LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13345 03.11.2016 Datum des Originals: 03.11.2016/Ausgegeben: 08.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5224 vom 5. Oktober 2016 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/13140 Bergbaubedingte Erdstöße im Rheinischen Braunkohlenrevier Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aus Anlass des jüngsten bergbaubedingten Erdstoßes in Elsdorf am Braunkohlentagebau Hambach und vor dem Hintergrund des stärkeren bergbaubedingten Erdstoßes in Bergheim im Dezember 2015 zwischen den ehemaligen Braunkohlentagebauen Fortuna und Bergheim haben interessierte fachkundige Bürger das Thema aufgearbeitet. In Zusammenarbeit mit ihnen stelle ich diese Anfrage. Bergbaubedingte Erdstöße im Rheinischen Braunkohlenrevier, aber ganz besonders in Bergheim am Randes des in den 80er Jahren sehr stadtnah aufgeschlossenen Braunkohlentagebaues Bergheim hat es seit über 35 Jahren schon immer gegeben und das in einer starken Häufigkeit und Intensität. Alte Bergheimer berichten, es habe damals an manchen Tagen mehrmals am Tage spürbar für alle "gerummst". Trotzdem ist in den offiziellen Erdstoßlisten davon nichts registriert. Selbst der von der Bez.-Reg. Köln in der Antwort auf eine Anfrage von DIE LINKE zitierte Erdstoß vom 14.04.1986 ist bei der Bensberger Erdbebenwarte nicht gelistet. Der RWE-Erdstoß aus Dez. 2015 dagegen schon. Der Geologische Dienst (GD) spricht beim Thema Erdbeben immer wieder nur von einer erhöhten natürlichen Erdstoßgefahr. Am Beispiel Bergheim ist jedoch zu erkennen, dass es extrem selten natürliche Beben gibt. Dagegen traten und treten bergbaubedingte Erdstöße sehr häufig und offensichtlich im Zusammenhang mit dem langsam ansteigenden Grundwasser zunehmend auf. Die Erdbebenwarte Bensberg und der GD erhalten regelmäßige Aufträge von RWE Power/Rheinbraun. So hat die Erdbebenwarte Bensberg z. B. für die Ortslage Jüchen- Hochneukirch einen Auftrag zur Erfassung von sog. "Mikrobeben" erhalten. Die Ergebnisse dazu werden aber nicht öffentlich gemacht. So wurde vor einigen Jahren konkret nachgefragt, aber mit Hinweis auf die Beauftragung durch RWE Power keine Informationen von der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13345 2 Erdbenwarte Bensberg erhalten. Kann die Erdbebenwarte bei solchen wirtschaftlichen Verknüpfungen noch unabhängig sein? Wie weit geht die Zusammenarbeit zwischen RWE Power und Landesdienst grundsätzlich und wer kontrolliert diese? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 5224 mit Schreiben vom 3. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Niederrheinische Bucht gehört nach Aussage des Geologischen Dienstes des Landes Nordrhein-Westfalen (GD NRW) zu den Gebieten Mitteleuropas mit der höchsten Gefährdung durch natürliche („tektonische“) Erdbeben. Diese Aussage wird an der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Erdbeben mit festgelegten Stärken festgemacht. Ereignisse, die schwere Gebäudeschäden – teilweise mit Toten und Verletzten – verursachten, sind in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten. Im Mittel werden in der gesamten Niederrheinischen Bucht zwei bis drei Ereignisse pro Woche unterhalb der Fühlbarkeitsschwelle registriert. Insofern ist die nachfolgend wiedergegebene Darstellung in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage nicht zutreffend: „Am Beispiel Bergheim ist jedoch zu erkennen, dass es extrem selten natürliche Beben gibt. Dagegen traten und treten bergbaubedingte Erdstöße sehr häufig und offensichtlich im Zusammenhang mit dem langsam ansteigenden Grundwasser zunehmend auf“. Das Gegenteil ist der Fall. So wurden an der Erdbebenwarte Bensberg z. B. in 2015 insgesamt 26 Ereignisse im Rheinischen Braunkohlenrevier registriert, wovon 21 natürlich (tektonisch) und fünf bergbaulich bedingt waren. In 2014 wurden 13 Ereignisse registriert, davon waren zwei bergbaulich bedingt. Von 25 registrierten Ereignisse im Jahr 2013 waren drei bergbaulich bedingt. Entsprechend stellen sich die Vorjahre dar. Die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage mit Bezug auf den Zeitraum der 1980er Jahre wiedergegebene Wahrnehmung, „dass es damals an manchen Tagen mehrfach am Tage spürbar für alle "gerummst" hat“, kann anhand von Messungen nicht nachvollzogen werden. 1. Warum ist der bergbaubedingte Erdstoß vom 14.04.1986 in den Erdbebenlisten der Erdbebenwarte Bensberg nicht aufgeführt? Wie auf der Webseite der Erdbebenstation Bensberg ausgeführt (http://www.seismo.unikoeln .de/catalog/index.htm), handelt es sich bei diesem veröffentlichten Katalog für die Jahre 1975 bis 2002 um den Katalog, der in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Seismological Research Letters" (SRL, Vol. 75, No. 6, 2004) publiziert wurde. Darin sind induzierte Beben aus dem Rheinischen Braunkohlenrevier nur enthalten, wenn sie mit den eigenen Messstationen der Erdbebenstation Bensberg gemessen werden. Erdstöße, die an anderen, im Auftrag von Dritten betriebenen Stationen registriert und ausgewertet werden, werden in dem vg. Katalog nicht veröffentlicht. 2. Bitte listen Sie auf, welche bergbaubedingten Erdstöße, die infolge der Grundwasserstandsänderungen von Rheinbraun/RWE Power ausgelöst wurden, ebenso nicht registriert bzw. nicht öffentlich zugänglich sind! Eine Auflistung solcher Erdstöße, die nicht registriert wurden, liegt der Landesregierung nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13345 3 Die Bergbehörde hat in den Zulassungen der Rahmenbetriebspläne für die Braunkohlentagebaue über Nebenbestimmungen festgelegt, dass die durch den Braunkohlenbergbau induzierten seismischen Auswirkungen auf die Erdoberfläche (Erdstöße) ständig durch geeignete Verfahren von einer fachkundigen Stelle zu messen und auszuwerten sind. Die Erdbebenstation Bensberg der Universität zu Köln betreibt im Auftrag der RWE Power AG ein separates seismisches Überwachungsnetz mit 11 Stationen im Umfeld der Tagebaue. Diese werden zentral von der Erdbebenwarte Bensberg der Universität zu Köln betreut, kontinuierlich überwacht und ausgewertet. Alle registrierten seismischen Ereignisse im Rheinischen Braunkohlenrevier werden in Jahresberichten zusammengefasst und an die RWE Power AG gegeben und von dort der Bergbehörde vorgelegt. Die RWE Power AG hat sich dem Wirtschaftsministerium gegenüber bereit erklärt, dass auch die an ihren seismischen Stationen registrierten Erdstöße auf der Homepage der Erdbebenwarte Bensberg veröffentlicht werden. Der GD NRW wertet alle an den Stationen des Landeserdbebendienstes registrierten Erdbeben aus und führt entsprechende Ereignislisten. Bei spürbaren Ereignissen, die auf der Homepage des GD NRW auch veröffentlicht werden, prüft er, welche Ursachen für das Ereignis in Betracht kommen und macht dazu entsprechende Angaben. Weiterhin ergänzt der Landeserdbebendienst diese Ereignislisten durch Ergebnisse aus Berichten und Veröffentlichungen der Fachliteratur. Diese Informationen sind frei verfügbar und werden Interessierten auf Anfrage zur Verfügung gestellt. 3. Warum beschäftigt sich der GD nicht schwerpunktmäßig mit bergbaubedingten Erdstößen und veröffentlicht dazu keine Informationen? Der GD NRW ist im Auftrag der Landesregierung gemäß seiner Betriebssatzung dazu verpflichtet, im Rahmen der Daseins- und Risikovorsorge den Landeserdbebendienst zu betreiben, um mit seinem Stationsnetz die Erdbebenüberwachung in Nordrhein-Westfalen durchzuführen, eine Bewertung des Erdbebenrisikos vorzunehmen und ein landesweites Erdbebenalarmsystem zu betreiben. Hierbei liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der Erfassung der tektonischen (natürlichen) Beben. Daher ist sein Stationsnetz primär auf die Erfassung tektonischer Erdbeben ausgelegt und für diese Aufgabe optimiert. Spürbare bergbauinduzierte Ereignisse werden jedoch mit dieser Ausstattung ebenfalls erfasst. Eine Vollständigkeit für kleinere Ereignisse kann und muss von Seiten des GD nicht gewährleistet werden. Dies wird aufgrund von Nebenbestimmungen zu bergbehördlich erteilten Betriebsplanzulassungen im Auftrag des Bergbautreibenden durch die Erdbebenwarte Bensberg sichergestellt. Eine Veröffentlichung der tektonischen Ereignisse und der spürbaren bergbauinduzierten Ereignisse erfolgt auf den Internetseiten des GD NRW. 4. Welche Untersuchungen zu bergbaubedingten Mikrobeben werden von wem durchgeführt und wo veröffentlicht? Zur Beantwortung wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen. Alle Ereignisse werden der zuständigen Bergbehörde im Rahmen der Jahresberichte mitgeteilt. Bergbaubedingte Erdstöße ab ML > 1,5 werden der Bergbehörde sofort gemeldet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13345 4 Die heutige kontinuierliche und hochsensible Überwachung stellt für das Rheinische Revier sicher, dass die bergbaulich induzierte Seismizität flächendeckend und durchgängig beobachtet und dokumentiert wird. 5. Wie viele Bürger haben bisher Schäden durch Erdstöße gemeldet? Nach Auskunft der für die Regulierung von Bergschäden zuständigen RWE Power AG werde dort eine differenzierte Statistik über die auf Erdbeben zurückzuführenden Schadensmeldungen nicht geführt. Bei der Bergbehörde sind bisher keine auf Erdstöße zurückgeführten Schadensmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern eingegangen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13345