LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13463 15.11.2016 Datum des Originals: 14.11.2016/Ausgegeben: 18.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5276 vom 25. Oktober 2016 der Abgeordneten Holger Ellerbrock und Angela Freimuth FDP Drucksache 16/13252 Kostenträchtiger NRW-Sonderweg bei Geländerhöhen?! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der deutsche Föderalismus hat viele Sonnen-, aber auch einige Schattenseiten. Zu den Schattenseiten gehört, dass das Bauordnungsrecht als Angelegenheit der Länder zum Teil erheblich voneinander abweicht. Trotz vorhandener Musterbauordnung als Orientierungshilfe ist es bislang nicht gelungen, die einzelnen Bauordnungen der Bundesländer zu harmonisieren. Handwerker , Architekten und Ingenieure, die in verschiedenen Bundesländern tätig sind, müssen sich aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen immer wieder umstellen . Diese unnötige Komplexität könnte erheblich reduziert werden. Aus diesem Grund hat auch die Baukostensenkungskommission in ihrem Abschlussbericht den Ländern empfohlen, die Landesbauordnungen stärker an die Musterbauordnung (MBO) zu orientieren und eine Vereinheitlichung der Bauordnungen anzustreben (vgl. Endbericht der Baukostensenkungskommission im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, November 2015, S. 135). Die Freien Demokraten sprechen sich ebenso grundsätzlich dafür aus, die Landesbauordnungen soweit als möglich zu vereinheitlichen. Zielsetzung dabei ist eine länderübergreifende Vereinheitlichung technischer Standards (z.B. Gefahrenabwehr, Brandschutz, Abstandsflächenrecht ) und eine generelle Vereinfachung des Baurechts. So ließen sich insbesondere Suchund Koordinierungsprozesse für im Bauwesen Tätige, die in mehreren Bundesländern aktiv sind, vereinfachen. Dies wäre ein vom Gesetzgeber initiierter aktiver Beitrag zur Baukostensenkung . Jede landesspezifische Besonderheit in den entsprechenden Bauordnungen bedarf deshalb einer gesonderten Betrachtung und Rechtfertigung. In dem vorgelegten Gesetzesentwurf für eine neue Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (Drs. 16/12119) finden sich auch Spezifika, deren Begründung durch die Landesregierung im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht unmittelbar einleuchtend erscheint. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13463 2 So sollen gemäß § 34 (8) zukünftig Treppengeländer um 10 cm höher gefertigt werden müssen als bisher und eine Höhe von mindestens einen Meter ausweisen. Gleiche Modifikation strebt die Landesregierung auch in § 39 für Umwehrungen an. Eine stärkere Angleichung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die bundesrechtlichen Regelungen des Arbeitsrechtes führt die Landesregierung als Begründung dafür aus. Die Anhebung um 10 cm sei auch aus „sachlichen Erwägungen gerechtfertigt, weil die durchschnittliche Größe der Menschen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen“ (Drs. 16/12119, S. 115) sei. Dies gilt wohl nicht nur für die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Musterbauordnung in diesem Bereich unverändert fortbestehen wird. Hier wird eine Geländerhöhe bei Absturzhöhen von einem bis zwölf Meter von mindestens 0,90 m nach wie vor als ausreichend angesehen (vgl. § 38 MBO). Eingegangene Stellungnahmen zu der sich in Beratung befindlichen vorgesehenen Landesbauordnung aus der Praxis kritisieren diesen NRW Alleingang (vgl. z.B. Stellungnahme 16/4097, Stellungnahme 16/4140) und verweisen auf die zu erwartenden höheren Fertigungskosten für Geländer ohne erkennbaren Mehrwert für die Treppennutzer. Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 5276 mit Schreiben vom 14. November 2016 namens der Landeregierung beantwortet. 1. Wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, in denen Menschen aufgrund eines Sturzes – begünstigt durch zu geringe Geländerhöhen an Treppen bzw. Umwehrungen – zu Schaden gekommen sind? (Bitte detailliert ausführen.) Es ist davon auszugehen, dass die Landesregierung von den meisten derartiger Unfälle keine Kenntnis erhält. Die Landesregierung hat in zurückliegenden Jahren daher auch nur von wenigen Abstürzen erfahren. In diesen Fällen wurden nie die geltenden technischen Anforderungen in Frage gestellt, sondern es wurde lediglich danach gefragt, ob man beim Bau die gesetzlichen Vorgaben beachtet hatte. Daher wurden diese Fälle nicht erfasst. Am 30.01.2015 wandte sich der Vater eines 17-jährigen an das MBWSV. Er trug vor, sein 1,85 m großer Sohn sei über das den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Geländer im Treppenhaus eines Wohngebäudes abgestürzt und befinde sich seitdem im Wachkoma. Er stellte die Frage, ob nicht wegen der inzwischen allseits bekannten Entwicklung der durchschnittlichen Körpergröße in West- und Nordeuropa auch die Vorkehrungen gegen Absturz angepasst werden müssten. 2. Auf welche empirische Grundlage stützt die Landesregierung die von ihr angeführte „sachliche Erwägung“, dass die Zunahme der Körpergröße von Menschen es erforderlich machte, die Mindestanforderungen an Geländerhöhen weiter zu erhöhen ? Die Schlussfolgerung, dass eine größere Körperhöhe einen veränderten Körperschwerpunkt zur Folge hat, der wiederum Angriffspunkt der Schwerkraft ist, beruht nicht auf Empirie, sondern auf den Gesetzen der Physik. Die für Treppen geltende Norm DIN 18065 weist in Bezug auf Geländerhöhen nur eine Entwicklung in großen Zeitabständen auf. In der ersten Fassung aus dem Jahr 1957 waren noch keine Höhenangaben für Geländer enthalten. Erst die nächste Fassung aus 1984 führte das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13463 3 Maß 0,90 m ein, die nunmehr seit über 30 Jahren unverändert gilt. Seit dieser Zeit gilt auch das Höhenmaß für Geländer in der BauO NRW. 3. Wie bewertet die Landesregierung den Vorwurf, dass es sich hierbei um eine allein den Bau in Nordrhein-Westfalen verteuernde Regelung handelt, die jedoch keinen zusätzlichen Schutz für die Treppennutzer geben wird? Der Vorwurf trifft nicht zu, weil es einen verbesserten Schutz für Treppennutzer geben wird. Für die behauptete allgemeine Kostensteigerung beim Treppenbau liegen keine Belege vor, zumal bereits heute aufgrund der arbeitsrechtlichen Vorgaben Geländer und Umwehrungen mit einer Höhe von 1,0 m gebaut werden müssen. Es wäre aber nach Auffassung der Landesregierung vertretbar, es bei Treppen innerhalb von Wohnungen (häufigster Anwendungsfall gewendelter Treppen) und bei Treppen in Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen (Treppenbreite von nur 0,80 m gemäß § 34 Abs. 5 EBauO) ausnahmsweise bei einer Geländerhöhe von 0,90 m zu belassen. 4. Inwieweit hat die Landesregierung vor dem Verfassen der Entwurfsversion der Landesbauordnung den Austausch mit den entsprechenden Verbänden, z.B. dem Bundesverband Treppen und Geländebau e.V., gesucht und diese konkrete Maßnahme im Vorfeld diskutiert? Der Referentenentwurf, der in die Verbändeanhörung gegeben wurde, sah vor, die bisherige Geländer- und Umwehrungshöhe von 0,90 m beizubehalten. Aufgrund eines im Anhörungsverfahrens vorgelegten Vorschlags der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, das Bauordnungsrecht insoweit den Arbeitsstättenrichtlinien anzupassen, und wegen des konkret vorliegenden Beispiels (s. Antwort zu Frage 1) wurde der Referentenentwurf geändert. Es ist weder üblich noch sinnvoll, wegen der Berücksichtigung von Stellungnahmen im Anhörungsverfahren eine erneute Verbändeanhörung durchzuführen, vor allem, weil der Gesetzgeber dies selbst vor seiner Entscheidung über den Entwurf regelmäßig vorsieht. 5. Wie viele Fälle von Umwandlungen von Wohngebäuden hin zu einer gewerblichen Nutzung sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren bekannt, bei denen es zu Problemen mit der Geländerhöhe in den Baugenehmigungsverfahren gekommen ist? (Bitte nach Jahren und in Summe sowie prozentual angeben.) Der Landesregierung sind derartige Fälle nicht bekannt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13463