LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13644 01.12.2016 Datum des Originals: 30.11.2016/Ausgegeben: 06.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5307 vom 3. November 2016 der Abgeordneten Ralf Witzel und Thomas Nückel FDP Drucksache 16/13384 Angriffe und Gewalt gegen Polizeibeamte im Polizeipräsidium Recklinghausen – In wie vielen und welchen Fällen ist es im vergangenen Jahr zu Zusammenstößen von Polizeibeamten mit diversen gewalttätigen Personen in den zum PP Recklinghausen gehörenden einzelnen Städten gekommen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Immer wieder werden besorgniserregende Vorfälle bekannt, bei denen Polizeibeamte im alltäglichen Einsatz, beispielsweise bei der Erfassung von Verkehrsunfällen, bedroht und verletzt werden, und auch teilweise gezwungen sind, zum eigenen Schutz ihre Dienstwaffe zu ziehen. Gewalt, Respektlosigkeit und verbale wie körperliche Angriffe gegenüber Polizeibeamten sind eines Rechtsstaates unwürdig und gehören mit aller Konsequenz bekämpft. Ebenso ist die Existenz von konfliktreichen Räumen in keinem einzigen Großstadtquartier hinnehmbar, wie es im Ruhrgebiet offenbar leider bereits diverse zu geben scheint. Vor dem Hintergrund der ohnehin schon angespannten Personalsituation im Bereich des Polizeipräsidiums Oberhausen, was die auch an den Überstundenbergen ablesbare hohe Belastung der einzelnen Beamten anbelangt, muss die Entwicklung jeder Gewalt gegenüber Polizeikräften mit großer Sorge und Ernsthaftigkeit betrachtet werden. Aus früheren Mitteilungen der Landesregierung sind erschreckende Zahlen für das Gebiet des Polizeipräsidiums Recklinghausen bekannt: Die Zahl der Übergriffe gegen Polizeibeamte hat sich in den zum PP Recklinghausen gehörenden Städten von 2010 bis 2014 fast verzehnfacht (2010: 27; 2011: 186; 2012: 188; 2013: 232; 2014: 261; 2010-2014: 894 Fälle). Dabei sind Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte, Bedrohung sowie vorsätzliche leichte Körperverletzung die häufigsten Formen von Übergriffen gewesen. Unlängst hat beispielsweise die WAZ Bottrop am 5. Oktober 2016 über folgenden Vorfall in Bottrop berichtet: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13644 2 „Bei einem Tumult in der Disco ‚Prisma‘ ist in der Nacht zum Sonntag ein Polizist leicht verletzt worden. Nach Angaben der Polizei war sie Sonntag gegen 3.05 Uhr zu einem Tumult an der Diskothek gerufen worden. Die Beamten trafen auf eine Gruppe von etwa 40 bis 50 Personen, die sich zunächst gegenüber dem Sicherheitsdienst, dann gegenüber den Beamten aggressiv verhielten. Bevor die Polizei eintraf, war ein Hocker im Eingang durch eine Scheibe geworfen worden. Als die Personalien festgestellt werden sollten, wurde ein Polizeibeamter angegriffen und gegen die Schulter und ins Gesicht geschlagen. Sein Hemd wurde zerrissen. Dann zog sich der Angreifer in die Gruppe zurück. Mit Unterstützung von weiteren Streifenwagen wurden Personalien festgestellt. Im Nahbereich fanden die Beamten einen Schlagstock. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Polizeibeamte und Sachbeschädigung.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ausweislich der Berichterstattung in verschiedenen Medien aktuell außerdem besondere Probleme in bestimmten Vierteln des Ruhrgebietes, in der die Gefahr der Entstehung rechtsfreier Nischen besteht und die Polizei nicht mehr allgemein als Ordnungsfaktor angesehen wird. Kriminelle Gruppierungen würden die Handlungsfähigkeit und den Respekt vor der Polizei dort bewusst schwächen, rechtstreue Bürger einschüchtern und Beamte am Vollzug von Recht und Gesetz hindern. Der Landtag hat ein Anrecht auf eine umfassende Information über die besorgniserregende Entwicklung von Gewalt und Übergriffen gegen Polizeibeamte im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Recklinghausen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5307 mit Schreiben vom 30. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche im Zusammenhang mit dem Phänomen „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ verzeichneten Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen hat es gemäß Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Jahr 2015 und den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 bereits gegeben? Die im Zusammenhang mit dem Phänomen „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ verzeichneten Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums (PP) Recklinghausen bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen. Datenquelle für diese Erfassung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Delikten erfolgt in der PKS nach bundeseinheitlich abgestimmten Richtlinien. Die Darstellung bezieht sich auf die Anzahl der erfassten Fälle, dabei wird nicht zwischen Vollendung und Versuch eines Deliktes unterschieden. 2. Wie viele gegen Polizeivollzugsbeamte gerichtete Beleidigungstatbestände hat es im PP Recklinghausen jeweils jährlich seit 2012 gegeben? In der PKS werden Geschädigte und Informationen zu Geschädigten nur in den sogenannten Opfer-Delikten erfasst. Der Straftatbestand der Beleidigung ist in der PKS kein Opfer-Delikt. Daher kann durch die PKS zu der Anzahl der durch Beleidigung geschädigten Polizeibeamten und der entsprechenden Fallzahl keine Aussage getroffen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13644 3 3. Welche Daten liegen dem PP Recklinghausen jeweils jährlich von 2011 bis 2015 zur Anzahl an Krankentagen von Polizeivollzugsbeamten (PVB) nach Gewalteinwirkung vor? (bitte unter Angabe der Anzahl betroffener PVB und deren Soll-Arbeitstagen) Für das PP Recklinghausen ergibt sich für den Zeitraum 01.01.2011 bis zum 31.12.2015 folgende Anzahl an Krankentagen von Polizeivollzugsbeamten (PVB) nach Gewalteinwirkung: Jahr Anzahl betroffener PVB Krankentage PVB nach Gewalteinwirkung 2011 12 156 2012 15 318 2013 20 398 2014 15 71 2015 16 249 4. Welche konkreten Maßnahmen hat der Dienstherr allgemein sowie als Konsequenz aus den besonders gravierenden Fällen von Gewalthandlungen zum Schutz der Bediensteten im PP Recklinghausen ergriffen? Zu den durch die Landesregierung initiierten Maßnahmen zum Schutz der PVB verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage 5297. Darüber hinaus werden im PP Recklinghausen arbeitstäglich alle Widerstände gegen PVB in den täglichen Lagebesprechungen erörtert und ausgewertet. Auf diesem Wege können Fehlentwicklungen erkannt und entsprechende Optimierungsmöglichkeiten entwickelt werden. In gravierenden Fällen erfolgt eine Kontaktaufnahme des Sozialen Ansprechpartners mit den beteiligten PVB, um u. a. Beratungsangebote zur Vermeidung posttraumatischer Belastungen zu unterbreiten. Zudem werden die Erkenntnisse im Rahmen der internen Fortbildung aufgegriffen und im Bedarfsfall die Inhalte ereignisorientiert angepasst. In Einzelfällen erfolgt ein besonderer Eigensicherungshinweis an die PVB. Zudem wird im Rahmen eines Ermittlungsvorgangs nach einem Gewaltdelikt zum Nachteil eines PVB dieser Vorgang, unabhängig vom Strafantrag des geschädigten PVB, intensiv auf Befürwortung eines Strafantrages durch den Dienstvorgesetzten nach § 77a Strafprozessordnung geprüft und der Behördenleitung zur Entscheidung vorgelegt. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird ein Antrag zur Strafverfolgung gestellt. Der Besitz von Waffen und deren Anwendung gewinnt eine immer größere Bedeutung in der Bevölkerung. Um einen professionellen Umgang zu gewährleisten und Gefährdungen durch die Waffen auszuschließen, wurde beim PP Recklinghausen im März des Jahres 2014 eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Ziel war unter anderem, die Sensibilität der Mitarbeiter zu erhöhen, Rechtssicherheit zu schaffen und die praktizierten Verfahren zu optimieren. Mit dem Abschlussbericht unterbreitete die Arbeitsgruppe im August 2014 zahlreiche Vorschläge, die auch als präventive Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt zum Nachteil von PVB einzuordnen sind. Die Vorschläge wurden bzw. werden bei den internen Vorschriften des PP Recklinghausen z.B. bei der Dienstanweisung „Häusliche Gewalt“ berücksichtigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13644 4 5. Namentlich welche einzelnen Straßen, Quartiere oder Örtlichkeiten in dem zum PP Recklinghausen gehörenden Städten haben sich nach Erkenntnissen des zuständigen PP in den letzten Jahren in besonderem Maße als „Gefährliche Orte“ im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz erwiesen? Im Zuständigkeitsbereich des PP Recklinghausen gibt es aktuell keinen Ort, welcher gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) definiert wurde. Anlage 1 zur Kleine Anfrage 5307 Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte PP Recklinghausen PP Recklinghausen Delikt Delikt-Text 2015 09/2016 132010 Exhibitionistische Handlungen § 183 StGB 0 1 210040 Räuberischer Diebstahl § 252 StGB 0 1 222010 Sonstige Tatörtlichkeit bei gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB 2 6 222110 Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB auf Straßen, Wegen oder Plätzen 5 2 224000 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 11 13 225000 Fahrlässige Körperverletzung § 229 StGB 0 2 232201 Nötigung im Straßenverkehr gemäß § 240 Abs. 1 StGB 1 2 232279 Sonstige Nötigung 1 5 232300 Bedrohung § 241 StGB 10 24 232410 Nachstellung (Stalking) gem. § 238 StGB Abs. 1 StGB 0 2 621021 Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte 192 166 Quelle: PKS NRW Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13644