LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13350 03.11.2016 Datum des Originals: 03.11.2016/Ausgegeben: 08.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5159 vom 23. September 2016 der Abgeordneten Dirk Wedel und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/13000 Inwieweit weicht der Finanzminister von der schematischen Regionalisierung der Steuerschätzung ab? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Dem Arbeitskreis Steuerschätzungen beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) gehören neben dem federführenden BMF das Bundesministerium der Wirtschaft und Energie, fünf Wirtschaftsforschungsinstitute , das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Länderfinanzministerien und die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände an. Die Zusammensetzung sichert die Unabhängigkeit des Gremiums. Die entsandten Vertreter der Institutionen gehören der Arbeitsebene an. Der Vorsitz obliegt dem zuständigen Referatsleiter im BMF. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hat einen Unterausschuss Regionalisierung, dem das BMF und die Ländervertreter im Arbeitskreis angehören. Unter Regionalisierung wird die Aufteilung des vom Arbeitskreis geschätzten Steueraufkommens auf die einzelnen Länder verstanden . Der Unterausschuss behandelt Probleme und trifft Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Regionalisierung der Arbeitskreisergebnisse für die Steuereinnahmen der Länder . Der Finanzminister ist der Ansicht, die Daten aus der schematischen Regionalisierung der bundesweiten Steuerschätzung durch Baden-Württemberg gehörten zu einem arkanen Bereich der Regierungsarbeit, weil sie nach groben Kriterien erfolgt und den Ländern als Orientierungshilfe für ihre Haushaltsplanung dient (Vorlage 16/4010). Damit verkennt der Finanzminister die Letztverantwortung des Haushaltsgesetzgebers und die Reichweite des parlamentarischen Budgetinformationsanspruchs. Mit der Feststellung des Haushaltsplans schafft der Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für finanzwirksames Staatshandeln und übt zugleich parlamentarische Regierungskontrolle aus. Damit er diese Funktionen sachgerecht erfüllen kann, dürfen ihm grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine sachverständige Beurteilung des Haus- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13350 2 haltsplanentwurfs ermöglichen. Durch die Anerkennung einer umfassenden Informationspflicht der Regierung sollen der Landtag – mithin auch die Fraktionen und einzelne Abgeordnete – in die Lage versetzt werden, den Entwurf des Haushaltsplans und die hierzu geschäftsordnungsmäßig eingebrachten Änderungsanträge sachgerecht zu bewerten und eigene Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel zu entwickeln (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23.04.2008, Vf. 87-I-06, Rdnr. 145 bei juris). Die in den Entwurf des Haushaltsplans eingestellten Budgetansätze sowie die hierzu vorgelegten Begründungen müssen dem Landtag die Beurteilung ermöglichen, ob alle staatlichen Finanzmittel auf der Einnahmen- und Ausgabenseite richtig und vollständig erfasst wurden (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23.04.2008, Vf. 87-I-06, Rdnr. 147 bei juris). Das Frage- und Informationsrecht erstreckt sich auch auf die Finanzplanung. Die Finanzplanung dient der auf jeweils ein Jahr angelegten Haushaltsplanung und -gesetzgebung, indem sie diese in einen mittelfristigen Zeitrahmen stellt und Konsequenzen aus dem jeweils laufenden Haushaltsvollzug zieht; aus diesem Grund ist sie untrennbar mit der Haushaltsgesetzgebung verbunden (Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.12.2015, VerfGH 12/14, Rdnr. 107). Für den Haushaltsgesetzgeber ist die Höhe etwaiger Abweichungen der Steueransätze des Haushaltsplanentwurfs und der Finanzplanung von der schematischen Regionalisierung sowie die seitens der Landesregierung dafür angeführten Gründe von besonderer Bedeutung für die Nachvollziehbarkeit der Steueransätze und damit des Haushaltsausgleichs i.S.d. Art. 81 Absatz 2 Satz 3 der Landesverfassung sowie die Beurteilung etwaiger haushaltspolitischer Spielräume bzw. weitergehender Konsolidierungserfordernisse im Finanzplanungszeitraum. Die Berufung des Finanzministers auf eine Verständigung der Länder, dass es sich bei der schematischen Regionalisierung um eine interne Arbeitsgrundlage handelt, ist ohne Weiteres nicht geeignet, eine Antwortverweigerung der Landesregierung auf entsprechende parlamentarische Anfragen zu begründen, soweit die Zahlen für das Land Nordrhein-Westfalen in Rede stehen. Verschwiegenheitsabreden zwischen Vertretern der Exekutive in einem Koordinierungsgremium sind nicht geeignet, die Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu begrenzen (Information 16/297, Seite 18). Eine Antwortverweigerung käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Abrede im Einzelfall dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen wäre. Bei abgeschlossenen Vorgängen kann demgegenüber die auf den konkreten Sachverhalt bezogene Funktionsfähigkeit der Regierung regelmäßig nicht beeinträchtigt werden (Information 16/297, Seite 16), d.h. im vorliegenden Fall jedenfalls seit Vorlage des Entwurfs des Haushaltsgesetzes mit dem Entwurf des Haushaltsplans gemäß § 30 Satz 1 LHO bzw. der Übersendung des Finanzplans gemäß § 31 LHO. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5159 mit Schreiben vom 3. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Wie den Fragestellern bereits mehrfach erläutert wurde (vgl. LT-Drs. 16/9647 und Vorlage 16/4010), dient die Schematische Regionalisierung der bundesweiten Steuereinnahmen den Ländern als eine interne Arbeitsunterlage, die dem arkanen Bereich der Regierungsarbeit zuzurechnen ist. Die Landesregierung war und ist bereit, im Rahmen der Haushaltsberatungen zu den Zahlen Stellung zu nehmen und verkennt – entgegen der Unterstellung der Fragesteller – nicht die Verantwortung und den Informationsanspruch des Parlaments als Gesetzgeber. Es LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13350 3 bleibt allerdings dabei, dass die Ergebnisse lediglich eine grobe Orientierungsgröße für die Haushaltsplanung der Landesregierung darstellen und eine Anpassung der Schätzwerte aus verschiedenen Gründen erforderlich sein kann. Zunächst ist zu beachten, dass die Schematische Regionalisierung die einem Land für ein Haushaltsjahr zustehenden Umsatzsteuereinnahmen berechnet. Aufgrund der nachträglichen Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung zwischen den Ländern unterscheiden sich diese Beträge teilweise deutlich von den im entsprechenden Haushaltsjahr kassenmäßig zu buchenden Zahlungsströmen. Auch die Zerlegungsbzw . Clearingverfahren, mit denen eine nicht sachgerechte, d. h. dem Sinn des Prinzips des örtlichen Aufkommens widersprechende Verteilung von Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Abgeltungsteuer und Feuerschutzsteuer korrigiert wird, können bei einzelnen Ländern zu erheblichen Einnahmeschwankungen führen. Durch den nachgelagerten Einnahmeausgleich zwischen den Ländern ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu teils erheblichen Verwerfungen bei den kassenmäßigen Zuflüssen gekommen. Verstärkt wurde dieser Effekt durch den zunehmenden Einfluss von Großunternehmen auf das Steueraufkommen. Ein weiterer Grund für eine mögliche Anpassung der Ergebnisse der Regionalisierung sind anstehende Steuerrechtsänderungen, die im Arbeitskreis i. d. R. nur dann berücksichtigt werden , wenn sie zum Zeitpunkt der Schätzung bereits geltendes Recht sind. 1. Welche konkreten Beträge weist die nach der letzten Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzungen erfolgte Schematische Regionalisierung bis 2020 für das Land Nordrhein-Westfalen auf? 2. Um welche Beträge ist die Landesregierung bei den Steueransätzen im Entwurf des Haushaltsplans 2017 von den Werten der Schematischen Regionalisierung abgewichen ? 3. Welche Gründe liegen gegebenenfalls der jeweiligen Abweichung zugrunde? 4. Um welche Beträge ist die Landesregierung bei den Steueransätzen in der Finanzplanung 2016 bis 2020 (LT-Drs. 16/12501) von den Werten der Schematischen Regionalisierung abgewichen? 5. Welche Gründe liegen gegebenenfalls der jeweiligen Abweichung zugrunde? Die Fragen 1 - 5 werden zusammen beantwortet. Die Steueransätze für den Haushaltsplanentwurf 2017 und den Zeitraum der Mittelfristigen Finanzplanung bis 2020 orientieren sich an den Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen “ vom Mai 2016 und der daraus abgeleiteten Schematischen Regionalisierung. Abweichend davon ist im Jahr 2020 der gesetzliche Wegfall der erhöhten Gewerbesteuerumlage i. H. v. 934 Mio. EUR berücksichtigt worden. Zudem wurde durchgehend eine weitere Bundesmitfinanzierung der flüchtlingsbedingten Ausgaben über einen Festbetrag bei der Umsatzsteuer unterstellt. Die entsprechenden Ansätze der Gesamtsteuereinnahmen sowie die Ergebnisse der Schematischen Regionalisierung nebst Veränderungsraten sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt . Die Veränderungsraten bewegen sich in keinem Jahr oberhalb der Annahmen der Steuerschätzung. In den Jahren 2017 - 2020 wurde ein zusätzlicher positiver Basiseffekt von jeweils 200 Mio. EUR und gegenüber der Steuerschätzung geringere jährliche Mindereinnahmen im Zuge von Steuerrechtsänderungen von 100 Mio. EUR unterstellt. Der Basiseffekt beruht auf der Ist-Entwicklung im ersten Halbjahr 2016. Damit nähern sich die veranschlagten Steuereinnahmen im Zeitraum der Mittelfristigen Finanzplanung den vom Arbeitskreis „Steuerschätzungen “ prognostizierten Veränderungsraten an. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13350 4 Herleitung der Steuereinnahmeansätze auf Grundlage der „Schematischen Regionalisierung“ Mai 2016 für Nordrhein-Westfalen - in Mio. EUR - Jahr 2017 2018 2019 2020 Ergebnis Regionalisierung Mai 2016 53.912 56.366 58.390 60.744 Veränderungsrate in v. H. (Nordrhein-Westfalen)1 + 3,9 + 4,6 + 3,6 + 4,0 Haushaltsansätze/MFP 54.592 56.951 58.977 60.395 Veränderungsrate in v. H.* + 3,6 + 4,3 + 3,6 + 2,4 Differenz + 680 + 585 + 587 - 349 Gründe für die Differenz Wegfall erh. GewStUml - 934 USt-Festbetrag Asylbewerber + 380 + 285 + 285 + 285 Basiseffekt/Verschiebung Steuerrechtsänderung + 300 + 300 + 302 + 300 verbleibende Differenz 0 0 0 0 1 im Vergleich zum Vorjahr Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13350