LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13725 08.12.2016 Datum des Originals: 07.12.2016/Ausgegeben: 13.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5315 vom 8. November 2016 des Abgeordneten Robert Stein CDU Drucksache 16/13415 Wieso nutzt die Landesregierung keine Effizienzpotentiale der Digitalisierung, um Kapazitäten für die Verbrechensbekämpfung zu generieren? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die amtierende Ministerpräsidentin warb mit warmen Worten und einem regelrechten Sammelsurium von aneinander gereihten Beispielen in ihrer Regierungserklärung im Januar 2015 für die digitalen Potentiale unseres Landes. Geschehen ist seitdem megaherzlich wenig. NRW kann mehr und bleibt gerade im Bereich der Digitalisierung leider unter Wert regiert! Dabei könnte gerade die Arbeit der Polizei in Zeiten von niedrigsten Aufklärungsquoten von Einbruchsdelikten von den Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben, profitieren. So müssen Beamte heute beispielsweise nach Einbruchsdelikten immer noch bürokratisch ineffizient Schadensmeldungen, welche zuvor von den Opfern der Einbruchsdelikte in der Regel handschriftlich ausgefüllt wurden, zeitaufwendig per Hand in das eigene Computersystem eintragen und dokumentieren. Diese Schadensmeldungen wurden zuvor in der Regel postalisch verschickt oder von den Betroffenen persönlich auf der verantwortlichen Dienststelle abgegeben, was zu einem nicht unerheblichen Zeitverlust bei der Suche nach den Tätern führt. In den meisten Fällen werden die Täter nicht ermittelt, wodurch die eben beschriebenen Aufgaben zu einer sinnleeren und demotivierenden bürokratischen Arbeit verkommen. Es wäre dabei ein leichtes, einen entsprechenden Onlinedienst anzubieten, über welchen die Opfer von zu Hause aus über einen Zugangscode die Schadensmeldung eintragen. Ein solches Onlineformular könnte automatisch dem Aktenzeichen zugeordnet werden, unter welchem das jeweilige Delikt geführt wird, und würde beispielsweise ermöglichen, Foto- und Videomaterial von gestohlenen Dingen oder von Tätern (für die Sachfahndung sowie einer automatischen Gesichtserkennung) zu hinterlegen. Entsprechende Programmierung könnte für ein Monitoring von zumindest seltenen Gegenständen im digitalen Raum (z.B. von eBay, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13725 2 Amazon und weiteren Auktions- sowie Verkaufsplattformen) sorgen und mögliche digitale Spuren zu den Tätern liefern. Algorithmen könnten außerdem bestimmte Muster der Delikte automatisch erkennen und in der Folge bestimmten Deliktarten sowie potentiellen Täterprofilen und Täterkreisen zuordnen. Da die oben geschilderten Beispiele zweifelsohne zu einer bürokratischen Entlastung der Beamten führen, können Kapazitäten geschaffen werden, die für die aktive Verbrechensbekämpfung und somit für die operative Polizeiarbeit genutzt werden können. Dieser Fokus erhält gerade in Zeiten von Personalknappheit und einer übermäßig hohen Anhäufung von Überstunden besondere Bedeutung. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5315 mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin beantwortet. 1. Wie viel Zeit verwendet ein mit dieser Arbeit beauftragter Beamter der Polizei durch das Abtippen und Einpflegen von Schadensmeldungen durchschnittlich am Tag? Die nachgefragten Daten liegen an zentraler Stelle nicht vor. Eine Erhebung in allen Kreispolizeibehörden war aufgrund des erheblichen Datenvolumens sowie des damit einhergehenden umfangreichen Rechercheaufwandes in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Welche Software wird aktuell in den Polizeibehörden eingesetzt, um Muster und Zusammenhänge zwischen der Gesamtheit aller registrierten Straftaten zu erkennen? Zur Auswertung und Analyse des nordrhein-westfälischen Kriminalitäts-geschehens wird in Nordrhein-Westfalen die Anwendung FINDUS/PIAV-NRW eingesetzt. Die Applikation bezieht die kriminalitätsrelevanten Daten über eine Schnittstelle aus dem polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem, wobei die übertragenen Informationen strukturell aufbereitet und für den Auswerteprozess optimiert gespeichert werden. Muster und Zusammenhänge können durch gezielte Recherchen erschlossen und grafisch dargestellt werden. Darüber hinaus erlaubt die Anwendung die Recherche in länderübergreifenden, bundesweiten Verfahren des Bundeskriminalamtes, die derzeit weiterentwickelt werden. Es besteht eine direkte Anbindung an den Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) sowie an verschiedene INPOL-Falldateien. Seit Februar 2015 wird beim Landeskriminalamt das Projekt Predictive Policing durchgeführt. Ziel des Projektes ist es, Möglichkeiten und Grenzen der Prognose von Kriminalitätsbrennpunkten sowie die Effizienz und Effektivität darauf aufbauender polizeilicher Interventionen im Rahmen eines Pilotversuchs zu prüfen. Aus kriminalstrategischen Erwägungen ist diese Prüfung zunächst auf den Wohnungseinbruch ausgerichtet. Nordrhein- Westfalen hat dazu mit SKALA eine eigenständige Software entwickelt. Diese identifiziert und analysiert erforderliche Daten, wählt geeignete Algorithmen aus und stellt die Prognosen den beteiligten Kreispolizeibehörden zur Verfügung. Wesentliches Merkmal des nordrheinwestfälischen Systems ist es, dass die Polizei das System eigenständig prüft, methodisch weiterentwickelt und ggf. auf weitere Polizeibezirke oder Delikte ausweiten kann. Zur Bewertung kriminalgeografischer Zusammenhänge wurde das bisher von den Pilotbehörden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13725 3 Köln und Duisburg erprobte Projekt inzwischen auf die Bezirke der benachbarten Polizeipräsidien Düsseldorf, Essen und Gelsenkirchen ausgeweitet. Weitere polizeiliche Fachanwendungen sind nicht auf die Analyse des kriminalpolizeilichen Gesamtgeschehens, sondern auf die Analyse innerhalb einzelner komplexer Sachverhalte oder auf die analytische Betrachtung mehrerer Einzelereignisse ausgerichtet. 3. Wird entsprechende Software flächendeckend in Nordrhein-Westfalen eingesetzt? (falls nicht überall, bitte auflisten, wo entsprechende Software eingesetzt wird!) FINDUS/PIAV-NRW wird flächendeckend eingesetzt. Zugriffsberechtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Direktionen Kriminalitätsbekämpfung der Kreispolizeibehörden und des LKA NRW. Zurzeit steht die Anwendung ca. 10.500 Personen zur Verfügung. 4. Ab wann wird gegebenenfalls ein flächendeckender Einsatz entsprechender Software in Nordrhein-Westfalen erfolgen? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Wie viele Super-Recognizer werden in Nordrhein-Westfalen dauerhaft eingesetzt, um aus digitalen Beweismitteln (insbesondere Videos, Fotos) Täter zu ermitteln? (Bitte nach Einsatzort auflisten, falls nicht flächendeckend!) Das Polizeipräsidium (PP) Köln wurde im Rahmen seiner Ermittlungen zu den in der Silvesternacht 2015/2016 begangenen Straftaten von zwei sog. Super-Recognizern der britischen Polizei unterstützt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13725