LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13817 19.12.2016 Datum des Originals: 16.12.2016/Ausgegeben: 22.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5364 vom 21. November 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/13563 Orientierungsloses und planloses Agieren der Bezirksregierung Arnsberg bei offenkundigen Sicherheitslecks bei Mitarbeitern in Landes-Flüchtlingsunterkünften Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach den Vorwürfen gegen einen ehemaligen Heimleiter der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes in Finnentrop und die auftauchenden Fragen nach der Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeitern abseits von Sicherheitsfirmen sind seitens der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg widersprüchliche Aussagen zu vernehmen. Noch am Mittwoch 16. November 2016 erklärte die Bezirksregierung Arnsberg gegenüber dem WDR, dass ab sofort nicht nur die Wachleute von Flüchtlingsunterkünften überprüft werden, sondern das gesamte Personal der Betreuungsverbände. Das gelte allerdings nur für neueingerichtete Unterkünfte oder beim Wechsel des Betreibers. Die Bezirksregierung begründete dieses Vorgehen gegenüber dem WDR damit, dass die Betreuungsverbände keine Anfragen beim Verfassungsschutz oder LKA stellen können. Und ob Unterlagen gefälscht sind, könnten die Verbände oft nicht herausfinden. Per Pressemitteilung der Bezirksregierung Arnsberg vom 18.11.2016 wurde dann jedoch erklärt, dass das Betreuungsunternehmen die Verantwortung für seine Mitarbeiter trage. Die Behörde in Arnsberg beharre darauf, dass das Betreuungsunternehmen EHC für die Überprüfung des Personals verantwortlich ist. Das sei auch in Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz möglich, verlautbarte die Bezirksregierung zwei Tage nachdem vorher noch eine Überprüfung von Mitarbeitern durch Verfassungsschutz und LKA durch Private als nicht möglich dargestellt wurde. Die Bezirksregierung verwies darauf, dass Betreuungsunternehmen nötigenfalls auch die Vorlage von ausländischen Führungszeugnissen von Bewerbern verlangen müssen, um das sicherzustellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13817 2 Auch zur grundsätzlichen Zusammenarbeit mit der Firma European Homecare äußerte sich die Bezirksregierung. Nachdem aktuell die Verträge für die Betreuungsverbände neu ausgeschrieben werden und zum Teil auch aktuell an EHC vergeben wurde, erklärte die Bezirksregierung Arnsberg nun, dass man prüfen müsse, „ob eine weitere Zusammenarbeit möglich ist, wenn die Betreuungsunternehmen ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht werden.“ Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5364 mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Ziel der Landesregierung ist es, im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten alles zu tun, um den bestmöglichen Schutz geflüchteter Menschen in den Landeseinrichtungen sicherzustellen. Gewalt, Verfolgung oder Unterdrückung werden nicht geduldet. In den Landeseinrichtungen dürfen daher nur solche Personen beschäftigt werden, aus deren Vita oder persönlicher Einstellung sich keine Gründe ergeben, die befürchten lassen, dass die einzustellende Person nicht zuverlässig die Betreuung und den Schutz der Flüchtlinge gewährleisten kann. Dies gilt unabhängig von der vorgesehenen Funktion. Um dies zu gewährleisten, werden Personen, die in den Landeseinrichtungen dauerhaft tätig sind, vor ihrem Einsatz überprüft. Gemäß § 44 Absatz 3 Asylgesetz, der erstmals seit 17.03.2016 bundesgesetzliche Vorgaben regelt, sind Betreuungspersonen verpflichtet, dem Träger der Einrichtung vor ihrer Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 und § 30 a Absatz 1 Bundeszen-tralregistergesetz (BZRG) vorzulegen. Die Beschäftigung von Personen, die rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171 (Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht), 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung), 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen), 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 (Menschenhandel, Zwangsprostitution u. a.) StGB verurteilt worden sind, ist unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für hauptamtliche und ehrenamtlich Tätige. Bei dem in der Vorschrift genannten Führungszeugnis handelt es sich um ein deutsches Führungszeugnis, das ausschließlich Auskunft gibt zu Einträgen nach deutschem Recht. Überdies enthält die Vorschrift keine Ermächtigung zu einer Sicherheitsüberprüfung des Betreuungspersonals durch die zuständigen Sicherheitsbehörden. Das Land hat lange vor Inkrafttreten dieser bundesgesetzlichen Vorgabe - bereits im Oktober 2014 - mit den Betreuungsorganisationen vereinbart, dass ein erweitertes Führungszeugnis beim Arbeitgeber ohne relevante Eintragungen (z. B. Körperverletzungs-, Betäubungs- und Arzneimittelmissbrauchs-, Sexual- und Staatsschutzdelikte) sowie eine Eigenerklärung, dass keine für die Tätigkeit relevanten Vorstrafen (z. B. Körperverletzungs-, Betäubungs- und Arzneimittelmissbrauchs-, Sexual- und Staatsschutzdelikte) vorliegen und aktuell kein Verfahren anhängig ist, vorgelegt werden. Diese Verfahrensweise - und die seit März 2016 im Bundesrecht geregelten Vorgaben - für Betreuungspersonal in Flüchtlingsunterkünften entsprechen im Übrigen den in den §§ 45 und 72 a SGB VIII geregelten Anforderungen für Betreuungspersonal in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Außerdem können die in den Landeseinrichtungen für Flüchtlinge tätigen Betreuungsorganisationen anlassbezogen Personen für eine Überprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz vorlegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13817 3 Für eine darüberhinausgehende Regelanfrage beim Verfassungsschutz und bei der Polizei besteht keine Rechtsgrundlage. Auch die Vorlage eines Führungszeugnisses aus dem jeweiligen Heimatland des Betreuers kann mangels Rechtsgrundlage seitens des Landes nicht verlangt werden. Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen und die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, können selbst beantragen, dass in ihr Führungszeugnis nach den §§ 30 oder 30a die Mitteilung über Eintragungen im Strafregister ihres Herkunftsmitgliedstaates vollständig und in der übermittelten Sprache aufgenommen wird (Europäisches Führungszeugnis). Der Herkunftsmitgliedstaat beantwortet ein Ersuchen um Mitteilung des dortigen Registerinhalts allerdings nur nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts. Nach Information des Bundesjustizamtes haben mehrere EU- Mitgliedstaaten bislang entsprechende gesetzliche Regelungen, die eine Erteilung von Registerinformationen für ein Europäisches Führungszeugnis ermöglichen würden, nicht umgesetzt. Derzeit erteilen die folgenden EU-Mitgliedstaaten aufgrund ihres aktuell geltenden innerstaatlichen Rechts keine Auskünfte aus ihrem Strafregister für ein Europäisches Führungszeugnis: Lettland, Niederlande, Portugal, Italien, Slowenien und Ungarn. Die Landesregierung hat inzwischen den Bund auf den für die Praxis unbefriedigenden Zustand aufmerksam gemacht. 1. Aus welchen Gründen ist der Bezirksregierung anscheinend nicht klar, in welcher Form privaten Betreuungsunternehmen das Recht zusteht, eigene Mitarbeiter zu überprüfen? 2. Welche sicherheitsrechtlichen Maßnahmen ergriff die Bezirksregierung bislang selbst zur Überprüfung von Mitarbeitern in Landesaufnahmeeinrichtungen – abseits von Bewachungspersonal? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für die Prüfung der Eignung des in den Landeseinrichtungen eingesetzten Betreuungspersonals ist der in der Vorbemerkung dargestellte Rechtsrahmen maßgeblich. Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirksregierung Arnsberg über diesen Rechtsrahmen keine Klarheit hat, liegen nicht vor. Die in der Vorbemerkung angesprochene Vereinbarung mit den Betreuungsorganisationen im Oktober 2014 zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses wurde von der Bezirksregierung Arnsberg getroffen. 3. Aus welchem Grund fand bislang keine Überprüfung von Mitarbeitern in Landesaufnahmeeinrichtungen abseits von Bewachungspersonal statt? Für eine anlasslose regelmäßige Sicherheitsüberprüfung bei Polizei und Verfassungsschutz des von den Betreuungsorganisationen in den Landeseinrichtungen eingesetzten Betreuungspersonals besteht keine Rechtsgrundlage. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13817 4 4. Aus welchem Grund wird – laut Aussage der Bezirksregierung Arnsberg – ausdrücklich auf eine Überprüfung bereits tätiger Mitarbeiter verzichtet und nur eine Überprüfung für neue Mitarbeiter oder bei einem künftigen Wechsel des Betreibers angekündigt? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5. Wie erklärt es die Landesregierung, dass einerseits aktuell Betreuungsverträge mit EHC geschlossen werden (z.B. Rüthen), während die Bezirksregierung Arnsberg parallel prüfen werde, ob eine weitere Zusammenarbeit mit EHC als Betreuungsunternehmen möglich ist? Die Betreuungsleistungen in den Unterbringungseinrichtungen sind nach den Vorgaben des Vergaberechts regelmäßig auszuschreiben. Der Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung der Betreuungsleistungen für die Einrichtung in Rüthen wurden die in der Vorbemerkung beschriebenen Anforderungen zugrunde gelegt. Im Vergabeverfahren, an dem insgesamt fünf Bieter teilnahmen, wurden zu 40 Prozent der Preis und zu 60 Prozent die Qualität der angebotenen Leistung gewertet. Letztlich hat sich European Homecare (EHC) durchgesetzt. Grundsätzlich obliegt es der Bezirksregierung, im Rahmen eines laufenden Vergabeverfahrens zu prüfen, ob nach den einschlägigen vergaberechtlichen Regelungen Gründe für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren vorliegen. Im Übrigen hat die Bezirksregierung als Vertragspartner des Betreuungsunternehmens grundsätzlich die Möglichkeit und Verpflichtung, zu prüfen, ob während der Vertragslaufzeit Vorkommnisse eintreten, die zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13817