LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13397 08.11.2016 Datum des Originals: 08.11.2016/Ausgegeben: 11.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5227 vom 6. Oktober 2016 der Abgeordneten Birgit Rydlewski und Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/13150 Situation von Wohnungslosen in nordrhein-westfälischen Kommunen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ausweislich der Ende Juli dieses Jahres von Landessozialminister Rainer Schmeltzer vorgelegten Wohnungslosenstatistik ist die Zahl der wohnungslosen Menschen in Nordrhein-Westfalen seit der Neueinführung der sogenannten „Integrierten Wohnungsnotfallberichterstattung “ im Jahr 2011 von 15.826 auf 20.914 im Jahr 2015, also um ein knappes Drittel, angestiegen . Auch in diesem Jahr ist mit einem weiteren Ansteigen der Wohnungslosenzahlen zu rechnen – trotz verschiedener Handlungsempfehlungen, die sich in der Studie „Prävention von Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen“ finden, welche im Auftrag des Ministeriums für Arbeit , Integration und Soziales im Jahr 2014 erschienen und die wiederum nach Aussage der Landesregierung ein „wichtiger Baustein“ im „umfassenden bis 2020 angelegten Handlungskonzept ‚ NRW hält zusammen‘ “ ist. Im Gegensatz zu dem präventiven landesweit angelegten Handlungskonzept der Landesregierung scheint es aber immer noch beträchtliche Unterschiede von Kommune zu Kommune zu geben, soweit es dann um den Umgang mit tatsächlich eingetretener Wohnungslosigkeit geht. So wurde uns in Gesprächen mit Wohnungslosen bzw. Mitarbeiter7innen von Beratungsstellen berichtet, dass: der Grundgedanke hinter der Unterbringung von Wohnungslosen oftmals der sei, nur solche Menschen zu beherbergen, die nach deutschem Sozialrecht leistungsberechtigt seien – und diese dann schnellstmöglich zum Besuch der zuständigen Sozialämter zu drängen. Damit aber fielen sowohl EU-Bürger/innen, Nicht-EU-Bürger/innen und solche Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit durch das Raster, die aus welchen Gründen auch immer ein solches Amt nicht aufsuchen können oder wollen. es oftmals keinerlei niedrigschwellige Angebote für Wohnungslose gebe, sondern alle Übernachtungsmöglichkeiten durchweg (in aller Regel mit Ausnahme der ersten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13397 2 Nacht) kostenpflichtig und damit nicht geeignet für völlig mittellose Menschen seien – die bürokratischen Hürden betreffend eine eventuelle Kostenübernahme durch Sozialämter oder andere Behörden gingen an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen vorbei und sorgten dafür, dass Betroffene die Stellen meiden. daher Menschen, die aus anderen EU-Staaten oder Nicht-EU-Staaten, aber auch aus anderen nordrhein-westfälischen Kommunen stammten, der Zugang zu Wohnungslosenunterkünften verwehrt werde. mit Hinblick auf die vorgenannten Erwägungen Personalausweiskontrollen beim Einlass in Übernachtungsmöglichkeiten vorgenommen würden. die geschätzte Anzahl der in einer Kommune lebenden Wohnungslosen oft die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze bei Weitem übersteige – dennoch behaupteten viele Kommunen bzw. Betreiber oftmals, dass ihre Einrichtungen nicht ausgelastet seien. es ebenfalls keinerlei Erfassung darüber gebe, wie viele Menschen aus welchen Gründen seitens der Übernachtungseinrichtungen abgewiesen würden. der Schutz vor (Er-)Frieren von Wohnungslosen in den Wintermonaten in den nordrhein -westfälischen Kommunen ausgesprochen unterschiedlich gehandhabt werde (z.B. Kältebusse). Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5227 mit Schreiben vom 8. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. 1. Wie unterscheiden sich die Nutzungsgebühren für die Nutzung von Wohnungslosenunterkünften in den nordrhein-westfälischen Städten Dortmund, Düsseldorf, Essen, Köln? (Bitte aufschlüsseln nach Kommune, Gebührenstruktur (pro Person/ Bett, monatliche/ tägliche Berechnung, etc.), Höhe der Gebühr(en)) Die Stadt Dortmund berechnet pro Person monatlich 258,16 € Benutzungsgebühren und 55,42 € Verbrauchskosten. Die Stadt Düsseldorf unterhält gebührenpflichtige Obdachloseneinrichtungen in Form von abgeschlossenen Wohneinheiten unterschiedlicher Größe. Die satzungsgemäß erhobene Nutzungsgebühr richtet sich nach der Wohnungsgröße und beträgt im Durchschnitt 7 € pro qm und Monat. Daneben werden in Kooperation mit den freien Trägern der Hilfe nach § 67 SGB XII drei Notschlafstellen für wohnungslose Männer und Frauen mit einer Gesamtkapazität von 108 Plätzen bereitgehalten. Die Übernachtung in Notschlafstellen ist gebührenfrei. Die Stadt Essen unterhält ebenfalls gebührenpflichtige Obdachloseneinrichtungen mit abgeschlossenen Wohneinheiten unterschiedlicher Größe. Die satzungsgemäß erhobene Nutzungsgebühr richtet sich nach der Größe der erforderlichen Unterkunft. Sie beträgt bei der mit 18 qm kleinsten Einheit 3,88 € pro qm und Monat. Auch in Essen werden Notschlafstellen bereitgehalten für Personen, die nachvollziehbar erklären, über keine angemessene Übernachtungsmöglichkeit zu verfügen. Die ersten Übernachtungen sind hier grundsätzlich kostenlos . Von Personen, die regelmäßig diese Übernachtungsmöglichkeit in Anspruch nehmen, wird nach drei Übernachtungen ein Gespräch mit den Sozialarbeitern der zentralen Beratungsstelle über alternative Übernachtungsmöglichkeiten verlangt. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Einkommensprüfung. Von Personen mit einem Einkommen über dem Sozialhilfesatz wird eine einkommensabhängige Kostenbeteiligung, höchsten aber 5 € pro Tag verlangt. Grundsätzlich erfolgt aber keine Abweisung einer Person, die übernachten möchte. Ausnahmen stellen schwer berauschte und randalierende Personen dar. Erstere erhalten ein Angebot LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13397 3 zur medizinisch überwachten Übernachtung im „Integrationsangebot mit Übernachtung“, Letztere werden der Polizei zugeführt. Die Stadt Köln erhebt in den städtischen Obdachloseneinrichtungen eine monatliche Gebühr /Miete je Unterkunft/Wohnung. Die städtischen Obdachloseneinrichtungen werden vom Wohnungsamt der Stadt Köln betreut. Es handelt sich sowohl um einzelne Wohnungen mit eigener Küche und Bad als auch um Zimmer in Wohnhäusern mit Gemeinschaftsküchen und -bädern. Die monatliche satzungsgemäße Gebühr hierfür beträgt zwischen 3,96 € pro qm und 10,95 € pro qm. Da die Fluktuation in diesen Obdachlosenreinrichtungen gering ist, werden Bedürftige zunächst in privaten Einfachhotels und anderen Einrichtungen untergebracht. Hier beträgt die Gebühr pro Übernachtung und Person zwischen 17,00 und 35,00 €. Die Aufnahme in den ordnungsbehördlichen Notaufnahmen und in der Winterhilfe ist kostenlos. 2. Wie steht die Landesregierung - losgelöst von der Tatsache, dass die unterschiedliche Behandlung gleicher Sachverhalte möglicherweise rein rechtlich durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie abgedeckt ist - zu der offensichtlich völlig unterschiedlichen Behandlung von Wohnungslosen in nordrhein-westfälischen Kommunen? Hilfen für Wohnungslose sowie unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen werden in den nordrhein-westfälischen Kommunen so organisiert und durchgeführt, dass dem oder der Einzelnen individuell und entsprechend der kommunalen Ressourcen eine Unterkunft als Mindestanforderung an ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung gestellt wird. Über die Einzelheiten entscheiden die Kommunen eigenverantwortlich im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung bzw. im Zusammenhang mit der Einzelfallentscheidung im Rahmen der Gefahrenabwehr nach dem Ordnungsbehördengesetzt NRW. Unter anderem um einen einheitlichen Umgang mit bestehender Wohnungslosigkeit zu fördern, hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW eine Praxishilfe zum Aufbau und zur Weiterentwicklung der öffentlich und freiverbandlich organisierten Hilfe zur Vermeidung und Behebung von Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Mit der Praxishilfe soll den Kommunen des Landes NRW eine Hilfestellung zur Verfügung gestellt werden, um vor Ort gezielt Strukturen einzurichten und damit Wohnungslosigkeit zu verhindern. 3. Werden nach Kenntnis der Landesregierung beim Einlass in Wohnungslosenunterkünfte Personalausweiskontrollen vorgenommen und Menschen, die nicht aus der jeweiligen Kommune stammen (Nachbarkommunen, EU-Bürger/innen, Nicht- EU-Bürger/innen) abgewiesen? Die Handhabung bei den Personalausweiskontrollen ist in den nordrhein-westfälischen Kommunen unterschiedlich. Nach den vorliegenden Erkenntnissen führt eine Personalausweiskontrolle , soweit eine Kommune diese durchführt, jedenfalls nicht zu einer Abweisung von Menschen in den Notunterkünften, die nicht aus der jeweiligen Kommune stammen, wenn ein akuter Bedarf besteht. Dies gilt auch dann, wenn eine Identitätsfeststellung mangels Personaldokumenten nicht möglich ist. Anlassbezogen und im Einzelfall werden ergänzend zum Beispiel im Rahmen der Beratung Rückkehrhilfen an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts angeboten bzw. vermittelt oder - soweit verhältnismäßig oder wegen beschränkter Kapazitäten erforderlich - wird eine obdachlose Person ggf. an ihre Heimatkommune verwiesen oder ihre dortige Unterbringung organisiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13397 4 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass in allen nordrhein-westfälischen Kommunen ausreichende Angebote zum Schutz vor (Er)Frieren zur Verfügung stehen? Die Sicherstellung ausreichender Angebote zum Schutze vor (Er-)frieren in allen nordrheinwestfälischen Kommunen liegt in kommunaler Zuständigkeit. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 5. Plant die Landesregierung in absehbarer Zeit die Erstellung eines landesweiten Konzepts zum besseren und einheitlicheren Umgang mit bestehender Wohnungslosigkeit - ähnlich dem schon genannten präventiven Konzept? Die Kommunen und Kreise in Nordrhein-Westfalen sind grundsätzlich für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit zuständig. Sie sind unter anderem nach dem Ordnungsbehördengesetz verpflichtet, Menschen ohne Obdach unterzubringen. Die Landesregierung unterstützt jedoch die Kommunen, private Träger sowie Träger der freien Wohlfahrtspflege bei der Überwindung und der Bekämpfung von Obdachlosigkeit mit dem Aktionsprogramm „Hilfen in Wohnungsnotfällen “ (Jährliche Fördersumme: 1 Mio. Euro, Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW). Aufgrund neuer Herausforderungen für Kommunen und freie Träger, was z.B. die Wohnraumversorgung angeht, und die damit verbundenen Erfordernisse an das Hilfesystem, wurde das o.g. Aktionsprogramm des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW zum 1. Januar 2016 überarbeitet und noch deutlicher als bisher auf den Bereich „Prävention“ fokussiert. Ziel des neu ausgerichteten Aktionsprogramms „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ ist es, die Zahl der Wohnungslosen weiter zu reduzieren und dabei noch deutlicher als bisher die Bereiche „Prävention“ sowie „Erhalt/Zugang zu dauerhaftem und individuellem Normalwohnraum“ hervorzuheben und zu optimieren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Ausbau und der Optimierung wohnbegleitender Hilfen für ehemals Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohter Haushalte. Zur weiteren konkreten Unterstützung der Kommunen wurde seitens des zuständigen Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW die oben genannte Praxishilfe in Auftrag gegeben . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13397