LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 14.12.2016 Datum des Originals: 13.12.2016/Ausgegeben: 19.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5347 vom 10. November 2016 des Abgeordneten Bernhard Tenhumberg CDU Drucksache 16/13482 Situation der Betreuungsvereine Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Betreuungsvereine sind ein wichtiger Baustein in der Vorsorgelandschaft und bei der Umsetzung des Betreuungsrechtes. Leider ist die finanzielle Situation der Betreuungsvereine unverändert angespannt. Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 5347 mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. 1. Wann wurden seit dem Jahre 2000 die Vergütungen für ehrenamtlich und beruflich geführte Betreuungen in welcher Höhe angepasst? Die rechtliche Betreuung ist im Grundsatz unentgeltlich zu führen. Danach hat die betreuende Person grundsätzlich nur Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Aufwandsentschädigung (§§ 1835, 1835 a BGB i.V.m. § 1908i BGB). Stellt das Betreuungsgericht fest, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird, besteht ein Anspruch auf Ver-gütung. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach den Vorschriften des Vormünderund Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Wird ein Mitarbeiter eines Betreuungsvereins als Berufsbetreuer bestellt, steht die Vergütung nicht dem Betreuer, sondern dem Betreuungsverein als Arbeitgeber zu (§ 7 VBVG). Wenn die betreute Person über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügt, hat sie die Vergütung oder die Aufwandsentschädigung selbst zu tragen (§ 1836 c BGB). Wird die Mittellosigkeit nach § 1836 d BGB festgestellt, wird die Vergütung oder die Aufwandsentschädigung aus der Staatskasse gezahlt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 2 a) Aufwandspauschale bei ehrenamtlich geführten Betreuungen Bei ehrenamtlich geführten Betreuungen hat die betreuende Person die Wahl, ob sie jede einzelne Aufwendung abrechnen und entsprechend belegen will oder ob sie von der Möglichkeit Gebrauch machen will, zur Abgeltung ihres Anspruchs auf Aufwendungsersatz eine pauschale Aufwandsentschädigung zu beanspruchen. Die pauschale Aufwandsentschädigung entsprach bis zum 30. Juni 2004 dem Vierundzwanzigfachen dessen, was einem Zeugen als Höchstbetrag der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit (§ 2 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen) gewährt werden konnte. Seit dem 1. Juli 2004 entspricht die pauschale Aufwandsentschädigung dem Neunzehnfachen dessen, was einem Zeugen als Höchstbetrag der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit (§ 22 des Justizvergütungs- und - entschädigungs-gesetzes) gewährt werden kann, § 1835a Abs. 1 S. 1 BGB. Daraus ergeben sich für den angefragten Zeitabschnitt folgende jährliche Aufwandspauschalen für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer: Zeitabschnitt Stundensatz nach § 2 ZuSEG bzw. § 22 JVEG § 1835a Abs. 1 S. 1 BGB Jährliche Aufwandspauschale bis 31.12.2001 25 DM 24fache 600 DM1 01.01.2002 bis 30.06.2004 13 Euro 24fache 312 Euro 01.07.2004 bis 31.07.2013 17 Euro 19fache 323 Euro ab 01.08.2013 21 Euro 19fache 399 Euro 1 umgerechnet in Euro: 306,78 Euro (1 Euro = 1,95583 DM) b) Vergütung bei beruflich geführten Betreuungen Das Vergütungssystem für beruflich geführte Betreuungen wurde während des angefragten Zeitabschnitts durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz (2. BtÄndG) grundlegend verändert. Das bis 2005 geltende Abrechnungssystem vergütete den tatsächlichen Zeitbedarf (§§ 1836, 1836a BGB, § 1 BVormVG). Die Berufsbetreuer mussten für jede Betreuung sämtliche Einzeltätigkeiten und den jeweiligen Zeitaufwand nachweisen. Seit 1999 erhielten die Berufsbetreuer feste Nettostundensätze, die auf die formale Qualifikation des Betreuers (keine besonderen Kenntnisse, abgeschlossene, für die Betreuung nutzbare Ausbildung, abgeschlossenes, für die Betreuung nutzbares Hochschulstudium) abstellten. Neben der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 3 Stundenvergütung konnten zusätzlich der einzeln nachzuweisende Aufwendungsersatz und die Umsatzsteuer abgerechnet werden. Übersicht der Stundensätze bis zum 30. Juni 2005: Vergütungsstufe Stundensatz bis 31.12.2001 (§ 1 BVormVG) Stundensatz bis 30.06.2005 (§ 1 BVormVG) 1 (keine besonderen Kenntnisse) 17,90 Euro (35 DM) 18 Euro 2 (abgeschlossene, für die Betreuung nutzbare Ausbildung) 23,01 Euro (45 DM) 23 Euro 3 (abgeschlossenes, für die Betreuung nutzbares Studium) 30,68 Euro (60 DM) 31 Euro Mit dem 2. BtÄndG wurde das Vergütungssystem zum 1. Juli 2005 auf eine Pauschalvergütung für Berufsbetreuer umgestellt (§§ 4 und 5 VBVG). Der Zeitbedarf wurde gesetzlich festgelegt und ist nach Aufenthaltsort, Vermögensverhältnissen und Dauer der Betreuung gestaffelt. Der Stundensatz richtet sich weiterhin nach der formalen Qualifikation des Betreuers. Der Stundensatz enthielt zunächst neben der Vergütung einen pauschalen Aufwendungsersatz und die Umsatzsteuer (Inklusivstundensatz). Durch die Vergütungspauschalierung wurde eine erhebliche Vereinfachung des Verwaltungsaufwands bei den Berufsbetreuern und den Betreuungsgerichten erreicht. Für die Vormünder, deren Vergütung sich auch nach dem 1. Juli 2005 nach der tatsächlich aufgewendeten Zeit richtet, wurden mit dem 2. BtÄndG die Stundensätze auf 19,50 Euro (+ 8,3 %), 25 Euro (+ 8,7 %) bzw. 33,50 Euro (+ 8,1 %) angehoben (§ 3 VBVG). Diese Erhöhung wurde auch bei dem Stundensatz der Berufsbetreuer umgesetzt. Bei der Bestimmung des Stundensatzes wurde zusätzlich eine Aufwandspauschale in Höhe von 3 Euro pro Stunde berücksichtigt. Weiterhin wurde die Umsatzsteuer in Höhe von 16 % in den Stundensatz eingerechnet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 4 Berechnung der Inklusivstundensätze im Rahmen des 2. BtÄndG: Vergütungsstufe § 3 VBVG (Vormund) Aufwandspauschale zuzüglich 16 % USt. § 4 VBVG (Betreuer) 1 19,50 Euro + 3 Euro + 16 % = 26,10 Euro 27,00 Euro 2 25,00 Euro + 3 Euro + 16 % = 32,48 Euro 33,50 Euro 3 33,50 Euro + 3 Euro + 16 % = 42,34 Euro 44,00 Euro Unter Berücksichtigung der vorgenommenen Aufrundung ist es mit der Einführung der Pauschalvergütung unter Abzug der Umsatzsteuer in Höhe von 16 % und der Aufwandspauschale zum 1. Juli 2005 zu folgender effektiven Stundensatzerhöhung gekommen: Vergütungsstufe § 1 BVormVG (bis 30.06.2005) § 4 VBVG (netto) (ab 01.07.2005) Steigerung zum 01.07.2005 1 18 Euro 20,28 Euro + 12,67 % 2 23 Euro 25,88 Euro + 12,52 % 3 31 Euro 34,93 Euro + 12,68 % Die Ausgaben im Justizhaushalt für Aufwendungsersatz und Vergütung (§§ 1835, 1836 BGB) sind nach der Einführung der Pauschalvergütung signifikant gestiegen. Betrugen die Ausgaben für diese beiden Positionen im Jahr 2004 noch rund 99 Mio. Euro, so stiegen sie im Jahr der Einführung der Pauschalvergütung bereits auf 107,6 Mio. Euro und im Jahr 2006 auf 121,1 Mio. Euro. Hierdurch haben sich die Gesamtausgaben pro Betreuung wesentlich erhöht. Die Stundensätze des VBVG sind seit der Einführung der Pauschal-vergütung nicht verändert worden. Zum 1. Januar 2007 wurde die Umsatzsteuer von 16 % auf 19 % ohne Abänderung des Inklusivstundensatzes erhöht. Seit dem 1. Juli 2013 unterliegt die Vergütung für beruflich geführte Betreuungen nicht mehr der Umsatzsteuerpflicht, § 4 Nr. 16 k) Umsatzsteuergesetz. Bei den Betreuungsvereinen ist bis zum Wegfall der Umsatzsteuerpflicht zum 1. Juli 2013 lediglich der ermäßigte Umsatzsteuersatz in Höhe von 7 % angefallen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 5 Die Abschaffung der Umsatzsteuerpflicht hat zu keiner Abänderung des Inklusivstundensatzes geführt. Der bislang auf die Umsatzsteuer entfallende Teil ist bei den Berufsbetreuerinnen und -betreuern verblieben. Hierdurch ist es zum 1. Juli 2013 effektiv zu nachfolgender Einkommenssteigerung gekommen (allerdings vermindert um die weggefallene Möglichkeit des Vorsteuerabzugs): Vergütungsstufe § 1 BVormVG (bis 30.06.2005) § 4 VBVG (netto1) (ab 01.07.2005) § 4 VBVG (netto2) (ab 01.07.2013) (effektive) Steigerung zum 01.07.2013 1 18 Euro 20,28 Euro 24 Euro + 18,34 % 2 23 Euro 25,88 Euro 30,50 Euro + 17,85 % 3 31 Euro 34,93 Euro 41 Euro + 17,38 % 1 abzüglich USt. in Höhe von 16 % und Aufwandspauschale (3 Euro) 2 abzüglich Aufwandspauschale (3 Euro) 2. Wie viele Betreuungsvereine werden vom Land in welchem Umfang finanziell gefördert? Für das Förderjahr 2015 erhielten insgesamt 172 Betreuungsvereine (81 Betreuungsvereine in Westfalen-Lippe und 91 Betreuungsvereine im Rheinland) eine Förderung nach den Richtlinien zur Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung. Das Förderverfahren 2016 läuft noch. Die genauen Förderzahlen 2016 können daher erst nach Bestandskraft der Bescheide und der statistischen Auswertung übermittelt werden. 3. Wann wurden die Fördersätze (vgl. Frage 2) seit dem Jahr 2000 der allgemeinen Kostenentwicklung angepasst? Bis zum 31. Dezember 2002 erhielten die Betreuungsvereine entsprechend der seinerzeit gültigen Richtlinie für die Wahrnehmung der Gewinnung und Qualifizierung ehrenamtlicher Betreuer (sog. Querschnittaufgaben) eine jährliche Pauschale. Im Jahr 2003 wurde die Förderung der Betreuungsvereine eingestellt und im Jahr 2004 durch neue Förderrichtlinien wieder aufgenommen. Die Betreuungsvereine mit mindestens 20 Betreuern erhielten danach eine Förderung für jede bereits bestehende Betreuung in Höhe von 70 € (Bestandsförderung) sowie eine Prämienförderung in Höhe von 300 € für jede erste neue Betreuung und 150 € für jede weitere neue Betreuung (bis drei Betreuungsfälle). Ab dem Jahr 2007 wurde die Eingangsschwelle von 20 auf 15 Betreuer abgesenkt und die Bestandsförderung auf 100 € erhöht, wenn eine ehrenamtlich betreuende Person mehr als eine Betreuung führt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 6 Seit dem Jahr 2015 erhalten die Betreuungsvereine aufgrund einer Erhöhung des Haushaltsansatzes von 200.000 € darüber hinaus neben der Bestands- und der Prämienförderung zusätzlich als weitere Säule eine Basisförderung in Höhe von 1.700 €, wenn der Betreuungsverein die in § 1908f Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgeführten Querschnittsaufgaben sowie die in § 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB genannten Informationsveranstaltungen zu Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen durchgeführt hat. In der Folge einer weiteren Erhöhung der Haushaltsmittel um 1 Mio. € wurde die Basisförderung im Jahr 2016 auf 6.250 € pro Betreuungsverein unter Beibehaltung der Höhe der Bestands- und Prämienförderung angehoben. 4. Wie viele Fördervereine haben ihre Arbeit seit dem Jahr 2000 eingestellt? Die Widerrufe/Auflösungen von Betreuungsvereinen in NRW verteilen sich wie folgt: Jahr Westfalen-Lippe Rheinland Gesamt 2004 1 3 4 2005 2 2 4 2006 3 1 4 2007 1 3 4 2008 2 2 4 2009 1 3 4 2010 2 2 4 2011 2 0 2 2012 2 1 3 2013 1 1 2 2014 3 1 4 2015 3 1 4 Zahlen für davorliegende Jahre sind nicht in gleicher Weise dokumentiert. Eine Unterscheidung, ob es sich um einen Widerruf von Amts wegen auf Initiative des Landesbetreuungsamtes handelt, z.B. weil die gesetzlichen Aufgaben nicht erfüllt wurden, oder ob es sich um Widerrufe auf eigenen Antrag aufgrund einer Vereinsauflösung (z.B. wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder auch aus anderen Gründen) handelt, ist mangels einer statistischen Differenzierung nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13772 7 5. Wie hat sich die Anzahl der gesetzlich angeordneten Betreuungen seit dem Jahr 2000 entwickelt? Bestand von Betreuungsverfahren am Ende des jeweiligen Berichtszeitraums: Berichtsjahr für NRW Veränderung für Deutschland Veränderung 2000 210.778 886.265 2001 224.966 + 6,73 % 949.733 + 7,16 % 2002 237.768 + 5,69 % 1.009.134 + 6,25 % 2003 250.516 + 5,36 % 1.060.731 + 5,11 % 2004 264.911 + 5,75 % 1.116.782 + 5,28 % 2005 273.232 + 3,14 % 1.154.560 + 3,38 % 2006 282.829 + 3,51 % 1.182.780 + 2,44 % 2007 290.207 + 2,61 % 1.195.863 + 1,11 % 2008 301.783 + 3,99 % 1.224.668 + 2,41 % 2009 302.483 + 0,23 % 1.242.228 + 1,43 % 2010 305.803 + 1,10 % 1.267.834 + 2,06 % 2011 309.497 + 1,21 % 1.267.195 - 0,05 % 2012 308.995 - 0,16 % 1.272.947 + 0,45 % 2013 296.651 - 3,99 % 1.256.608 - 1,28 % 2014 292.910 - 1,26 % 1.250.370 - 0,50 % 2015 285.604 - 2,49 % 1.221.676 - 2,29 % Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13772