LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13436 10.11.2016 Datum des Originals: 09.11.2016/Ausgegeben: 15.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5186 vom 28. September 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13079 Wie verlässlich sind Prognosen der Landesregierung über die Flüchtlingszahlen im Jahr 2017 – werden Aussagen in Interviews zum Maßstab des Agierens der Landesregierung ? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landesregierung agiert aktuell einerseits bei der geplanten Wohnsitzauflage durch das Ministerium für Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie für das Flüchtlingsaufnahmegesetz im Rahmen des Entwurfs des Landeshaushalts 2017 mit Prognosen über die Flüchtlingszahlen für das kommende Jahr. Dabei variieren allein hier die Zahlen von 300.000 bis 400.000 Flüchtlingen als Ansatz von MIK und MAIS. Für die künftigen Zuweisungen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz heißt es im Haushaltsentwurf : „Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) stellt das Land den Gemeinden für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der ausländischen Flüchtlinge Finanzmittel (sog. FlüAG-Pauschale) zur Verfügung. … Monatlich soll im Jahr 2017 eine Pauschale in Höhe von ca. 866 Euro (jährlich 10.400 Euro) gezahlt werden. Der Prognose des zu erwartenden Mittelbedarfs im Jahr 2017 wurden die Faktoren - voraussichtliche Bestandszahl zum 01.01.2017 - zu erwartende Zugänge in 2017 - anzunehmende Entscheidungskapazitäten des BAMF - anzunehmende Anerkennungsquote der im Jahr 2017 vom BAMF entschiedenen Asylverfahren zugrunde gelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13436 2 Hierbei wurde - wie auch bei den Berechnungen des Mittelbedarfs im Asylkapitel - für 2017 von bundesweit 400.000 Flüchtlingen ausgegangen, was nach Königsteiner Schlüssel für NRW eine Prognose von 84.840 Flüchtlingen bedeutet.“ Im Rahmen der künftigen Wohnsitzauflage für Nordrhein-Westfalen erklärt das MAIS hingegen seine Modellrechnung mit der Zahl von 300.000 Flüchtlingen. Das MAIS erklärt: „Die Zahl 30.000 nimmt Bezug auf die 2017 real zu erwartenden Wohnsitzzuweisungen in NRW. Nach aktueller Einschätzung des BAMF werden für 2017 ca. 300.000 Asylsuchende das Gebiet der Bundesrepublik erreichen. Nach NRW werden über Königsteiner Schlüssel ca. 63.630 Asylsuchende verteilt. Bei einer durchschnittlichen Anerkennungsquote des BAMF von ca. 50 %, ergeben sich rund 30.000 Fälle. Insofern geben die Berechnungen die laut BAMF zu erwartenden Wohnsitzzuweisungen in 2017 in NRW wieder.“ Allerdings gibt es keine offizielle Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zur erwartbaren Flüchtlingszahl für das Jahr 2017. Das BAMF gibt keine Prognose zu den nach Deutschland einreisenden Asylsuchenden in den Jahren 2016 und 2017 ab. Die Zahl 300.000 stammt wohl aus einem Interview mit dem Leiter des BAMF, Herrn Weise, in der Bild am Sonntag. Nach der Klarstellung, dass das BAMF keine Prognosen abgibt, sondern dies Aufgabe des Innenministeriums ist, erklärt Herr Weise darin, dass das BAMF Kapazitäten für 250.000 bis 300.000 neue Asylsuchende im Jahr 2016 geschaffen hat. Bei bis zu 300.000 neuen Asylsuchenden könne das BAMF einen optimalen Ablauf garantieren. Auch zur Anerkennungsquote und der Dauer von Asylverfahren im Jahr 2017 gibt es ebenfalls keine Prognose des BAMF. 2015 konnte die durchschnittliche Verfahrensdauer bereits von 7,1 auf 5,2 Monate gesenkt werden. Für die ersten acht Monate 2016 liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 6,7 Monaten. Für das besonders zugangsstarke Herkunftsland Syrien (bereits rund 187.400 Entscheidungen in 2016) ist sie mit 3,1 Monaten jedoch deutlich kürzer. Gegenwärtig steigt die Verfahrensdauer vorübergehend wieder an, da das BAMF seit Anfang 2016 viele alte und teilweise komplexere Verfahren entscheidet, die bereits lange anhängig waren. Für Neuanträge (=Antragstellung seit 01.01.2016) beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer in den ersten acht Monaten 2016 2,1 Monate. In den Ankunftszentren liegt sie in vielen Fällen darunter, rund 50 % der Verfahren werden dort in 48 Stunden abgeschlossen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5186 mit Schreiben vom 9. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. 1. Wie kommt es innerhalb der Landesregierung (MIK und MAIS) zu völlig verschiedenen Ansätzen der Flüchtlingszahlen für das Jahr 2017? 2. Auf welcher konkreten Zahlenbasis werden Prognosen der Flüchtlingszahlen für das Jahr 2017 gestützt, wenn gleichzeitig das BAMF keine Prognose abgibt? 3. Hält die Landesregierung die Kritik an den unterschiedlichen Planzahlen für gerechtfertigt , dass das MAIS niedrigere Zahlen ansetzt, um die Wirkung der Wohnsitzauflage abzumildern und das MIK höhere Zahlen ansetzt, um ein Finanzpolster im Falle niedrigerer Flüchtlingszahlen zu erreichen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13436 3 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung bei der Bestimmung der Prognosezahl der Flüchtlingszahlen 2017 für die Wohnsitzauflage und das FlüAG vor? Der Berechnung des Haushaltsansatzes für die Landeszuweisung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und der Berechnung des Integrationsschlüssels nach der geplanten Ausländer-Wohnsitzregelungs-verordnung (AWoV) wurden unterschiedliche Prognosezahlen zugrunde gelegt, weil es sich um unterschiedliche Themen handelt, bei denen nicht die gleiche Personengruppe zu betrachten ist. Für die Berechnung des Haushaltsansatzes für die Landeszuweisung nach dem FlüAG wurde hinsichtlich der zu erwartenden Neuzugänge im Jahr 2017 entsprechend der Annahmen der Mai-Steuerschätzung 2016 und des AK-Stabilitätsrats von bundesweit 400.000 Flüchtlingen ausgegangen. Dies ergibt einen NRW-Anteil nach Königsteiner Schlüssel in Höhe von 84.840 Neuzugängen. Für die Veranschaulichung der Auswirkungen des Integrationsschlüssels, der nach der AWoV zur Anwendung kommen soll, ist das MAIS in Abstimmung mit dem MIK in der durch die Kleine Anfrage zitierten Äußerung gegenüber dem Städte- und Gemeindebund von einer geschätzten Zahl von 300 000 zu erwartenden Asylbescheiden ausgegangen und hat diese mit einer geschätzten Anerkennungsquote kombiniert. Derartige Schätzungen sind immer mit Unsicherheiten verbunden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade Prognosen zur Zuwanderung von Asylsuchenden im Hinblick auf neue Entwicklungen immer wieder angepasst werden mussten. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es im Zusammenhang der Wohnsitzzuweisung nicht auf die Zahl der Neuzugänge ankommt, sondern auf die zu erwartende Zahl der Ausländer , die als Asylberechtigte, Flüchtlinge nach § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutzberechtigte im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt werden. Darüber hinaus liegen zwischenzeitlich aktuelle Informationen vor, die eine Neuberechnung des für den Haushaltsentwurf 2017 berechneten Ansatzes erforderlich werden lassen. So sind für 2017 bundesweit deutlich weniger als die ursprünglich zugrunde gelegten 400.000 Flüchtlinge zu erwarten. Ferner wirken sich die im Laufe dieses Jahres deutlich angestiegenen Entscheidungskapazitäten des BAMF auf die Berechnung des Bedarfs für die FlüAG-Pauschale aus. Eine Anpassung des Haushaltsansatzes an die aktuellen Entwicklungen ist für die Ergänzungsvorlage vorgemerkt. 5. Für die Zuweisung an die Kommunen nach dem FlüAG sind für das Jahr 2017 nach dem Haushaltsentwurf 1,362 Mrd. Euro eingestellt. Unter den gegebenen Maßgaben (84.840 Flüchtlingen und 866 Euro je Monat) würde die Landesregierung demnach im Jahr 2017 für 18 Monate eine Flüchtlingspauschale zahlen. In welcher Form ist für das Jahr 2017 auch ein finanzieller Anreiz für bestehende oder geplante Landesaufnahmeeinrichtungen aus der Finanzmasse des FlüAGs vorgesehen ? Die in der Fragestellung vorgenommene Berechnung berücksichtigt nicht, dass auch der in Kommunen bereits vor dem 01.01.2017 zugewiesene und aufgenommene Bestand an Personen , die dem FlüAG unterfallen, für den Haushaltsansatz einzubeziehen ist. Die quartalsweise Auszahlung der FlüAG-Pauschale auf Grundlage einer Bestandserhebung zum 1.1. eines Jahres wird abgeschafft und ab 1.1.2017 durch eine monatliche Auszahlung der FlüAG-Pauschale pro zugewiesenen und anwesenden Flüchtling ersetzt. Dies bedeutet, dass die Dauer der Auszahlung der neuen monatlichen FlüAG-Pauschale sich in jedem Einzelfall nach der konkreten Dauer der Zugehörigkeit einer Person zum FlüAG-Personenkreis LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13436 4 richtet. Für die größte Personengruppe innerhalb des FlüAG, den Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern, bestimmt sich deren Zugehörigkeit zum FlüAG-Personenkreis einzelfallabhängig nach der Dauer des jeweiligen Asylverfahrens. Im Rahmen der derzeitigen Überarbeitung des FlüAG ist vorgesehen, auch im Jahr 2017 eine Anrechnung von bestehenden Plätzen in Landeseinrichtungen - differenziert nach Einrichtungstyp - auf die Aufnahmeverpflichtung einer Standortgemeinde durchzuführen, allerdings auf einem niedrigeren Niveau als bisher. Ein darüber hinausgehender finanzieller Anreiz für Standortgemeinden mit Landesaufnahmeeinrichtungen ist im FlüAG nicht vorgesehen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13436