LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13646 01.12.2016 Datum des Originals: 30.11.2016/Ausgegeben: 06.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5259 vom 18. Oktober 2016 der Abgeordneten Ralf Witzel und Susanne Schneider FDP Drucksache 16/13224 Ausdehnung der Frauenquote auf nordrhein-westfälische Sparkassen und die LBS – Wie bewertet der Finanzminister die Wettbewerbssituation der regionalen Sparkassen angesichts der angedachten massiven Eingriffe in die betriebliche Personalplanung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem 1. Juli 2016 gilt für Landesbeamte im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen eine neue drastische Frauenquote. Diese sieht vor, dass innerhalb einer Vergleichsgruppe sogar eine leistungsschlechtere Frau einem leistungsbesseren Mann vorzuziehen ist. Die neuen Vorschriften sind im sogenannten Dienstrechtsmodernisierungsgesetz implementiert worden. Die neue Regelung im Landesrecht hat zu einer massiven Benachteiligung von Männern im öffentlichen Dienst geführt. Die mitten im laufenden Beförderungsverfahren erzwungene Neusortierung der Beförderungslisten hat allein in der Finanzverwaltung dazu geführt, dass 699 Männer nun schlechtere und 673 Frauen bessere Aussichten auf eine Beförderung haben als vor Inkrafttreten des neuen Art. 19 Abs. 6 LBG NRW. Mittlerweile liegen deshalb bereits zahlreiche Klagen von Beamten gegen diese neue Beförderungsregelung vor. Die Folge dieser Klagen sind – neben der demotivierenden Wirkung für die direkt Betroffenen – gerichtlich zurecht veranlasste Beförderungssperren gleich für ganze Besoldungsgruppen in einigen Ressorts. Diese höchst ungerechte und streitanfällige Frauenquote will die Landesregierung nun durch die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) auf den Bereich der Sparkassen ausdehnen. Auch dort soll künftig eine Frau einem Mann bei Positionsbesetzungen und Beförderungen nicht nur dann vorgezogen werden, wenn beide die gleiche Eignung vorweisen, sondern auch wenn die Frau innerhalb einer Bandbreite leistungsschlechter ist. Beschäftigte der Sparkassen und der Landesbausparkasse werden damit vor die gleichen Probleme gestellt wie die Landesbeamten im öffentlichen Dienst. Jedoch ist der Sachverhalt für die Sparkassen als schwerwiegender zu betrachten, da sich diese im Wettbewerb um ihre Kunden und Fachkräfte befinden und die ökonomische Leistungsfähigkeit der Institute LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13646 2 essentiell für deren Fortbestand ist. Die Schlechterstellung von männlichen Kollegen bei den Sparkassen und der Landesbausparkasse führt somit unmittelbar zu praktischen Problemen: Erstens wird sich im Unternehmen nicht mehr unbedingt der leistungsstärkste Beschäftigte bei einer Positionsvergabe oder Beförderung durchsetzen können, sofern dieser nicht weiblich ist. Dies führt tendenziell nicht zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit der Sparkassen und schwächt damit deren Wettbewerbssituation gegenüber Mitbewerbern im Bankensektor. Der Sprecher des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe (SVWL) fragt daher am 18. Oktober 2016 verständlicherweise im WDR: "Warum müssen wir plötzlich Bewerber einstellen, die schlechter als andere sind?" Zweitens werden Sparkassen damit beim Wettbewerb um Fachkräfte gegenüber anderen Marktteilnehmern schlechter gestellt. Zukünftig werden insbesondere den jungen Männern Karrierechancen bei Sparkassen verbaut, da es nicht nur bei anstehenden Beförderungen eine Schlechterstellung von Männern geben soll, sondern ebenso bei der Besetzung von Fortbildungsplätzen, die einen Angestellten für die Übernahme von Führungsverantwortung qualifizieren. Es ist naheliegend, dass sich künftig leistungsorientierte männliche Bewerber von dieser Regelung eher abschrecken lassen und einen Arbeitsplatz bei einem anderen Institut favorisieren dürften. Die Eingriffe in die Personalplanung der Sparkassen gelten analog auch für die LBS und treffen beide öffentliche Anbieter drastisch in Zeiten besonderer Herausforderungen durch immer mehr staatliche Eingriffe, zum Beispiel bei der Niedrigzinspolitik, der europäischen Einlagensicherung, der Wohnimmobilienkreditvergabe und zunehmenden bürokratischen Dokumentationspflichten. Die aktuellen Vorstellungen der Landesregierung sehen noch eine weitere Frauenquote im Sparkassenbereich vor. Zukünftig müssen in allen wesentlichen Gremien Frauen mit einem Mindestanteil von 40 Prozent vertreten sein. Somit kann sich die Vertretung des Trägers bald nicht mehr frei entscheiden, welche geeigneten Bewerber Mitglieder des Verwaltungsrates einer Sparkasse werden. Vielmehr würde auch bei der Besetzung des Verwaltungsrates eine schlechter qualifizierte Frau den Vorzug erhalten müssen, obwohl es besser qualifizierte und erfahrenere männliche Mitbewerber für diese Position gäbe. Für die fachliche Besetzung eines Gremiums, das die hochkomplexen Entscheidungen des Vorstandes überwachen soll, ist das Geschlecht als dominantes Auswahlkriterium denkbar ungeeignet. Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 5259 mit Schreiben vom 30. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage 5259 nimmt nicht nur auf die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) Bezug, sondern auch auf den im Rahmen des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes neu geregelten § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz (LBG). Diese Regelung fußt auf dem Gutachten zur Zulässigkeit von Zielquoten für Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier. Das Gutachten lässt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Norm und betont ausdrücklich die Gleichrangigkeit der Verfassungsprinzipien der Bestenauslese (Art. 33 Grundgesetz) einerseits und des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13646 3 Gleichberechtigungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) andererseits. Bei Beförderungsentscheidungen sind beide Prinzipien bestmöglich zur Geltung zu bringen. Das ist in § 19 Abs. 6 LBG entsprechend umgesetzt. Die Landesregierung hat die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte zur Kenntnis genommen und dagegen Beschwerde eingelegt. Die von den Fragestellern geäußerte Unterstellung, die Frauenquote sei höchst ungerecht, teilt die Landesregierung ausdrücklich nicht. Die Landesregierung hat mehrfach erläutert, dass die weiterentwickelte Quotenregelung in § 19 Abs. 6 LBG leistungsbezogen bleibt und Voraussetzung für die Anwendung der Quote im Falle einer Unterrepräsentanz von Frauen eine im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ist. Ähnliches gilt für die Neuregelung des Gleichstellungsrechts im Rahmen der Novellierung des LGG, das sich zurzeit noch in der parlamentarischen Beratung befindet. Das 1999 in Kraft getretene LGG hat zwar positive Entwicklungen zur Gleichstellung von Frauen und Männern bewirkt, bedurfte jedoch der Weiterentwicklung, um die nach wie vor bestehende deutliche Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsfunktionen und in Gremien öffentlicher Organisationen abzubauen. Die Erhöhung der Frauenanteile vollzieht sich hier nur sehr zögerlich. Aus der Trägerschaft durch die öffentliche Hand erwächst unter anderem für die Sparkassen sowie die LBS Westdeutsche Landesbausparkasse eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion, nicht zuletzt auch angesichts der Verpflichtungen der Wirtschaft auf der Grundlage des Teilhabegesetzes und des AGG. Gerade das Bankenwesen und hier auch die Sparkassen sind durch besonders niedrige Frauenanteile in den Führungspositionen gekennzeichnet. Deshalb sind konkretere gleichstellungsbezogene Vorgaben bei den Sparkassen angezeigt. Der Landesgesetzgeber hat hierbei von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Rahmenbedingungen für die Sparkassen als öffentlich-rechtliche Institute zu gestalten. 1. Welche wettbewerbsrelevanten Auswirkungen für die Sparkassen und die LBS sieht der Finanzminister jeweils einzeln durch die von ihm angestrebten diversen Eingriffe? Die Landesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller ausdrücklich nicht, dass ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit führt. Eine Beeinträchtigung des öffentlichen Auftrags der Sparkassen nach § 2 Sparkassengesetz NRW oder der Aufgabe der LBS Westdeutsche Landesbausparkasse nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die LBS Westdeutsche Landesbausparkasse durch die Novellierung des LGG ist nicht erkennbar. 2. Aus konkret welchen Erwägungen heraus hält der Finanzminister gerade in Zeiten der Niedrigzinspolitik, der europäischen Einlagensicherung, der Wohnimmobilienkreditvergabe und zunehmender bürokratischer Dokumentationspflichten ausgerechnet eine landesweit verordnete Frauenquote für ein geeignetes Mittel, die Zukunftsfähigkeit der Sparkassenlandschaft zu stärken? Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist keine Frage des richtigen Zeitpunktes, sondern ist aufgrund des in Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz verankerten Gleichberechtigungsgrundsatzes als verfassungsrechtlicher Auftrag zu verstehen. Folglich löst die festgestellte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13646 4 Unterrepräsentanz von Frauen in höheren Entgelt- und Besoldungsgruppen, in Führungsfunktionen und in Gremien gesetzgeberischen Handlungsbedarf aus. 3. Welche Einschätzungen zu den Auswirkungen der beabsichtigten Veränderungen liegen dem Finanzminister seitens der Sparkassenfamilie im Einzelnen vor? Es wird auf die schriftlichen Stellungnahmen der nordrhein-westfälischen Sparkassenverbände im Rahmen der Anhörung zur Neuregelung des Gleichstellungsrechts vom 29. August 2016 (LT-Drs. 16/4157) und vom 30. September 2016 (LT-Drs. 16/4302) sowie die mündlichen Ausführungen in der Anhörung zum Gesetzentwurf vom 7. September 2016 (APr 16/1407) verwiesen. Zudem haben sich die beiden nordrhein-westfälischen Sparkassenverbände mit Schreiben vom 8. November 2016 in der Angelegenheit an mich gewandt. 4. Welche Informationen liegen dem Finanzminister im Einzelnen zu bislang bereits praktizierten Konzepten und Ansätzen der Frauenförderung bei Sparkassen und LBS vor? (vollständige Darstellung erbeten) Nach § 19 Absatz 3 Satz 3 Sparkassengesetz NRW ist über die zur Einhaltung der Grundsätze des Landesgleichstellungsgesetzes und die zur Qualifikation von Frauen für Leitungsfunktionen ergriffenen Maßnahmen von den Sparkassen- und Giroverbänden regelmäßig Bericht zu erstatten. Dieser Verpflichtung sind die Sparkassenverbände nachgekommen und haben Berichte zur Frauenförderung in den jeweiligen Verbandsgebieten vorgelegt. Ziel beider Verbände ist es, Frauen beruflich zu fördern und familiengerechte Rahmenbedingungen zu schaffen. Dabei bildet das bestehende LGG den rechtlichen Rahmen für die aktuelle Gleichstellungsarbeit in den Sparkassen, wie z.B. durch die Aufstellung eines verkürzten Frauenförderplans, d.h. ohne die Benennung konkreter Zielvorgaben und Maßnahmen, und die Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten. Die Sparkassenverbände und ihre Mitgliedsinstitute haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um das Ziel einer Förderung der beruflichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu erreichen. Um Frauen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen, wurden z.B. das Projekt „Frauen in Karriere“ gestartet sowie Modelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie erarbeitet. Konkret zählen hierzu ein Mentoring-Programm für Frauen, die Unterstützung von Teilzeitarbeit für Führungskräfte und Telearbeit. Über die Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen werden spezielle Seminare zur Qualifizierung von Frauen für Leitungsfunktionen angeboten. Durch die gezielte Ansprache von Frauen wird versucht, das Bewusstsein bei qualifizierten weiblichen Beschäftigten bezüglich ihrer Eignung auch für verantwortungsvolle Führungspositionen zu stärken. Die Verbände haben darauf hingewiesen, dass nachhaltige Veränderungen einige Jahre benötigen, um sichtbar zu werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13646 5 5. Aus welchen einzelnen Erwägungen sollen die Neuregelungen nach dem Willen des Finanzministers für die beiden öffentlichen Anbieter Sparkassen und LBS vollständig gelten, aber nicht einheitlich und nur eingeschränkt für alle öffentlichen Assekuranzanbieter Provinzial-Versicherungsanstalten der Rheinprovinz, Provinzial NordWest und Lippische Landes- Brandversicherungsanstalt? Die Neuregelungen sollen für alle der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts genauso gelten wie beispielsweise für die Sparkassen und die LBS Westdeutsche Landesbausparkasse. Bei der Lippischen Landes-Brandversicherungsanstalt, die der alleinigen Aufsicht des Landes NRW untersteht, sind deshalb auch die Regelungen des LGG in seiner neuen Fassung anzuwenden. Für die Provinzial Rheinland Holding, die der Aufsicht des Finanzministeriums NRW im Einvernehmen mit dem Ministerium des Inneren und für Sport des Landes Rheinland- Pfalz untersteht, gelten die Regelungen hingegen nicht. Die alleinige Aufsicht des Landes NRW dient als Abgrenzungskriterium, um mögliche Konflikte in Anwendungsfragen des LGG zwischen verschiedenen Aufsichtsbehörden von vornherein auszuschließen. Für Assekuranzanbieter, die als Aktiengesellschaft firmieren, gilt hingegen mit Rücksicht auf die Besonderheiten ihrer privatrechtlichen Rechtsform § 2 Abs. 2 Satz 2 LGG n.F. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13646