LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13834 20.12.2016 Datum des Originals: 19.12.2016/Ausgegeben: 23.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5360 vom 22. November 2016 der Abgeordneten Ulla Thönnissen CDU Drucksache 16/13559 Welche Maßnahmen hat die Landesregierung hinsichtlich der Vorabverteilung von Jodtabletten und Atemschutzmasken für Kinder ergriffen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die belgischen Atommeiler machen seit Jahren durch immer wieder neue, gravierende Sicherheitsmängel und Pannen auf sich aufmerksam. Die Angst in der Bevölkerung vor einem Supergau wächst. Die StädteRegion Aachen zieht deshalb gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 vor Gericht und hat eine Studie in Auftrag gegeben, die mögliche radiologische Auswirkungen eines Versagens des Reaktordruckbehälters im KKW Tihange 2 für die DreiländerRegion Aachen unter 3.000 verschiedenen realen Wetterbedingungen analysiert. Die Ergebnisse sind erschreckend! Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aachener Region von einem radioaktiven Niederschlag in einem Ausmaß betroffen wäre, der in Tschernobyl zur Umsiedelung führte, liegt demnach bei zehn Prozent! Mit 30-prozentiger Wahrscheinlichkeit würde in der Region der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen um das Dreifache überschritten , der für den Normalbetrieb von Anlagen zulässig ist. In den Metropolen Köln und Düsseldorf liegt diese Wahrscheinlichkeit immer noch bei rund 10 Prozent. Professor Dr. med. Alfred Böcking (Facharzt für Pathologie und Mitglied der IPPNW-Ärzte) wies in seinem Vortrag vor dem Städteregionstag am 27.10.2016 ausdrücklich darauf hin, dass man sich zu 95 Prozent gegen Radioaktivität nach einem AKW-Unfall schützen kann. Als Vorsorgemaßnahme rät der Facharzt dringend, sich im Ereignisfall durch die rechtzeitige und medizinisch empfohlene Einnahme von Jodtabletten vor Jod 131 zu schützen. Zudem sollen Kinder und Jugendlich durch FFP3-Atemmasken vor radioaktiven Partikel in der Atemluft geschützt werden. Die Stadt Aachen, die StädteRegion Aachen sowie die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg haben mit Blick auf die diversen Zwischenfälle in den belgischen Atomkraftwerken gemeinsam Konzepte zur Verteilung von Jodtabletten im Ereignisfall, zur Vorverteilung sowie zur Information der Bevölkerung ausgearbeitet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13834 2 Die Konzepte werden im Wesentlichen vom Land NRW mitgetragen. Allerdings gibt es in Bezug auf das Konzept der Vorverteilung der Tabletten noch Fragestellungen, die seitens des Landes NRW geklärt werden müssen. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5360 mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 namens der Landeregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Wegen des Grundsachverhalts und zur kritischen Haltung der Landesregierung zur Kernenergie wird auf die Antworten der Landesregierung Drs. 16/12890 und 16/12251 zu vorherigen Kleinen Anfragen 5055 und 4802 verwiesen, die sich ebenfalls auf die Verteilung und Beschaffung von Jodtabletten beziehen. 1. Wie viele Jodtabletten werden für die Region Aachen (Stadt Aachen, StädteRegion Aachen, Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg) zur Vorabverteilung beschafft (bitte separat auflisten)? Aus der laufenden Beschaffungsmaßnahme des Landes haben die Katastrophenschutzbehörden in der Region Aachen im Einzelnen folgende Anzahl an Jodtabletten erhalten: Katastrophenschutzbehörde Anzahl an Jodtabletten Stadt Aachen 732.000 StädteRegion Aachen 550.500 Kreis Düren 442.500 Kreis Euskirchen 258.000 Kreis Heinsberg 315.000 Mit der Auslieferung wird der aufgrund der geänderten Rahmenempfehlung entstandene Fehlbedarf an Jodtabletten bei der jeweiligen Unteren Katastrophenschutzbehörde ausgeglichen. Der Berechnung liegen die Vorgaben der Strahlenschutzkommission (SSK) und die jeweilige Bevölkerungs- und Haushaltsstruktur der Gebietskörperschaft zugrunde. In die Bedarfsberechnungen der neu beschafften Tabletten wurde für die Katastrophenschutzbehörden in den Mittel- und Außenzonen der Planungsgebiete der SSK ein 50-prozentiger Aufschlag für eine mögliche Vorverteilung eingerechnet. 2. Wann wird die flächendeckende Verteilung von Jodtabletten für die Region Aachen (Stadt Aachen, StädteRegion Aachen, Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg) abgeschlossen sein? Soweit hier die Auslieferung der Tabletten an die Stadt Aachen, die Städteregion Aachen und die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg angesprochen sein sollte, ist die Auslieferung bereits abgeschlossen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13834 3 Sollte hingegen die Vorverteilung der Tabletten an die Bevölkerung gemeint sein, können dazu keine konkreten Zeitangaben gemacht werden, da diese Verteilung von der Fertigstellung und Umsetzung des Vorverteilungskonzepts der Unteren Katastrophenschutzbehörden abhängt. Eine flächendeckende Vorverteilung an die Bevölkerung wird auf diesem Weg nicht möglich sein, weil Erfahrungswerte aus anderen Regionen zeigen, dass nur ein Teil der Bevölkerung von dem Angebot einer Vorverteilung Gebrauch macht. Meist wurde eine Quote von unter 20 % der Bevölkerung durch Vorverteilungen erreicht. 3. Wird sich das Land NRW dafür einsetzen, dass über Jodtabletten für den Ereignisfall hinaus auch FFP3-Masken in ausreichender Stückzahl an Schulen und Kindergärten vorgehalten werden? Die Maßnahmen des Katastrophenschutzes im Umfeld kerntechnischer Anlagen haben bundesweit ihre Grundlage in einer entsprechenden Rahmenempfehlung der Expertinnen und Experten der Strahlenschutzkommission (SSK) beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) vom 19./20.2.2016. Diese Rahmenempfehlung sieht keine Ausgabe von FFP3-Masken an Kinder und Jugendliche - auch nicht an Erwachsene - vor, unter anderem weil durch andere Schutzmaßnahmen, insbesondere Evakuierung und Verbleib im Haus dafür Sorge getragen werden soll, dass Kinder sich nicht in Bereichen aufhalten, in denen sie radioaktiven Gasen und Schwebstoffen ausgesetzt sind. Durch die Ausgabe von FFP3-Masken würde ein Gefühl der subjektiven Sicherheit vermittelt, welche objektiv wegen der fehlenden Filterfunktion gegenüber radioaktiven Gasen nicht gegeben ist. Ausgefiltert werden können nur radioaktive Schwebstoffe. Aus diesen Gründen wird sich die Landesregierung nicht dafür einsetzen, FFP3-Masken an Schulen und Kindergärten vorzuhalten. 4. Welche Kosten verursacht die zusätzliche Anschaffung und Vorabverteilung von Jodtabletten und FFP3 Masken für Kinder und Jugendliche für das Land NRW? Zu den Beschaffungskosten des Landes für die Jodtabletten wird auf die Antwort der Landesregierung 16/12890 zur Kleinen Anfrage 5055 verwiesen. Die Kosten für eventuelle Vorverteilungsaktionen sind von den Unteren Katastrophenschutzbehörden als Aufgabenträgern zu tragen. Da eine Beschaffung von FFP3-Masken für Kinder und Jugendliche nicht beabsichtigt ist, fallen dafür keine Kosten an. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13834