LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13492 18.11.2016 Datum des Originals: 15.11.2016/Ausgegeben: 23.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5240 vom 12. Oktober 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13181 Landesaufnahmekapazitäten und Zuweisungspraxis als maßgebliche Faktoren für die Anwendung des FlüAG und der geplanten Wohnsitzauflage in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Rückgang der Flüchtlingszahlen führt dazu, dass auch die Landesregierung die Konsolidierung des Aufnahmesystems in Nordrhein-Westfalen den Zahlen anpasst, weil weniger Unterkünfte für Geflüchtete gebraucht werden. Derzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 60.000 Plätze in den Flüchtlingsunterkünften des Landes. Die Planungen des Landes sehen vor, die Zahl auf 50.000 Plätze zu reduzieren. Davon sollen 35.000 aktiv genutzt werden. 10.000 Plätze sollen in Einrichtungen vorgehalten werden, die im Bedarfsfall innerhalb weniger Tage wieder aktiviert und genutzt werden könnten. Zusätzlich werden Flächen vorgehalten, um schnell und flexibel weitere 5.000 Unterbringungsplätze schaffen zu können. Angesichts der künftigen Systemumstellung im Flüchtlingsaufnahmegesetz, dass eine Monatspauschale ab der Zuweisung von Asylsuchenden auf die Kommunen gezahlt werden soll, spielt die Kapazität des Aufnahmesystems sowie die Zuweisungspraxis auf die Kommunen eine wichtige Rolle, für die Anzahl der zuzuweisenden Flüchtlinge sowie die Erstattungen nach dem FlüAG 2017. Ebenso soll auch die Wohnsitzauflage nur für diejenigen anerkannten Asylsuchenden gelten, die vor der Verteilentscheidung noch keiner Kommune zugewiesen wurden, sondern lediglich aus der Landesaufnahme heraus verteilt werden. Dabei sollte gelten, dass insbesondere Asylsuchende ohne Bleibeperspektive – vorwiegend aus sicheren Herkunftsländern – gar nicht erst den Kommunen zugewiesen werden, sondern für die Dauer des Asylverfahrens bis zur Beendigung des Aufenthalts in den Landesaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13492 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5240 mit Schreiben vom 15. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit , Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Jahr 2015 hat Nordrhein-Westfalen rund 330.000 Flüchtlinge zumindest kurzfristig unterbringen müssen. Um die Aufnahme und die Unterbringung sicherzustellen, wurden die Kapazitäten durch das Land mit Unterstützung der Kommunen innerhalb weniger Monate von rund 14.000 Plätzen im Juli 2015 auf rund 85.000 Plätze im Dezember 2015 aufgestockt. Aufgrund veränderter politischer Rahmenbedingungen, die zu deutlich niedrigeren Zugangszahlen geführt haben, sowie aufgrund systemischer Veränderungen in den Prozessabläufen der zuständigen Behörden, befindet sich das Aufnahmesystem aktuell in einer Phase der Überplanung. Eine hinsichtlich der Flüchtlingszugänge deutlich beruhigte Situation bietet jetzt die Möglichkeit , ausreichende Unterbringungskapazitäten mit einheitlichen Unterbringungsstandards zu etablieren und den Abbau kosten- und sanierungsintensiver Einrichtungen voranzubringen. Es wird eine gleichmäßige Verteilung der Kapazitäten auf die einzelnen Regierungsbezirke unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit angestrebt. Ziel der Landesregierung ist ein regional ausgewogenes und wirtschaftliches System, das sich flexibel auf Veränderungen einstellen kann. Die erforderlichen Unterbringungsplätze sollen zukünftig überwiegend in Regeleinrichtungen bereitgestellt werden. Die noch vorhandenen Plätze in Notunterkünften sollen so schnell wie möglich abgebaut beziehungsweise - sofern erforderlich - in Plätze in Regeleinrichtungen mit einheitlichen Unterbringungsstandards überführt werden. Auf Grundlage des aktuellen Planungserlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 17. Juni 2016 wurden die Plätze in den Landesunterbringungseinrichtungen auf insgesamt 50.000 Plätze reduziert. Davon werden zukünftig rund 35.000 Plätze aktiv betrieben und rund 10.000 weitere Plätze lediglich Stand-By vorgehalten. Für die übrigen 5.000 Plätze sollen Reserveflächen vorbereitet werden, um auf Veränderungen bei den Flüchtlingszahlen schnell und flexibel reagieren zu können. Bei entsprechender nachhaltiger Entwicklung wird eine weitere Anpassung der Planungen erfolgen. 1. Auf Basis welcher konkreten Zahlen und Annahmen hat die Landesregierung ihre Einrichtungsplanung erstellt (Anzahl der Asylsuchenden, Verfahrensdauer, etc.)? Bei der Festlegung der Kapazitäten wurden verschiedene Rahmenbedingungen berücksichtigt . Hierzu gehört u.a. auch das gemeinsame Schreiben des Bundesinnenministers und des Vorsitzenden der IMK vom 8. Juli 2016 zur Aufrechterhaltung der Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende. In dem Schreiben werden die Länder u.a. gebeten, die Aufnahmekapazitäten vorerst nicht wesentlich zu reduzieren. Des Weiteren werden die aktuellen Zugangszahlen, die Entwicklung der Aufenthaltsdauer in den Einrichtungen und veränderte Rahmenbedingungen, die zu deutlich niedrigeren Zugangszahlen als im Jahr 2015 geführt haben, sowie systemische Veränderungen in den Prozessabläufen beim Bundesamt (BAMF), durch die schnellere Entscheidungen über Asylanträge erreicht werden sollen, bei den aktuellen Planungen berücksichtigt. Gleiches gilt - soweit diese vorliegen - für die Prognosen des BAMF zu den erwarteten Zugangszahlen. In diesem Jahr hat aber das BAMF bislang noch keine Prognose veröffentlicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13492 3 2. Durch den Systemwechsel im FlüAG sowie das Inkrafttreten der Wohnsitzauflage für Nordrhein-Westfalen kommt es für die Aufnahmekapazität der Kommunen künftig entscheidend auf die Praxis des Landes an, zu welchem Zeitpunkt Asylsuchende auf die Kommunen verteilt werden. Wie gestalten sich aktuell die Praxis der Unterbringung von Asylsuchenden in den Landesaufnahmeeinrichtungen sowie die Zuweisung von Asylsuchenden an die Kommunen? Die Asylsuchenden werden zunächst in einer der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW untergebracht. Dort werden die Asylsuchenden registriert und erkennungsdienstlich behandelt . Außerdem finden die erforderlichen gesundheitlichen Untersuchungen statt. In aller Regel stellen die Asylsuchenden noch während des Aufenthaltes in der EAE ihren Asylantrag in einem Ankunftszentrum des Bundesamtes. Nach dem Aufenthalt in der EAE, der in der Regel auf wenige Tage beschränkt ist, erfolgt die Weiterleitung in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes (ZUE). Dort verbleiben die Asylsuchenden bis zu ihrer Rückführung oder der Zuweisung in eine aufnahmepflichtige Kommune. 3. Wird aktuell sichergestellt, dass der gesetzliche Rahmen der Unterbringungsdauer von Asylsuchenden – vorwiegende derjenigen ohne Bleibeperspektive – in den Landesunterbringungseinrichtungen ausgeschöpft wird? Die Wohnverpflichtung und damit der Verbleib von Asylsuchenden in Landesaufnahmeeinrichtungen richten sich nach dem Asylgesetz. Nach § 47 Absatz 1 Asylgesetz sind Asylsuchende bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet. Abweichend davon sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 47 Absatz 1a Asylgesetz verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und insbesondere im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Hieran schließt die Umsetzung des zwischen Bund und Ländern am 18.06.2015 vereinbarten Aktionsplans zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren sowie einer Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote in Nordrhein-Westfalen an. In diesem Rahmen werden sämtliche Asylsuchende und neu einreisende Folgeantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans (neben Albanien wegen der Bearbeitungszuständigkeiten des BAMF in NRW auch Kosovo, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina) sowie Asylsuchende aus Georgien, vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, dem Beschleunigungsverfahren zugeführt, den Kommunen also nicht zugewiesen. Hierfür stellt das Land 1.700 Plätze im Bereich der Landesaufnahme bereit. Das Land befindet sich hinsichtlich einer Verstetigung und eines Ausbaus des Aktionsplanverfahrens im Hinblick auf die neuen asylgesetzlichen Möglichkeiten gern. §§ 5 Absatz 5, 30a Asylgesetz (beschleunigte Verfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen) derzeit in Gesprächen mit dem BAMF. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13492 4 4. Wie stellt sich aktuell das Problem dar, das nach § 49 Absatz 1 Asylgesetz die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden ist, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist (wenn möglich unter Darlegung der Anzahl von Zuweisungen an die Kommunen je Monat aufgrund der Voraussetzungen des §49 Absatz 1 Asylgesetz)? Eine wichtige Einschränkung der grundsätzlichen Wohnverpflichtung bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebung macht § 49 Absatz 1 Asylgesetz. Hiernach ist die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Dies ist insbesondere für Asylsuchende von praktischer Bedeutung, deren Rückführung aufgrund fehlender Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten insbesondere im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung oder im Bereich der Flugabschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Im Rahmen der Zuweisung von Flüchtlingen wird nicht nach Zuweisungsgründen unterschieden . Daten zur Anzahl von Zuweisungen aufgrund von § 49 Absatz1 Asylgesetz liegen der Landesregierung daher nicht vor. 5. Mit dem FlüAG 2016 stellte das Land gemäß § 4 Abs. 4 FlüAG den Kommunen für den Personenkreis der Geduldeten auf Grundlage der Asylbewerberleistungsstatistik zum Stichtag 31. Dezember 2014 Finanzmittel in Höhe von 136,2 Millionen Euro zur Verfügung. Vor dem Hintergrund, dass sich laut AZR rund 58.000 Ausreisepflichtige , davon rund 46.000 Geduldete in Nordrhein-Westfalens Kommunen befinden, dort weiterhin Hilfeleistungen beziehen, ist auch eine künftige Zahlungspflicht des Landes für diesen Personenkreis angezeigt. In welcher Form wird die Landesregierung künftig sicherstellen, dass bis zum Vollzug der Ausreisepflicht eine umfassende Berücksichtigung dieser Personen im FlüAG erfolgt? Bereits im Zuge des 9. FlüAG-Änderungsgesetzes hatte die Landesregierung in einem ersten Schritt die am 16. Dezember 2015 getroffene Vereinbarung der Regierungsfraktionen mit den Kommunalen Spitzenverbänden durch die neue Regelung in § 4 Absatz 1 FlüAG umgesetzt. Danach wird der Personenkreis der Geduldeten im Sinne von § 60a AufenthG erstmals vom FlüAG umfasst. Mit dem im parlamentarischen Verfahren befindlichen 10. Änderungsgesetz zum FlüAG folgt ein weiterer Schritt zur Umsetzung der Vereinbarung. Ab dem 1. Januar 2017 sollen die NRW-Kommunen eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale für die ihnen tatsächlich zugewiesenen Asylbewerber erhalten. Ebenfalls einbezogen werden Geduldete im Sinne des § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Berücksichtigung erfolgt - wie mit den Kommunalen Spitzenverbänden besprochen - für drei Monate nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht. Damit geht das Land über bisherige Zahlungsverpflichtungen hinaus. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13492