LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13575 24.11.2016 Datum des Originals: 24.11.2016/Ausgegeben: 29.11.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5263 vom 19. Oktober 2016 der Abgeordneten Marcel Hafke, Dr. Björn Kerbein und Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/13228 Wie viele Kinder wurden mit dem Verfahren „Delfin 4“ getestet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der zum 01.08.2014 in Kraft getretenen zweiten Revision des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) wurde die Verantwortung über die Feststellung der sprachlichen Entwicklung zwei Jahre vor der Einschulung und die sich daraus ergebende Förderung für die Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen und deren Eltern der Bildungsdokumentation in den Kindertageseinrichtungen zugestimmt haben, den Kindertageseinrichtungen selbst übertragen. Das Sprachstandfeststellungsverfahren „Delfin 4“ wird seitdem für diese Kinder nicht mehr angewendet. Kinder, die keine Kindertageseinrichtung besuchen und Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen und deren Eltern der Bildungsdokumentation nicht zugestimmt haben, werden jedoch weiterhin mit dem Verfahren „Delfin 4“ getestet. Wird bei einem Kind, das keine Kindertageseinrichtung besucht, ein Bedarf an Sprachförderung festgestellt, wird den Eltern empfohlen, ihr Kind in einer Kindertageseinrichtung anzumelden. Kommen die Eltern dieser Empfehlung nicht nach, so werden sie vom Schulamt verpflichtet, ihr Kind an einer vorschulischen Sprachfördermaßnahme in einer Kindertageseinrichtung oder in einem Familienzentrum teilnehmen zu lassen. Dies wirft die Frage auf, bei wie vielen Kindern, die keine Kindertageseinrichtung besuchen, im Zuge des „Delfin 4“-Verfahrens Sprachförderbedarf festgestellt worden ist, wie viele davon danach freiwillig an einer Kindertageseinrichtung angemeldet wurden und wie viele vom Schulamt verpflichtet wurden, an einer vorschulischen Sprachfördermaßnahme teilzunehmen. Sofern das Kind mit festgestelltem Sprachförderbedarf bereits eine Kindertageseinrichtung besucht, erfolgt weiterhin eine alltagsintegrierte Sprachförderung durch die Kindertageseinrichtung. Die alltagsintegrierte Sprachförderung basiert jedoch auf der Bildungsdokumentation, es wird daher nicht ersichtlich, wie sichergestellt wird, dass diese Kinder die notwendige, zusätzliche Sprachförderung erhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13575 2 Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 5263 mit Schreiben vom 24. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung beantwortet. 1. Wie viele Kinder wurden in den letzten fünf Jahren zum Zwecke der Sprachstandsfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung mit dem Verfahren „Delfin 4“getestet (bitte für jedes Jahr nach Kita-Kindern (gemeint sind die Kinder, die das „Delfin 4“-Verfahren gemäß der Regelung vor der 2. Kibiz-Revision absolviert haben), Kita-Kindern ohne Bildungsdokumentation und Nicht-Kita- Kindern sowie dem entsprechenden Ergebnis der Feststellung aufschlüsseln)? Die Antwort auf diese Fragen ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage nach der Zustimmung der Erziehungsberechtigten zur Bildungsdokumentation erst 2015 durch gesetzliche Regelungen relevant wurde und damit erst ab diesem Zeitpunkt beantwortet werden kann. Angaben zur Zahl der getesteten Kinder, die keine Kita besuchen, sind für das Verfahren bis einschließlich 2014 nicht möglich, da diese Zahl bis dahin nicht gesondert erfasst worden ist. Denn die Anzahl der Kinder, die in den Jahren 2012 bis 2014 mit der 2. Stufe des Verfahrens getestet wurden, setzte sich aus der Gruppe der Kinder zusammen, die keine Kita besuchten sowie aus der Gruppe, bei denen Sprachförderbedarf mit den Instrumenten der 1. Stufe nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnten. Jahrgang Anzahl der Kinder, die zwei Jahre vor der Einschulung mit dem Verfahren Delfin 4 getestet wurden Anzahl der getesteten Kinder, die eine Kita besuchen und bei denen die Erziehungsberechtigten einer Bildungsdokumentation nicht zugestimmt haben Anzahl der getesteten Kinder, die keine Kita besuchen 2012 149.742 2013 143.146 2014 142.995 2015 9.619 1.447 8.172 2016 10.552 1.010 9.542 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13575 3 2. Welche Maßnahmen sind in den letzten fünf Jahren bezüglich der Nicht-Kita- Kinder, bei denen Sprachförderbedarf festgestellt wurde, erfolgt (bitte für jedes Jahr nach Art der Maßnahme [freiwillige Anmeldung in einer Kita inklusive Bildungsdokumentation, Anmeldung in einer Kita ohne Bildungsdokumentation, verpflichtende Teilnahme an einer vor-schulischen Sprachfördermaßnahme, keine Maßnahme, etc.] aufschlüsseln)? Über die Durchführung der o.g. Maßnahmen entscheiden die 186 Jugendämter in kommunaler Selbstverwaltung. Eine zentrale Erfassung findet nicht statt. 3. Wie viele Kinder werden nach § 13c Absatz 4 Kibiz individuell gefördert (bitte nach Kindern, deren Eltern der Bildungsdokumentation zugestimmt haben sowie Kindern, deren Eltern der Bildungsdokumentation nicht zugestimmt haben, aufschlüsseln und zudem angeben, wie viel Prozent dieser Kinder eine Kindertageseinrichtung besuchen, die Sprachfördermittel nach § 21b Kibiz erhalten)? Nach § 13a KiBiz führen die Kindertageseinrichtungen die Bildung, Erziehung und Betreuung nach einer eigenen träger- und einrichtungsspezifischen pädagogischen Konzeption durch. Sprachbildung ist dabei nach § 13c Abs. 1 KiBiz ein alltagsintegrierter, wesentlicher Bestandteil der frühkindlichen Bildung für alle Kinder. Die gezielte Förderung von Kindern, die eine besondere Unterstützung in der deutschen Sprache benötigen, erfolgt ebenfalls im Rahmen der pädagogischen Konzeptionen der Träger. Die Zahl der Kinder, die nach § 13c Abs. 4 KiBiz in den Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen eine besondere Unterstützung in der deutschen Sprache benötigen, wird nicht gesondert erfasst. 4. Wie wird sichergestellt, dass Kinder mit festgestelltem Sprachförderbedarf, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, deren Eltern aber nicht der Bildungsdokumentation zugestimmt haben, im Zuge der alltagsintegrierten Sprachförderung individuell gefördert werden, obwohl diese Förderung jedoch unter anderem auf Dokumentationsmöglichkeiten basiert, denen die Eltern nicht zugestimmt haben? Die alltagsintegrierte Sprachbildung zieht sich in natürlicher Weise durch den pädagogischen Alltag und erreicht somit alle Kinder der Einrichtung. Die pädagogischen Fachkräfte stellen eine sprachanregende Umgebung bereit und orientieren sich bei der Auswahl der Themen an der Lebenserfahrung und den individuellen Interessen der Kinder. Pädagogisch sinnvoll und anerkannt – und von der ganz überwiegenden Zahl der Eltern nicht in Frage gestellt - sind entwicklungs- und prozessbegleitende Beobachtungsverfahren, da sie eine Beurteilung der kindlichen Sprachkompetenzen im Alltag der Kindertageseinrichtungen ermöglichen. Wenn dies ausdrücklicher Wunsch der Eltern ist, wird dabei auf Dokumentationsmöglichkeiten verzichtet. 5. Waren im Zuge des Modellprojekts „Kein Kind zurücklassen“ die Sprachstandfeststellungsverfahren nach „Delfin 4“ hilfreich, um die Wirkung von Maßnahmen einer Modellkommune bezüglich der Verbesserung des Sprachstandes von Kindern erfassen zu können? In den vergangenen Jahren wiesen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis darauf hin, dass weder die Anwendung von einmaligen Testverfahren noch die Einführung punktueller additiver Förderprogramme einen wirksamen Effekt auf die sprachliche Entwicklung von LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13575 4 Kindern hatte. Seit dem Kindergartenjahr 2014/ 2015 wurden daher die Maßnahmen zur Sprachförderung im Elementarbereich des Landes NRW neu ausgerichtet. Statt Testverfahren werden ganzheitliche Beobachtungsverfahren eingesetzt und daran anknüpfend eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung durchgeführt. Ergebnisse aktueller Studien weisen darauf hin, dass durch ein solches Vorgehen, die sprachliche Entwicklung von Kindern in Kindertageseinrichtungen bestmöglich unterstützt werden kann. Insbesondere die Anwendung von Beobachtungsverfahren führt bei den pädagogischen Fachkräften zu einem Kompetenzgewinn. In einer der Modellkommunen (Bielefeld) wurden parallel zum Sprachstandfeststellungsverfahren nach „Delfin 4“ die Sprachbeobachtungsbögen „Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen“ („Sismik“) und „Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern“ („Seldak“) durchgeführt. Im Ergebnis konnten dadurch auch Kinder erfasst und gefördert werden, die einen Förderbedarf hatten, obwohl sie den Test nach „Delfin 4“ bestanden hatten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13575