LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13819 19.12.2016 Datum des Originals: 16.12.2016/Ausgegeben: 22.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5339 vom 16. November 2016 des Abgeordneten Christof Rasche FDP Drucksache 16/13472 Wird beim Schutz der Bevölkerung vor Schienenlärm mit zweierlei Maß gemessen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 28. Januar 2016 hat der Deutsche Bundestag einstimmig den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Menschen- und umweltgerechten Ausbau der Rheintalbahn realisieren“ (Drucksache 18/7364) beschlossen. Er sieht vor, dass der Bund Kosten in Höhe von rund 1,521 Milliarden Euro übernimmt, die durch zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen beim Ausbau der Rheintalbahn Karlsruhe–Basel entstehen. Dabei handelt es sich insbesondere um einen zweiröhrigen etwa 7 km langen Eisenbahntunnel in Offenburg, eine alternative Trassierung zwischen Offenburg und Riegel sowie weitere Lärmschutzmaßnahmen, die über das gesetzlich vorgesehene Maß deutlich hinausgehen. In einem weiteren Antrag der Koalitionsfraktionen („Menschen- und umweltgerechte Realisierung europäischer Schienennetze“, Drucksache 18/7365) wurde ebenfalls einstimmig beschlossen, dass im Einzelfall und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel auch in anderen Fällen besonderer regionaler Betroffenheit durch Schienengüterverkehre ein Schutz von Anwohnern und Umwelt erreicht werden kann, der über das gesetzliche Maß hinausgeht. Ein ähnlich hohes Schutzniveau, wie es bei der Rheintalbahn verbindlich vorgesehen ist, wird damit für andere bundes- und europaweit bedeutsame Strecken wie den dreigleisigen Ausbau der Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Oberhausen allerdings nicht gewährleistet. Die Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Betuwe-Linie beklagen sich daher darüber, dass sie vom Bundestag zu Bürgern zweiter Klasse degradiert wurden. In einer Erklärung zur Abstimmung der beiden Anträge haben 50 Mitglieder der NRW- Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion zu Protokoll gegeben, dass die verabschiedeten Anträge aus ihrer Sicht nur ein erster Schritt sein könnten. Zur Vermeidung von zahlreichen Klagen und im Sinne eines zügigen Baubeginns seien zusätzliche Lärmschutz- und Sicherheitsmaßnahmen – die im Vorfeld mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern abgestimmt sind – im laufenden Planfeststellungsverfahren des dreigleisigen Ausbaus der Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Oberhausen und beim sechsgleisigen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13819 2 Ausbau der Strecke Duisburg–Düsseldorf im Zuge des Rhein-Ruhr-Express zwingend erforderlich. Die NRW-Landesgruppe werde sich dafür einsetzen, im Rahmen weiterer parlamentarischer Verfahren einen vergleichbaren Schutz von Mensch und Umwelt vor Schienenverkehrsbelastungen zu erreichen, wie er für die Rheintalbahn beschlossen wurde. Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 5339 mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Der Schutz vor Bahnlärm ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Gerade in Nordrhein-Westfalen, der größten Logistik-Drehscheibe Deutschlands, sind die Anwohnerinnen und Anwohner zahlreicher Bahnstrecken von hohen Lärmpegeln betroffen. Nach den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung muss bei entsprechend hohen Lärmpegeln mit Gesundheitsbeeinträchtigungen gerechnet werden. Dies zeigt eine Literaturstudie des Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, die gemeinsam mit den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen im Sommer 2015 erstellt wurde. Die Ergebnisse sind auf den Internetseiten des MKULNV veröffentlicht: https://www.umwelt.nrw.de/umweltschutz-umweltwirtschaft/umwelt-undgesundheit /laerm/strassen-und-schienenverkehrslaerm/ 1. Wie schätzt die Landesregierung die Schienenverkehrsbelastungen der Anwohnerinnen und Anwohner der Betuwe-Linie im Vergleich zu denen der Anlieger der Rheintalbahn ein? Aussagen zu den Lärmbelastungen an den Hauptschienenstrecken des Bundes treffen die Lärmkarten des Eisenbahnbundesamtes: http://laermkartierung1.eisenbahnbundesamt .de/mb3/app. php/application/eba. An den Wohngebäuden in der Nähe der Betuwe-Linie weist die aktuelle Lärmkartierung Dauerschallpegel bis zu 70 dB(A) nachts aus. Die Maximalpegel, die zu gesundheitsschädlichen Aufwachreaktionen führen können, können deutlich darüber liegen. 2. Wie bewertet die Landesregierung die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Lärmschutzmaßnahmen beim Ausbau der Rheintalbahn im Vergleich zu dem für andere Schienenverkehrsprojekte, insbesondere für die Betuwe-Linie vorgesehenen Schutzniveau? Die Landesregierung begrüßt die neue kostenintensive Qualität von Lärmschutz an der Rheintalstrecke, die weit über das geltende gesetzliche Regelwerk zum Schutz vor Schienenlärm hinaus geht und erwartet selbstverständlich, dass dies Maßstab auch für schutzbedürftige Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen wird. Der Qualitätssprung beim Lärmschutz im Rahmen des Ausbaus der Rheintalbahn mit dem „Offenburger Tunnel“ wird maßgeblich begründet mit der Lage als eine der Hauptrouten im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13819 3 Rahmen der TEN-V-Netzkorridore1. Diese Begründung lässt sich übertragen auf alle Routen der TEN1-Korridore als Schienengütertrassen in Nordrhein-Westfalen. Die beschlossenen Lärmschutzmaßnahmen führen zu einer Minderung der Lärmbelastung und sind grundsätzlich zu begrüßen. 3. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung bisher unternommen, um für die schutzbedürftigen Bürgerinnen und Bürger entlang der Betuwe-Linie die gleichen Lärmschutzmaßnahmen zu erreichen wie für die Anlieger der Rheintalbahn? 4. Ist die Landesregierung bereit, die Bundesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative dazu aufzufordern, die im Bundestagsbeschluss „Menschenund umweltgerechte Realisierung europäischer Schienennetze“ enthaltenen Vorgaben auch beim dreigleisigen Ausbau der Betuwe-Linie anzuwenden? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein- Westfalen hat sich bereits im Dezember 2015 an die nordrheinwestfälischen Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen gewandt und eindringlich darum gebeten, dem Beschluss zum Bau des „Offenburger Tunnels“ mit der Maßgabe zuzustimmen, dass zumindest entlang von Schienengütertrassen im Rahmen der Verkehrskorridore des TEN-Verkehr-Kernnetzes gleiches Recht für Lärmschutz für alle gilt. Die Abgeordneten wurden aufgefordert, eine Entscheidung zugunsten eines bundeseinheitlichen Lärmschutzes entlang von Schienengütertrassen im Rahmen der Verkehrskorridore des TEN-Verkehr-Kernnetzes herbeizuführen. Die Landesregierung setzt sich zudem im Rahmen der Lärmminderungsstrategie NRW dafür ein, Verbesserungen der gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Schienenlärm zu bewirken. Die Landesregierung hat sich beispielsweise in dem Vermittlungsverfahren des Bundesrates zur Änderung des § 43 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes dafür stark gemacht, eine möglichst frühzeitige Streichung des Schienenbonus zu erreichen. Dies mit Erfolg. Im Bundesrat sowie in der Umweltministerkonferenz gab es zudem Initiativen des MKULNV mit folgenden Zielen: - Einführung eines verkehrsträgerübergreifenden Lärmschutzes, - Schaffung eines Anspruchs auf Lärmminderung an bestehenden Schienenstrecken, - Gewährleistung eines gesunden Nachtschlafs der Anwohnerinnen und Anwohner durch Einführung von Maximalpegeln, - Überarbeitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV sowie der Auslösewerte für die Lärmsanierung unter Berücksichtigung der Empfehlungen der WHO, - Schaffung einer Anordnungsbefugnis für betriebsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. 1 Die Abkürzung TEN steht für Transeuropäische Netze (englisch Trans-European Networks): EU- Programm für eine bessere Vernetzung im Binnenmarkt und eine gewisse Vereinheitlichung der Verkehrssysteme bei Verkehr, Energie und Telekommunikation. Die Abkürzung TEN-V steht für Transeuropäische Netze für Verkehr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13819 4 Gemeinsam mit den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg haben sich MKULNV und MBWSV 2014 an das Bundesverkehrsministerium (BMVI) mit der Bitte gewandt, rechtliche Möglichkeiten für Betriebsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen zu schaffen. Dieser Forderung hat der BMVI nun in Teilen Rechnung getragen und einen Gesetzentwurf zum Verbot des Betriebes lauter Güterwagen vorgelegt. Den weiteren Forderungen ist der Bund bisher nicht nachgekommen. Auf Initiative des MKULNV hat die 86. Umweltministerkonferenz daher den Bund gebeten, freiwillig Haushaltsmittel bereitzustellen, um über das rechtlich erforderliche Maß hinausgehenden Lärmschutz zu realisieren, wo es zu einer Ungleichbehandlung der Anwohnerinnen und Anwohner an neuen Schienenstrecken kommt. 5. Sind der Landesregierung im Nachgang zu den Beschlüssen des Deutschen Bundestages vom 28. Januar 2016 Aktivitäten der NRW-Landesgruppe in der SPD- Bundestagsfraktion bekannt, die darauf abzielen, den Lärmschutz für die Anwohnerinnen und Anwohner der Betuwe-Linie bzw. des Rhein-Ruhr-Express zu verbessern, und wenn ja, welche? Der Landesregierung sind über die Pressemitteilung der NRW-Landesgruppe in der SPD- Bundestagsfraktion vom 28.01.2016 hinaus keine Aktivitäten bekannt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13819