LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13718 08.12.2016 Datum des Originals: 07.12.2016/Ausgegeben: 13.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5313 vom 4. November 2016 des Abgeordneten Theo Kruse CDU Drucksache 16/13395 Warum hat das NRW-Innenministerium Statistiken über die Anzahl der aufgrund zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr getöteten Personen für die Jahre vor 2011 aus dem Internet gelöscht? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Einem Bericht des unabhängigen Recherchezentrums „correctiv“ vom 03.11.2016 zufolge soll NRW-Innenminister Ralf Jäger wiederholt mit falschen Statistiken über die Anzahl der aufgrund zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr getöteten Personen operiert haben, um den Blitz-Marathon in der Öffentlichkeit als Erfolgsmodell zu verkaufen (https://correctiv.org/blog/ruhr/artikel/2016/11/03/werbung-fuer-blitzmarathon-mit-falschenzahlen /). Kritisiert wird in dem Zusammenhang insbesondere, dass Innenminister Jäger ausschließlich das Jahr 2011 als Bezugsgröße heranziehe, um die Wirkung der seit 2012 durchgeführten Blitzmarathons zu beurteilen. Ähnlich hatte sich im Jahr 2012 bereits der Verkehrswissenschaftler Prof. Dr. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen geäußert. Laut Schreckenberg verfälsche dieser Vergleich, weil es „2011 erstmals seit 20 Jahren einen eklatanten Anstieg an Verkehrstoten“ gegeben habe (Westdeutsche Zeitung vom 25.10.2012). Für diesen Anstieg hatten seinerzeit auch Verkehrsforscher keine schlüssige Erklärung gefunden (Westfälischer Anzeiger vom 22.01.2013). Vor diesem Hintergrund stellt sich in der Tat die Frage, ob das Ausreißer-Jahr 2011 seriöser Weise als Maßstab für die Wirkungen des Blitz-Marathons herangezogen werden kann. „Correctiv“ hat dem o.g. Bericht zufolge deshalb versucht, die Zahlen der Verkehrstoten mit Ursache Geschwindigkeit mit älteren Daten zu vergleichen, d.h. mit den entsprechenden Zahlen der Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010. Dies sei jedoch nicht ohne weiteres möglich gewesen, weil das NRW-Innenministerium diese Angaben für die Jahre 2007 bis 2011 aus dem Internet gelöscht habe. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13718 2 Auf Nachfrage habe das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste „correctiv“ dazu mitgeteilt, dass Daten vor 2011 nicht verfügbar seien, weil sie nicht vergleichbar wären. Zu viel habe sich seither geändert. Als letzte verfügbare Zahl nenne das Ministerium also die Zahl von 235 Opfern im Jahr 2011. Von diesem hohen Sockel aus habe sich die Zahl der Verkehrstoten auf 158 Tote im Jahr 2015 reduziert. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5313 mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorwurf des unabhängigen Recherchezentrums „correctiv“, wonach Innenminister Jäger wiederholt mit falschen Statistiken über die Anzahl der aufgrund zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr getöteten Personen operiert haben soll, um den Blitz-Marathon in der Öffentlichkeit als Erfolgsmodell zu verkaufen? (Bitte zu ausführlich Stellung nehmen.) Der Vorwurf wird zurückgewiesen. Im Jahresbericht 2014 sowie in der Landespressekonferenz im Jahr 2015 zur Unfallstatistik 2014 wurde die richtige Zahl veröffentlicht. Die fehlerhafte Datendarstellung in der veröffentlichten Tabelle für die Jahre 2013 und 2014 beruhten auf einem späteren Büroversehen. In einem Balkendiagramm wurden für die Jahre 2013 und 2014 versehentlich die gleichen Zahlen eingesetzt. Dieser Fehler wurde korrigiert und mit einem Hinweis kenntlich gemacht. 2. Wann hat das Innenministerium die Zahlen der Verkehrstoten mit Ursache Geschwindigkeit für die Jahre 2007 bis 2011 aus dem Internet gelöscht? Im Verlauf der Jahre Anfang 2009/Juni 2011 erfolgte ein umfassender und phasenhaft ablaufender Website-Relaunch (CMS, Design, Struktur) des damaligen Internetangebotes www.im.nrw.de. Dies betraf u. a. auch die damaligen polizeilichen Fachinhalte. Im Zuge dieser redaktionellen Konsolidierung wurden die in Rede stehenden Statistiken auf das Internetangebot www.polizei.nrw.de verlagert und zum Download angeboten. Im Anschluss wurden im Internetangebot des Innenministeriums in der Regel thematische Pressemitteilungen und auf der Homepage ein Teaser mit einem Link auf die polizeilichen Inhalte veröffentlicht. Ende Januar 2012 wurde das polizeiliche Internetangebot aufgrund einer Sicherheitslücke abgeschaltet und am 16. März 2012 in einer redaktionell reduzierten Form als Übergangsangebot wieder online gestellt. Die redaktionelle Verantwortung für dieses reduzierte Angebot liegt beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD). Im Angebot unter www.polizei.nrw.de sind zurzeit alle Verkehrsunfallstatistiken ab 2011 auffindbar. Die Verkehrsunfallstatistik 2011 bezieht sich nicht nur auf das Jahr 2011, sondern bezieht als Referenzzeitraum auch die Jahre 2010, 2009, 2008 und 2007 mit ein. Insoweit sind auch heute noch die Zahlen zu Verkehrstoten und Verletzten, zu jungen Erwachsenen oder auch den volkswirtschaftlichen Kosten von Verkehrsunfällen (2011) recherchierbar - und sind nicht gelöscht worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13718 3 Die Entwicklung 2007 - 2012 bei den Verkehrstoten insgesamt und durch die Ursache Geschwindigkeit ist den Diagrammen der Verkehrsunfallstatistik 2012 zu entnehmen. In den darauffolgenden Statistiken wird darüber hinausgehend ein 10-Jahres-Rückblick angeboten. Die Verkehrsunfallstatistiken der Vorjahre werden zwar aus redaktionellen Gründen nicht mehr online angeboten, können aber auf Anfrage bereitgestellt werden. 3. Wer im Innenministerium hat diese Löschung veranlasst? Wie in der Antwort zur Frage 2 bereits betont, stehen alle betreffenden Informationen nach wie vor im Internet zur Verfügung. 4. Inwieweit teilt die Landesregierung die oben aufgeführte Aussage des LZPD, wonach die Daten der Jahre 2011 zur Anzahl der aufgrund zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr getöteten Personen nicht mit den Daten der Folgejahre vergleichbar seien, weil sich seither „zu viel geändert“ habe? (Ggfs. bitte ausführlich darlegen, um welche konkreten Änderungen es sich dabei handelt.) Durch das LZPD NRW ist gegenüber CORRECTIV eine Problematik der Vergleichbarkeit von Datenwerten 2011 mit 2012ff nicht thematisiert worden. Es erfolgte ausschließlich der Hinweis auf eine Systemumstellung der polizeilichen Auswerteinstrumentarien in Bezug auf die aktuelle Verfügbarkeit von retrograden Daten vor dem Jahr 2012 sowie auf Datenabweichungen bei unterschiedlichen Abfragezeiten (Stichtage). 5. Wie hat sich die jährliche Anzahl der aufgrund zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr getöteten Personen in Nordrhein-Westfalen von 1995 bis 2015 entwickelt? (Bitte nach Jahren getrennt aufschlüsseln.) Retrograde Aufzeichnungen liegen elektronisch ab dem Jahr 2004 vor. Anzahl der getöteten Personen aufgrund der Ursache Geschwindigkeit (Ursache 12/13) Jahr 2004 316 Jahr 2005 331 Jahr 2006 291 Jahr 2007 272 Jahr 2008 248 Jahr 2009 226 Jahr 2010 207 Jahr 2011 235 Jahr 2012 159 Jahr 2013 150 Jahr 2014 173 Jahr 2015 159 Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13718