LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13429 10.11.2016 Datum des Originals: 08.11.2016/Ausgegeben: 15.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5236 vom 11. Oktober 2016 der Abgeordneten Dietmar Brockes, Ralph Bombis, Holger Ellerbrock und Henning Höne FDP Drucksache 16/13171 Beschluss des Bundesrates macht HBCD-haltigen Abfall zu Sondermüll und riskiert massive Entsorgungsengpässe – Was unternimmt die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der Zustimmung zur Abfallverzeichnisverordnung (AVV) regelte der Bundesrat, dass HBCD-haltiges Material ab dem 30. September 2016 getrennt gesammelt und entsorgt werden muss. Laut Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien vom 25.09.2015, werden solche Abfälle nun außerdem als gefährlich eingestuft. Bislang erfolgte die Entsorgung HBCD-haltiger Substanzen, wie Dämmplatten aus Styropor, gemeinsam mit übrigem Bauabfall, welcher in Müllverbrennungsanlagen verbrannt wurde. Durch die Etikettierung solcher Abfälle als Sondermüll drohen nun massive Entsorgungsengpässe, da vielen Müllverbrennungsanlagen entweder grundlegende Kapazitäten fehlen, da sie bereits aus- oder überlastet sind, oder ihnen rechtliche Genehmigungen für die Entsorgung des neuerdings gefährlichen Abfalls fehlen. Des Weiteren bedürfen HBCD-haltige Dämmplatten eines besonders hohen logistischen Aufwandes, da sie zwar nicht besonders schwer, dafür aber sehr sperrig sind. Da die Platten künftig allein transportiert werden müssen, wird der Transport zusätzlich erschwert. Zusammenhängend mit knappen Verbrennungskapazitäten verlängern sich infolgedessen Transportwege, Zwischenlagerungen werden nötig und zusätzliche Kosten entstehen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks forderte jüngst die Länder dazu auf, die vom Bundesrat beschlossene Verordnung zurückzunehmen: Die Länder sollen sich im Bundesrat für eine erneute Änderung der Abfallverzeichnisverordnung einsetzen, um auf diesem Wege dafür Sorge zu tragen, dass HBCD-haltige Abfälle künftig nicht mehr als gefährlich einzustufen sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13429 2 Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5236 mit Schreiben vom 8. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Polystyrol-haltige Dämmmaterialien aus Sanierungs- und Abbruchmaßnahmen im Bausektor wurden bisher als nicht-gefährlicher Abfall in Hausmüllverbrennungsanlagen thermisch behandelt. Da diese Dämmmaterialien einen sehr hohen Heizwert aufweisen, wurden sie in der Regel vermischt mit anderen, weniger heizwertreichen Abfällen verbrannt. Wegen seiner umweltschädlichen Eigenschaften wurde HBCD (Hexa-bromcyclododecan) zum März 2016 in die Anhänge I und IV der sog. POP-Verordnung der EU aufgenommen. Anhang I enthält eine Liste der Stoffe (Chemikalien), deren Produktion, Verwendung, Einfuhr und Ausfuhr verboten werden sollte. In Anhang IV sind gefährliche Stoffe mit Konzentrationsgrenzen aufgeführt. Für Abfälle wie die HBCD-haltigen Polystyroldämmmaterialien, die mehr HBCD als die in der POP-Verordnung festgelegte Konzentrationsgrenze von 0,1% enthalten, bedeutet dies, dass sie gemäß Artikel 7 der POP- Verordnung so beseitigt werden müssen, dass HBCD zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird. Das geeignete Entsorgungsverfahren stellt weiterhin die thermische Behandlung in einer Hausmüllverbrennungsanlage dar. Seit dem 30. September 2016 sind HBCD-haltige Dämmmaterialien gemäß Abfallverzeichnisverordnung des Bundes als gefährlicher Abfall zu handhaben. Seit In-Kraft- Treten dieser neuen Regelung lehnen viele Entsorgungsunternehmen, über die z.B. Dachdeckerbetriebe, Stukkateure, Malerbetriebe, Abbruchunternehmen und Bauunternehmen bislang ihre HBCD-Abfälle zusammen mit anderen Bau- und Abbruchabfällen entsorgt haben, die Annahme der HBCD-haltigen Dämmmaterialien ab, da keine Entsorgungsmöglichkeiten für diese Abfälle bestehen würden. Monochargen können wegen des sehr hohen Heizwerts der HBCD-haltigen Dämmmaterialien in den Hausmüllverbrennungsanlagen nur in geringen Mengen eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund, dass HBCD-haltige Dämmstoffe nur im Gemisch mit anderen Abfällen in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden können, ist eine Getrennthaltung an der Anfallstelle nicht zwingend erforderlich. Diese Vorgabe wird wesentlich zur Entlastung der momentanen Situation beitragen. Das Umweltministerium arbeitet zurzeit an einer pragmatischen Lösung, die zugleich gewährleistet, dass die neuen Anforderungen der POP- Verordnung zum Ausschleusen HBCD-haltiger Abfälle aus dem Wirtschaftskreislauf rechtssicher eingehalten werden. 1. Wie hat das Land Nordrhein-Westfalen in der Sitzung am 25.09.2015 des Bundesrats über die „Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien" abgestimmt? Nordrhein-Westfalen hat dem Antrag zu Ziffer 3 der Drucksache 340/15 (Artikel 1 Nr. 4 Buchst. a Ziffer 2.2.3 der Einleitung der Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien) zugestimmt. Die Landesregierung ist auch weiterhin der Auffassung, dass diese Entscheidung geboten war, da sie den aus ökologischen Gründen wichtigen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13429 3 Vollzug der Verordnung zu persistenten organischen Schadstoffen (POP-Verordnung) gewährleistet. 2. Welche Mengen an HBCD-haltigem Abfall entstehen in Nordrhein-Westfalen jährlich (Angaben bitte in Tonnen und Kubikmetern)? Die HBCD-haltigen Dämmmaterialien wurden bisher vermischt mit anderen Bauabfällen unter dem Abfallschlüssel 17 09 04 (gemischte Bau- und Abbruchabfälle mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 09 01, 17 09 02 und 17 09 03 fallen) entsorgt. Seit dem 30. September 2016 sind die Abfälle entweder als Monocharge unter 17 06 03* (anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen Stoffen besteht oder solche Stoffe enthält), vermischt mit anderen Bauabfällen unter 17 09 03* (sonstige Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich gemischte Abfälle),die gefährliche Stoffe enthalten) oder nach einer Vermischung mit anderen heizwertarmen Abfällen in einer dafür zugelassenen Behandlungsanlage als 19 12 11* (sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen, die gefährliche Stoffe enthalten) zu entsorgen. Unter diesen Abfallschlüsseln werden jedoch nicht nur die HBCD-haltigen Dämmstoffe entsorgt, sondern auch andere Abfälle. Einen spezifischen Abfallschlüssel für HBCD-haltige Dämmmaterialien gibt es nicht. Die Umweltverwaltung hat nur Informationen zu Abfallmengen für die jeweiligen Abfallschlüssel, nicht jedoch zu den einzelnen darunter befindlichen Abfallfraktionen. Eine im Auftrag des Industrieverbandes Hartschaum IVH e.V. und von PlasticsEurope in Auftrag gegebene Untersuchung der Consultic Marketing & Industrieberatung GmbH schätzt die jährliche Menge an EPS-Abfällen (EPS = Expandiertes Polystyrol) im Baubereich auf rund 42.000 t. Dies würde für Nordrhein-Westfalen eine Menge von rund 8.000 – 10.000 t bedeuten. Bei einer angenommenen Dichte der Dämmmaterialien von 10 – 40 kg/m³ lässt sich daraus ein Volumen von 1,05 - 4,2 Mio. m³ berechnen. 3. Welche Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen sind künftig fähig und bereit, HBCD-haltigen Abfall zu entsorgen? Grundsätzlich verfügen 13 der 16 Hausmüllverbrennungsanlagen in NRW über die Genehmigungen für die Verbrennung HBCD-haltiger Abfälle. Ein weiterer Anlagenbetreiber hat einen entsprechenden Antrag eingereicht. 4. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um Entsorgungsengpässen vorzubeugen? Das MKULNV hat mit Erlass vom 25.10.2016 (s. Anlage) die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass die Dämmmaterialien im Wesentlichen wie bisher üblich als nicht-gefährlicher Baumischabfall an Hausmüllverbrennungsanlagen angeliefert werden können. Gleichzeitig wird sich die Landesregierung bei den anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass vergleichbare Regelungen getroffen werden, damit keine Wettbewerbsverzerrung entsteht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13429 4 5. Beabsichtigt die Landesregierung dem Aufruf der Bundesumweltministerin nachzukommen und im Bundesrat eine Entschließung zur Änderung der Abfallverzeichnisverordnung voranzutreiben, damit derartige Abfälle nicht mehr als gefährlich einzustufen sind? Die Landesregierung beabsichtigt nicht, aufgrund temporärer Entsorgungsprobleme einer einzelnen Abfallart eine ökologisch sinnvolle Regelung der Abfallverzeichnisverordnung zurückzunehmen. Die Regelung der Abfallverzeichnisverordnung betrifft nicht nur den Einzelstoff HBCD sondern betrifft alle persistenten organischen Schadstoffe, die nach 2010 zur Umsetzung der Stockholm-Konvention in die Europäische POP-Verordnung aufgenommen werden. Durch die POP-Verordnung wird geregelt, dass solche Schadstoffe enthaltende Abfälle so behandelt werden müssen, dass die Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13429