in Bayern? Die Anzahl der Duldungen wegen fehlender Reisedokumente ist insbesondere abhängig von der Anzahl in NRW lebender Ausländer, den Zugangszahlen und den Herkunftsländern aus denen die Zugänge erfolgen. Das Fehlen der erforderlichen Reisedokumente hat eine oft schwierige und langwierige Identitätsklärung und Beschaffung von Passersatzpapieren in jedem Einzelfall zur Folge. Letztlich hängt die Anzahl der wegen fehlender Reisedokumente Geduldeten auch entscheidend von der Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten bei der Durchführung von Passersatzpapierverfahren und der Bereitschaft der Herkunftsstaaten zur Rücknahme ihrer eigenen Staatsangehörigen ab. 4. Sieht die Landesregierung eigene Versäumnisse im System der Landesaufnahmeeinrichtungen , die eine hohe Anzahl an Geduldeten wegen fehlender Reisedokumente verursacht? Nein. Vielmehr führt die Landesregierung im Rahmen des zwischen Bund und Ländern am 18.06.2015 vereinbarten Aktionsplans zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren im Bereich der Landesaufnahmeeinrichtungen Asylsuchende aus den Westbalkanstaaten (Albanien , Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Kosovo und Serbien) und Folgeantragsteller aus diesen Staaten sowie Asylsuchende aus Georgien, vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, einem Beschleunigungsverfahren zu. Diese Personen werden den Kommunen also nicht mehr zugewiesen. Die Bearbeitung des einhergehenden Reisedokumentenwesens und der Vollzug von Ausreisepflichten obliegen hier den vom Land finanzierten Zentralen Ausländerbehörden. Seit der Umsetzung des Aktionsplans seit dem 30.09.2015 wurden bis Anfang Oktober 2016 rund 4.600 Asylsuchende dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Aktenanlage und Antragsstellung zugeführt. In rund 3.700 Fällen haben die beteiligten Bundesamtsaußenstellen eine ablehnende Entscheidung zum Antrag fällen können. Bislang sind bereits LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13287 3 2.441 Personen im Rahmen der Aktionsplanumsetzung aus den Landesaufnahmeeinrichtungen freiwillig ausgereist. Dem stehen aktuell 261 Abschiebungen gegenüber. Mithin sind derzeit bereits 74 % der Menschen ohne Bleibeperspektive im Rahmen des Aktionsplans in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Das Aktionsplanverfahren soll weiter ausgebaut und verstetigt werden. Hierzu verweise ich auf meine Antwort zur Kleinen Anfrage 5142, LT-Drs. 16/12953. Hinsichtlich einer weiteren qualitativen Ausweitung von beschleunigten Verfahren sind allerdings zwei Voraussetzungen entscheidend: Zum einen muss das hierfür zuständige BAMF sicherstellen können, dass es auch insoweit in der Praxis beschleunigte Asylentscheidungen treffen kann. Zum anderen müssen effektive Abschiebungsmöglichkeiten in das jeweilige Herkunftsland bzw. den Zielstaat gegeben sein. Denn die Wohnverpflichtung und damit der Verbleib von Asylsuchenden in Landesaufnahmeeinrichtungen richten sich nach dem Asylgesetz. Nach § 47 Absatz 1 Asylgesetz sind Asylsuchende bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet. Abweichend davon sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 47 Absatz 1a Asylgesetz verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und insbesondere im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine wichtige Einschränkung macht aber § 49 Absatz 1 Asylgesetz, wonach die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden ist, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Dies ist insbesondere für Asylsuchende von praktischer Bedeutung, deren Rückführung aufgrund fehlender Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten gerade auch im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung oder im Bereich der Flugabschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Das Land unterstützt die für den Vollzug der Ausreisepflichten im Übrigen zuständigen kommunalen Ausländerbehörden insbesondere im Bereich der Identitätsklärung und der Beschaffung von Passersatzpapieren durch die Zentralen Ausländerbehörden. Nordrhein-Westfalen hat zu diesem Zweck die Passersatzpapierbeschaffung bei den drei Zentralen Ausländerbehörden zentralisiert. Im Bereich der Identitätsklärung bieten die Zentralen Ausländerbehörden an, durch Einsicht in die Ausländerakten und unter Nutzung aller gegebenen Möglichkeiten (u.a. Personenfeststellungsverfahren) den örtlichen Ausländerbehörden bei der Klärung der Identität und Herkunft ausreisepflichtiger Ausländer behilflich zu sein. Den Ausländerbehörden wurde kürzlich nochmals empfohlen, hiervon verstärkt Gebrauch zu machen. Weiterhin wird sich das Land aktiv an der neuen Organisationseinheit Passersatzpapierbeschaffung bei der Bundespolizei beteiligen. Hierzu verweise ich auf meinen schriftlichen Bericht zur Sitzung des Innenausschusses am 08. September 2016 und zur Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik am 09. September 2016 „Integriertes Rückkehrmanagement NRW“. Letztlich ist der Bund gerade mit Blick auf den kritischen Bereich der Passersatzpapierbeschaffung gefordert, im Verhandlungsweg eine nachhaltige Verbesserung der Prozesse mit den auswärtigen Staaten zu erreichen, mit denen sich diese schwierig gestalten. Eine Verbesserung der Rückführungssituation würde insbesondere auch die nordrhein-westfälischen Ausländerbehörden unmittelbar entlasten, die aufgrund der praktischen Hemmnisse insoweit keine effektiven Vollzugsmöglichkeiten besitzen und die entsprechenden Fälle daher auf unbestimmte Zeit fortführen müssen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13287 4 5. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um mit effizienten Verwaltungsabläufen die Zahl der Geduldeten wegen fehlender Reiseunterlagen zu reduzieren ? Das Land hat sich insbesondere in den vergangenen Monaten intensiv mit einer Optimierung des gesamten Integrierten Rückkehrmanagements in Nordrhein-Westfalen befasst und führt dies kontinuierlich fort. Hierzu verweise ich auf meinen schriftlichen Bericht zur Sitzung des Innenausschusses am 08. September 2016 und zur Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik am 09. September 2016 „Integriertes Rückkehrmanagement NRW“. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13287