LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13676 06.12.2016 Datum des Originals: 05.12.2016/Ausgegeben: 09.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5286 vom 26. Oktober 2016 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/13284 Vogelschutzmaßnahmenplan für das Vogelschutzgebiet „Weseraue“ Das EU-Vogelschutzgebiet „Weseraue“ ist Bestandteil des europäischen Schutzgebietssystems NATURA2000. Es ist damit eines von 28 EU-Vogelschutzgebieten im Rahmen des NATURA2000-Netzes in Nordrhein-Westfalen. Um das Vogelschutzgebiet zu sichern bzw. fortzuentwickeln, wurde der Entwurf eines Vogelschutz-Maßnahmenplans (VMP) für das EU-Vogelschutzgebiet „Weseraue“ erarbeitet. Beteiligt waren das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Die fachliche Zuarbeit erfolgte durch ein Ingenieur- und Planungsbüro sowie durch die Biologische Station im Kreis Minden-Lübbecke. Vor Ort wurde das Vogelschutzkonzept in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert, da dieses Konzept zahlreiche Einschränkungen für Besucher und Landnutzer wie Landwirte, Jäger und Fischer vorsieht. Selbst der Einsatz von „Ranger als Kontrollorgan zur Einhaltung der Verordnungen und der Aufklärung über angemessenes Verhalten im Vogelschutzgebiet“ wird empfohlen. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5286 mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Kosten sind bislang für das Vogelschutzgebiet Weseraue und die Erstellung des Vogelschutzmaßnahmenplans entstanden? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13676 2 Für die Erstellung des vorliegenden Entwurfs des Vogelschutzmaßnahmenplans (VMP) für das EU-Vogelschutzgebiet (VSG) Weseraue hat das LANUV im Jahr 2013 eine thematische Kartierung als Grundlage für die laufende Betreuung des VSG sowie für die zukünftige Pflegeund Entwicklungsmaßnahmen von einem Büro erarbeiten lassen (Kosten: 24.728,20 €). In 2015 ist im Auftrag der Bezirksregierung Detmold ein Planungsbüro mit der Erarbeitung einer Fachstudie zum VMP beauftragt worden (Kosten: 33.395,05 €). Die Biologische Station Minden-Lübbecke hat für die Mitwirkung an der Erarbeitung des VMP „Weseraue“ im Rahmen der Umsetzung der jeweiligen Arbeits- und Maßnahmenpläne auf Grundlage der Förderrichtlinie Biostationen (FöBS) bislang 80 Verrechnungseinheiten geltend gemacht (Kosten: das entspricht 4.266,40 €). 2. Wie steht die Landesregierung zu den Umsetzungsempfehlungen des Plans hinsichtlich Landwirtschaft, Jagdausübung, Fischerei und den Einsatzes von Ranger? Der Entwurf des VMP beschreibt auf der Grundlage der bestehenden gebietsspezifischen Erhaltungs- und Entwicklungsziele für verschiedene Vogelgilden geeignete Maßnahmen, die für die Sicherung und Verbesserung des Erhaltungszustandes in Frage kommen. Dabei liegt der Fokus auf den Biotopkomplexen der Auenlandschaft (auentypische Stillgewässer, Röhrichte und feuchte Hochstaudenfluren, Grünland, Äcker) und der Weser. Unter dem Kapitel „Umsetzungsempfehlungen“ werden einige konkrete Ansatzpunkte aufgezeigt, die in weiteren Gesprächen mit den Gebietsbetreuern sowie den Eigentümern und Bewirtschaftern im Sinne eines verstärkten Dialogs erörtert werden sollen, wobei die Reihenfolge keine Priorisierung darstellt. Im Zusammenhang mit der Landwirtschaft wird unter anderem das Umzäunen von potentiellen Schadflächen zum Schutz vor Fraßschä-den durch Gänse im Winter empfohlen. Dieser Vorschlag ist in weiteren Gesprächen mit den Gebietsbetreuern sowie den Eigentümern und Bewirtschaftern zu prüfen. Die vorgeschlagene verstärkte Kooperation mit der Landwirtschaftskammer (LWK) ist ausgesprochen sinnvoll, da hierdurch eine verstärkte Kooperation bei der Information und Beratung vor Ort, insbesondere über die Möglichkeiten der Agrarumweltmaßnahmen ermöglicht wird. Die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der jagdlichen Regelungen ist ein Vorschlag, der hinsichtlich der Folgen der Prädation auf die Erhaltungsziele in konstruktiven Gesprächen mit den Jagdausübungsberechtigten und dem Hegering thematisiert worden ist und soll als Grundlage für weitere geeignete Schritte (z.B. koordinierte Jagden) dienen. Der vorgeschlagene Verzicht der Jagd auf Stockenten und Höckerschwäne bestand bereits vor dem VMP-Entwurf und ist im verabredeten Dialog weiter mit den Jagdausübungsberechtigten zu erörtern. Der im Zusammenhang mit der Fischerei vorgeschlagene Erhalt der bestehenden Angelverbote sowie das Verbot des PKW-Befahrens in sensiblen Bereichen sind bereits Bestandteil der bestehenden Schutzgebietsverordnungen. Aus der laufenden Gebietsbetreuung ist bekannt, dass für die Umsetzung weitere Informationen und gegebenfalls ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die vorgeschlagene Kooperation mit den örtlichen Fischereiverbänden ist im Sinne des verstärkt zu führenden Dialogs mit den Betroffenen vor Ort ausgesprochen sinnvoll. Seitens aller Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass das VSG Weseraue einer noch intensiveren Betreuung und einer verstärkten Aufklärung der Betroffenen vor Ort über die Erhaltungsziele und die erforderlichen Maßnahmen und Verhaltensweisen bedarf. Insofern bedarf es grundsätzlich auch eines verstärkten personellen Einsatzes, um diese Aufgaben zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13676 3 erfüllen. Der in diesem Kontext verwendete Begriff des „Rangers“ ist insofern stellvertretend im Sinne einer intensiveren Gebietsbetreuung zu verstehen. Die Landesregierung unterstützt die vorgenannten Maßnahmen aus fachlicher Sicht grundsätzlich. Sie sollten möglichst konsensual umgesetzt werden. 3. Wie steht die Landesregierung zu der vorgeschlagenen Ausweitung des gesamten Vogelschutzgebietes inklusive der Erweiterungsflächen als Naturschutzgebiet? Im vorliegenden VMP-Entwurf werden vier Flächenkomplexe aufgrund ihrer hohen naturschutzfachlichen Bedeutung, ihrer ökologischen Funktionen und der Wechselbeziehungen zum bestehenden VSG sowie aufgrund des hohen Entwicklungspotenzials als mögliche Erweiterungsflächen des VSG vorgeschlagen (Naturschutzgebiet (NSG) Schmiedebruch nördlich des Ortsteils Wasserstraße; Seegraben mit Auenrandsenke zwischen den Ortsteilen Ilvese und Heimsen; Abgrabungskomplex in der Windheimer Marsch; Auenraum im Bereich des Ortsteiles Hopfenberg). Die Erweiterungsvorschläge „NSG Schmiedebruch“ und „Abgrabungskomplex Windheimer Marsch“ befinden sich nahezu vollständig im öffentlichen Eigentum beziehungsweise im Eigentum der NRW-Stiftung und werden naturschutzgemäß bewirtschaftet und gepflegt. Bei den Vorschlägen „Seegraben mit Auenrandsenke zwischen den Ortsteilen Ilvese und Heimsen“ und „Auenraum im Bereich des Ortsteiles Hopfenberg“ steht das Entwicklungspotential beziehungsweise die Pufferfunktion der Flächen stärker im Vordergrund. Inwieweit die zuvor genannten Erweiterungsvorschläge den Kriterien der EG-Vogelschutz- Richtlinie 2009/147/EG (V-RL) entsprechen wird im weiteren Verlauf des Verfahrens durch die zuständigen Naturschutzbehörden zu klären sein. Dabei sind die entsprechenden Vorgaben der Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 92/43/EWG (FFH-RL) und 2009/147/EG (V-RL) zum Habitatschutz (VV- Habitatschutz, vom 06.06.2016) anzuwenden, nach denen Natura 2000-Gebiete nur im Zuge von Koheränzsicherungsmaßnahmen oder im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen mit den Eigentümern und den kommunalen Gebietskörperschaften unter Anhörung der betroffenen Behörden und Stellen sowie der Eigentümer und sonstigen Berechtigten erweitert werden können (vgl. VV-Habitatschutz, Nrn. 2.1 und 2.2). Aufgrund der heterogenen Struktur des Schutzregimes für das VSG mit bislang sieben NSG- Verordnungen und einer Landschaftsschutzgebiets (LSG)-Verordnung aus dem Jahr 1968 schlägt der Entwurf des VMP außerdem eine Vereinheitlichung des Schutzregimes vor. Hierzu wurden zwei Varianten entwickelt. Denkbar ist zum einen eine Ausweisung des VSG (gegebenenfalls einschließlich der Erweiterungsflächen) als ein gesamtes NSG auf Basis eines abgestuften Zonierungskonzeptes. Dabei würde für die Kernzone des VSG (Schutzgebietszone 1) ein strengerer Schutz gewährleistet als für die großflächigen Ackerflächen (Schutzgebietszone 2). Alternativ wäre es denkbar die Sicherung des VSG über zwei verschiedene Schutzgebietskategorien zu realisieren. Dabei würde die Schutzgebietszone 1 als NSG und die Schutzgebietszone 2 als LSG ausgewiesen werden. Die beiden oben dargestellten Varianten bedürfen im weiteren Verlauf des Verfahrens einer weitergehenden Diskussion und Abstimmung zwischen allen Beteiligten. 4. Warum ist laut Homepage des LANUV der Entwurf des Vogelschutzmaßnahmenplans für die Beteiligten lediglich passwortgeschützt einsehbar, wo doch die größtmögliche Transparenz angezeigt wäre, um bei der Bevölkerung die erforderliche Akzeptanz zu erlangen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13676 4 Den Mitgliedern des öffentlichen Runden Tisches – also allen Verfahrensbeteiligten und - interessierten – wird nach entsprechender Diskussion der jeweils aktuellste Entwurfsstand des VMP Weseraue bekannt gegeben. Dies geschieht in einem passwortgeschützten Bereich auf der Homepage des LANUV. Diese Vorgehensweise entspricht der im Rahmen der Erarbeitung von Vogelschutz-Maßnahmenplänen für die VSG Unterer Niederrhein, VSG Hellwegbörde sowie VSG Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen mittlerweile etablierten und bei allen Beteiligten anerkannten Praxis. Auf diese Weise besteht für alle Verfahrensbeteiligten und -interessierten die Möglichkeit, am VMP-Entwurf durch Kommentare und Stellungnahmen mitzuarbeiten. Diese Vorgehensweise trägt zur Akzeptanzsteigerung bei und vermeidet erfahrungsgemäß unnötige Irritationen im Zusammenhang mit einem noch nicht vollendeten Planungsstand. Nach Fertigstellung wird der VMP dann allgemein im Internet veröffentlicht. 5. Inwieweit entsprechen die Schilderungen der Tatsache, dass die zwischenzeitlich zur Beweidung der Flächen eingesetzten Pferde geschlachtet wurden, weil die Hufe der Tiere für die permanente Nässe nicht geeignet waren? Im Zuge eines Beweidungsprojektes in der „Windheimer Marsch“, das ursprünglich vom Aktionskomitee „Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke“ ins Leben gerufenen wurde, wurde neben Rindern zunächst auch eine kleine Gruppe von Koniks (polnische Wildpferde) wegen ihres arttypischen Fressverhaltens angeschafft. Im Rahmen der Umsetzung des Beweidungsprojektes wurden die Weidetiere von der Biologischen Station Minden-Lübbecke übernommen. Sowohl die Rinder als auch die Pferde nahmen die Weideflächen gut an, was anhand der guten Reproduktionsraten und des Allgemeinzustandes der Tiere abgelesen werden konnte. Die Rinder wie auch die Pferde wurden seit Beginn des Projektes tierärztlich betreut. Nachweislich bescheinigten die Tierärzte den Tieren zu jeder Jahreszeit eine gute Vitalität. Bei Wildpferden wächst der Huf auf natürliche Art und Weise aus und bricht meist ohne menschliches Zutun ab und bildet dabei wieder die gewohnte Form. Durch diese natürliche Entwicklung sind die Tiere nicht beeinträchtigt, jedoch wirken die Hufe für den Betrachter manchmal im Vergleich mit Reitpferden „ungepflegt“. Nach Mitteilung der Biologischen Station gab es Ausnahmefälle in denen eine Behandlung der Hufe erfolgen musste. Die weitere Umsetzung des Beweidungsprojektes hat nach Angaben der Projektträger deutlich werden lassen, dass der vergleichsweise hohe Aufwand für die Pferdehaltung in keinem angemessenen Verhältnis zum gewünschten Beweidungseffekt stünde. Aus naturschutzfachlicher Sicht gingen die Projekträger davon aus, dass eine ausschließliche Beweidung mit wenigen Rindern den gewünschten Strukturreichtum in der Weserraue ebenso bewirken würde. Aus diesem Grund hat die Biologische Station Minden-Lübbecke gemeinsam mit dem Aktionskomitee „Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke“ als Eigentümer der Pferde im Frühjahr 2016 beschlossen, die Tiere wieder abzuschaffen. Die gemeinsamen Versuche, adäquate Halter für die Tiere zu finden, schlugen nach Angaben der Projektträger fehl. Ferner sei es nicht möglich gewesen, die Tiere an Zoos oder Tierparks zu verschenken, so dass die letzten drei verbliebenen Tiere, nach wochenlangen Bemühungen eine alternative Lösung zu finden, letzten Endes geschlachtet wurden. Die Landesregierung hat an dieser Entscheidung nicht mitgewirkt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13676