LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1385 09.11.2012 Datum des Originals: 09.11.2012/Ausgegeben: 14.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 381 vom 29. August 2012 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/766 Schutz des Trink- und Grundwassers in NRW bei Landesgrenzen nahen Genehmigungsverfahren zu Unkonventionellem Erdgas mit dem Fracking-Verfahren Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 381 mit Schreiben vom 9. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die mögliche Gewinnung von unkonventionellem Erdgas mit der Fracking-Methode sorgt bei Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren für erhebliche Verunsicherung. Vor allem die potentielle Gefährdung von Trink- und Grundwasser sowie die Kontaminierung des Untergrunds durch den Einsatz von gesundheitsschädlichen, umwelt- und wassergefährdenden sowie krebserregenden Chemikalien wie auch die teilweise in Niedersachsen schon praktizierte Entsorgung des so genannten Flow-Backs mittels Versenkbohrungen sind dabei ein großer Anlass zur Besorgnis. Die Genehmigungen der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten werden von den Ländern in den jeweiligen Behörden durchgeführt. Aktuell liegt z.B. in Hessen der Antrag für das Erlaubnisfeld „Adler-South APP“ der Firma BNK zur Entscheidung vor. Das darin beschriebene Gebiet grenzt an die nordrheinwestfälischen Kreise Höxter, Hochsauerlandkreis und Siegen-Wittgenstein. In Niedersachsen fanden bereits nahe der nördlichen Landesgrenze Explorationsbohrungen statt, so beispielsweise durch die Firma Exxon Mobil in Bad Laer, angrenzend an die nordrhein -westfälischen Kreise Gütersloh und Warendorf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1385 2 Während in NRW bis zur abschließenden Bewertung der Risiken keine Genehmigungen vorgenommen werden, ist der Einsatz der oben beschriebenen Chemikalien im Zuge des Fracking-Verfahrens wenige hundert Meter hinter der nordrhein-westfälischen Landesgrenze zu befürchten. Die Auswirkungen möglicher Kontaminierungen, ob ober- oder unterirdisch, könnten sich dann nicht nur auf kleine Bereiche beschränken. Damit könnten auch Gebiete über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus betroffen sein. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung misst der Thematik der Exploration und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten eine hohe Bedeutung bei. Daher hat die Landesregierung bereits frühzeitig den Landtag unterrichtet und verschiedene Aktivitäten veranlasst. Das vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in Abstimmung mit dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk in Auftrag gegebene Gutachten mit Risikostudie zur Exploration und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen und deren Auswirkungen auf den Naturhaushalt, insbesondere die öffentliche Trinkwasserversorgung liegt vor und ist dem Landtag zugesandt worden. Die Landesregierung wird zudem mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, die ebenfalls ein Gutachten bzw. eine Studie zu dieser Thematik vorgelegt haben, die aus den zu dieser Thematik bislang vorliegenden Gutachten und Studien hervorgehenden Fragen erörtern und klären und sich für die Erarbeitung bundesweit einheitlicher Anforderungen einsetzen, um einen umfassenden Schutz von Mensch und Umwelt sicherzustellen. Im Dialog mit Unternehmen, Behörden, Wissenschaft und den an der Thematik interessierten Bürgerinnen und Bürgern sollen ferner Forschungsbohrungen ohne Fracking erörtert werden, um ein unter Abwägung aller relevanten Belange sinnvolles Vorgehen zu gewährleisten und um im Gutachten aufgezeigte Wissensdefizite zu beseitigen. Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz wird zudem bei der nächsten Umweltministerkonferenz die Thematik erneut auf die Tagesordnung setzen und die Umweltminister der Länder auffordern, eine einheitliche Vorgehensweise und gemeinsame Anforderungen abzustimmen. Darüber hinaus hat die Landesregierung bereits im letzten Jahr einen Antrag zur Erweiterung der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingebracht. Bei Erdgas handelt es sich - unabhängig von der Art der Lagerstätte - um einen bergfreien Bodenschatz. Nach § 6 Bundesberggesetz (BBergG) bedarf die Aufsuchung bergfreier Bodenschätze der behördlichen Erlaubnis. Die ggf. anschließende Gewinnung bergfreier Bodenschätze bedarf der behördlichen Gewinnungsberechtigung (Bewilligung oder Bergwerkseigentum ). Aufsuchung ist die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit. Gewinnung ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten. Aufsuchungserlaubnis und Gewinnungsberechtigung verleihen lediglich das Recht, Bodenschätze aufzusuchen bzw. zu gewinnen und das Eigentum daran zu erwerben. Sie geben LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1385 3 nur einen Abwehranspruch gegen Konkurrenten, gestatten jedoch keinerlei konkrete betriebliche Maßnahmen, wie beispielsweise das Niederbringen von Bohrungen. Denn: Aufsuchungs - und Gewinnungsbetriebe dürfen nur auf Grund von Betriebsplänen errichtet, geführt und eingestellt werden (§ 51 BBergG). Dafür müssen die Unternehmen einen Antrag auf Zulassung eines Betriebsplans stellen, der von der zuständigen Behörde geprüft und beschieden wird. Daher können von Aufsuchungserlaubnissen oder Gewinnungsberechtigungen auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ausgehen. Eine Beteiligung von Körperschaften außerhalb des Aufsuchungsfeldes ist auf dieser Grundlage nicht zwingend geboten . 1. Welche grenznahen Genehmigungsverfahren in anderen Bundesländern sind der Landesregierung bekannt? Vom niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft wurde mitgeteilt, dass in Niedersachsen bisher keine bergrechtlichen Genehmigungsverfahren durchgeführt wurden und auch derzeit nicht durchgeführt werden, bei denen von einer Betroffenheit Nordrhein-Westfalens auszugehen sei. Aus diesem Grund sei daher eine Beteiligung nordrhein-westfälischer Gebietskörperschaften nicht erfolgt. Nach Mitteilung des hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegt in Hessen lediglich ein Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 7 Bundesberggesetz zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen für ein an Nordrhein-Westfalen angrenzendes Gebiet vor, bei dessen Bescheidung aber nicht über konkrete Aufsuchungstätigkeiten befunden wird. 2. In welcher Form wurden die Landesregierung NRW sowie die unteren Wasserbe- hörden der betroffenen NRW-Kreise an der Landesgrenze im Zuge der Genehmigungsverfahren von den jeweiligen Genehmigungsbehörden in Niedersachsen und Hessen beteiligt? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Im Falle einer Beteiligung nordrhein-westfälischer Behörden: Wie ist die Position der Landesregierung bei solchen Beteiligungen? Die Landesregierung hat wiederholt deutlich gemacht – und diese Position hat das kürzlich vorgelegte Gutachten bestätigt, dass sie den Einsatz der Fracking-Technik unter Verwendung von umwelt- und gesundheitstoxischen Stoffen nicht für genehmigungsfähig hält, solange nicht die Kenntnisdefizite beseitigt sind und eine nachteilige Veränderung der Umwelt nicht zu besorgen ist. 4. Im Falle der Nichtbeteiligung nordrhein-westfälischer Behörden: Wie stellt sich die Landesregierung eine zukünftige Verwaltungspraxis vor, um länderübergreifend eine Gefährdung für Trink- und Grundwasser ausschließen zu können? Die Landesregierung erwartet von den Zulassungsbehörden – auch außerhalb NordrheinWestfalens – dass sie sich streng an die vorgegebenen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensvorschriften halten und darüber hinaus einen offenen und transparenten Prozess mit breiter Beteiligung führen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1385 4 Wenn Nutzungen des Wasserhaushaltes Einfluss auf oberirdische Gewässer oder Grundwasser über Landesgrenzen hinaus haben können, haben sich die betroffenen Bundesländer untereinander abzustimmen, da sie nach Wasserrahmenrichtlinie eine gemeinsame Bewirtschaftungsverantwortung für die Flussgebietseinheit tragen. Die Landesregierung wird dies in einem Schreiben an die obersten für die Erteilung von bergrechtlichen und wasserrechtlichen Entscheidungen zuständigen Ministerien der Nachbarländer deutlich machen.