LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13643 01.12.0106 Datum des Originals: 30.11.2016/Ausgegeben: 06.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5306 vom 3. November 2016 der Abgeordneten Ralf Witzel und Thomas Nückel FDP Drucksache 16/13383 Angriffe und Gewalt gegen Polizeibeamte im Polizeipräsidium Bochum – In wie vielen und welchen Fällen ist es im vergangenen Jahr zu Zusammenstößen von Polizeibeamten mit diversen gewalttätigen Personen in Bochum gekommen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Immer wieder werden besorgniserregende Vorfälle bekannt, bei denen Polizeibeamte im alltäglichen Einsatz, beispielsweise bei der Erfassung von Verkehrsunfällen, bedroht und verletzt werden, und auch teilweise gezwungen sind, zum eigenen Schutz ihre Dienstwaffe zu ziehen. Gewalt, Respektlosigkeit und verbale wie körperliche Angriffe gegenüber Polizeibeamten sind eines Rechtsstaates unwürdig und gehören mit aller Konsequenz bekämpft. Ebenso ist die Existenz von konfliktreichen Räumen in keinem einzigen Großstadtquartier hinnehmbar, wie es im Ruhrgebiet offenbar leider bereits diverse zu geben scheint. Vor dem Hintergrund der ohnehin schon angespannten Personalsituation im Bereich des Polizeipräsidiums Bochum, was die auch an den Überstundenbergen ablesbare hohe Belastung der einzelnen Beamten anbelangt, muss die Entwicklung jeder Gewalt gegenüber Polizeikräften mit großer Sorge und Ernsthaftigkeit betrachtet werden. Der Überstundenberg im Polizeipräsidium Bochum beläuft sich auf beachtliche 271.000 Stunden, was einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Belastung von 142 Stunden entspricht, die deutlich über dem landesweiten Mittelwert von 91 Überstunden liegt. Aus früheren Mitteilungen der Landesregierung sind erschreckende Zahlen für das Polizeipräsidium Bochum bekannt: Die Zahl der Übergriffe gegen Polizeibeamte hat sich in den zum PP Bochum gehörenden Städte von 2010 bis 2014 fast verdreifacht (2010: 162; 2011: 346; 2012: 397; 2013: 360; 2014: 426; 2010-2014: 1.691 Fälle). Dabei waren Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte, Bedrohung sowie vorsätzliche leichte Körperverletzung die häufigsten Formen von Übergriffen. Für einen Tritt auf einen Polizeibeamten in Bochum hat das Amtsgericht einen Bauarbeiter LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13643 2 beispielsweise in diesem Sommer zu 18 Monaten Haft auf Bewährung und 2.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Die WAZ Bochum berichtet dazu am 13. Juni 2016 exemplarisch wie folgt: „‘Heutzutage meinen einige Leute, Polizisten seien Freiwild.‘ Das sagte am Montag Amtsrichter [Name] im Urteil über einen 25-jährigen Mann, der mit einem Stahlkappen-Schuh auf einen Polizeibeamten eingetreten hatte. Der Täter, nicht vorbestraft, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu anderthalb Jahren Haft auf Bewährung und 2.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Der Angeklagte arbeitete am 28. Juli 2015 als Bauarbeiter auf einer Baustelle im Bochumer Ortsteil Steinkuhl. Plötzlich gab es unter Mitarbeitern der Baustelle Ärger; so schwer, dass die Polizei gerufen wurde. Als ein Polizeikommissar (29) einen Bauarbeiter – der Cousin des Angeklagten – am Boden fixierte, weil dieser mit einem Stein auf einen Kontrahenten werfen wollte, eskalierte alles. Der Angeklagte wollte seinen Cousin befreien und ging brutal auf den knieenden Beamten los. Er kam von halb hinten und es sah so aus, als wollte er mit seinen harten Sicherheitsschuhen gegen den Kopf des Beamten treten. In letzter Sekunde konnte dieser reflexartig die Schulter hochziehen, so dass der Täter nicht den Kopf, sondern den Nacken traf. Außerdem wurde der Tritt durch die schusssichere Weste abgefedert. Durch den Tritt verlor der Polizist dennoch das Gleichgewicht und prallte gegen einen Bordstein. Nachher hatte er starke Schmerzen am Schienbein und im Kopf- und Nackenbereich. Der Angeklagte, ein zweifacher Familienvater, war geständig und reuig. Er bat den Polizisten um Entschuldigung, aber dieser lehnte ab. ‚Solche Angriffe sind nicht zu dulden‘, so der Richter. ‚Da muss die Justiz deutlich reagieren.‘ Der Oberstaatsanwalt sagte, dass man ‚fassungslos‘ sei, welche Gewalt heute gegen die Polizei angewandt werde.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ausweislich der Berichterstattung in verschiedenen Medien aktuell außerdem besondere Probleme in bestimmten Vierteln des Ruhrgebietes, in der die Gefahr der Entstehung rechtsfreier Nischen besteht und die Polizei nicht mehr allgemein als Ordnungsfaktor angesehen wird. Kriminelle Gruppierungen würden die Handlungsfähigkeit und den Respekt vor der Polizei dort bewusst schwächen, rechtstreue Bürger einschüchtern und Beamte am Vollzug von Recht und Gesetz hindern. Der Landtag hat ein Anrecht auf eine umfassende Information über die besorgniserregende Entwicklung von Gewalt und Übergriffen gegen Polizeibeamte im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Bochum. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5306 mit Schreiben vom 30. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche im Zusammenhang mit dem Phänomen „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ verzeichneten Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Bochum hat es gemäß Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Jahr 2015 sowie in den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 bereits gegeben? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13643 3 Die im Zusammenhang mit dem Phänomen „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ verzeichneten Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Bochum bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen. Datenquelle für diese Erfassung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Delikten erfolgt in der PKS nach bundeseinheitlich abgestimmten Richtlinien. Die Darstellung bezieht sich auf die Anzahl der erfassten Fälle, dabei wird nicht zwischen Vollendung und Versuch eines Deliktes unterschieden. 2. Wie viele gegen Polizeivollzugsbeamte gerichtete Beleidigungstatbestände hat es im PP Bochum jeweils jährlich seit 2012 gegeben? In der PKS werden Geschädigte und Informationen zu Geschädigten nur in den sogenannten Opfer-Delikten erfasst. Der Straftatbestand der Beleidigung ist in der PKS kein Opfer-Delikt. Daher kann durch die PKS zu der Anzahl der durch Beleidigung geschädigten Polizeibeamten und der entsprechenden Fallzahl keine Aussage getroffen werden. 3. Welche Daten liegen dem PP Bochum jeweils jährlich von 2011 bis 2015 zur Anzahl an Krankentagen von Polizeivollzugsbeamten (PVB) nach Gewalteinwirkung vor? (bitte unter Angabe der Anzahl betroffener PVB und deren Soll-Arbeitstagen) Für das PP Bochum ergibt sich für den Zeitraum 01.01.2011 bis zum 31.12.2015 folgende Anzahl an Krankentagen von Polizeivollzugsbeamten (PVB) nach Gewalteinwirkung: Jahr Anzahl betroffener PVB Krankentage PVB nach Gewalteinwirkung 2011 24 296 2012 34 134 2013 11 89 2014 21 640 2015 24 58 4. Welche konkreten Maßnahmen hat der Dienstherr allgemein sowie als Konsequenz aus den besonders gravierenden Fällen von Gewalthandlungen zum Schutz der Bediensteten im PP Bochum ergriffen? Zu den durch die Landesregierung initiierten Maßnahmen zum Schutz der PVB verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage 5297. Zudem stellt die Behördenleitung des Polizeipräsidiums Bochum, unabhängig vom Strafantrag des geschädigten PVB, als Dienstvorgesetzter vermehrt zusätzlich Strafantrag. Über das Verfahren werden die betroffenen PVB informiert. Zusätzlich werden die Beamtinnen und Beamten um Rückmeldung zum Ausgang des Verfahrens gebeten. Bei nicht erfolgter Rückmeldung der Staatsanwaltschaft zum Ausgang des Verfahrens wird diese dort eingefordert. Erfolgt seitens der Staatsanwaltschaft die Rückmeldung, dass ein Verfahren eingestellt werden soll, wird dies intensiv geprüft. Gegebenenfalls wird im Rahmen der Stellungnahme erklärt, dass das PP Bochum mit der Einstellung des Verfahrens nicht einverstanden ist. Weiterhin wird das Thema Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte seit dem Jahr 2015 in den jährlichen Besprechungen mit den Behördenleitungen des Landgerichts LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13643 4 Bochum, der Amtsgerichte Bochum, Herne, Witten sowie der Staatsanwaltschaft Bochum besprochen. 5. Namentlich welche einzelnen Straßen, Quartiere oder Örtlichkeiten in dem zum PP Bochum gehörenden Städten haben sich nach Erkenntnissen des zuständigen PP in den letzten Jahren in besonderem Maße als „Gefährliche Orte“ im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz erwiesen? Im Zuständigkeitsbereich des PP Bochum gibt es aktuell keinen Ort, welcher gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) definiert wurde. Anlage 1 der Kleine Anfrage 5306 Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte PP Bochum PP Bochum Delikt Delikt-Text 2015 09/2016 210040 Räuberischer Diebstahl § 252 StGB 1 2 222010 Sonstige Tatörtlichkeit bei gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB 6 14 222110 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB auf Straßen, Wegen oder Plätzen 15 22 224000 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 42 63 225000 Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB 0 4 232201 Nötigung im Straßenverkehr gemäß § 240 Abs. 1 StGB 1 1 232279 Sonstige Nötigung 8 8 232300 Bedrohung § 241 StGB 20 14 621021 Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte 264 203 621029 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (ohne Polizeivollzugsbeamte) 0 2 Quelle: PKS NRW Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13643