LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13865 23.12.2016 Datum des Originals: 22.12.2016/Ausgegeben: 29.12.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5367 vom 22. November 2016 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/13566 Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten: Wie will die Landesregierung den Erhalt der notärztlichen Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auch in Nordrhein-Westfalen zeichnet sich - wie bundesweit - ein zunehmender Ärztemangel ab. Die fachärztliche ebenso wie die hausärztliche Versorgung ist immer wieder Gegenstand von Beratungen im Landtag Nordrhein-Westfalen gewesen. Gerade im ländlichen Raum, aber nicht nur, werden vielfach Honorarärzte tätig, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Insbesondere im ländlichen Raum gelingt die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung in einigen Krankenhäusern ebenso wie in der medizinischen Notfallrettung in aller Regel nur noch durch nebenberuflich tätige Honorarärzte und nicht mehr über fest angestellte Ärzte. Bereits im Rahmen der Anhörung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen am 22. Oktober 2014 wurde u.a. die Versorgung mit Notärzten im derzeitigen System des Rettungswesens thematisiert. Damals lag ein konkreter Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände vor, die Krankenhäuser gesetzlich zu verpflichten, Notärzte zu stellen. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen nicht gefolgt, aber in der damaligen Anhörung verdeutlichte der Sachverständige der Ärztekammer Westfalen-Lippe bereits (APr 16/689, S. 27), dass es „[…] eine große Anzahl kleiner Krankenhäuser [gibt], die mit nur sehr wenigen Leuten kaum in der Lage sind – zum Teil sogar nur unter Zuhilfenahme von externen Kräften wie Honorarärzten –, den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten. […]“. Mit Beschluss des Bundessozialgerichtes vom 1. August 2016 wurde ein Urteil des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 28. April 2015 rechtskräftig, mit dem die Tätigkeit von Honorarärzten als Scheinselbständigkeit eingestuft wird. Zunehmend geht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13865 2 die Deutsche Rentenversicherung (DRV) verstärkt in der Praxis dazu über, eine Sozialversicherungspflicht von auf Honorarbasis tätigen Notärzten festzustellen. Infolge der oben genannten Rechtsprechung mit der einhergehenden Praxis der DRV wird die Einstellung von Honorarärzten für kommunale Träger des Rettungsdienstes gerade im ländlichen Raum erschwert und verschärft damit die bereits bestehende Problematik weiter. Der Erhalt der notärztlichen Strukturen wird dadurch genauso wie die medizinische Notfallrettung im ländlichen Raum kurzfristig gefährdet: Auf der einen Seite finden sich im ländlichen Raum immer weniger Ärzte, auf der anderen Seite wird die Tätigkeit von Honorarärzten durch die Annahme der Scheinselbständigkeit für die kommunalen Träger des Rettungsdienstes, die Krankenkassen und letztlich den Gebührenzahler erheblich verteuert. Neben der Sicherstellung einer flexiblen und qualitativ hochwertigen notärztlichen Versorgung und medizinischen Notfallrettung werden aktuell in Nordrhein-Westfalen Honorarärzte auch für die Abnahme von Prüfungen zum Notfallsanitäter eingesetzt, da die erforderlichen Kommissionen sonst nicht in dem geforderten Maße gestellt werden könnten: Der Öffentliche Gesundheitsdienst verfügt regional nicht immer über das entsprechende Personal, so dass insbesondere in ländlichen Regionen Prüfungskommissionen mit Honorarärzten besetzt werden müssen. Darüber hinaus zeigt sich, dass gerade in ländlichen Räumen nur über den Einsatz von Honorarärzten auch eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen für eine gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten sichergestellt werden kann. Das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG) sieht für den Betrieb einer Spendeeinrichtung vor, dass bei der Durchführung einer Spendeentnahme eine ärztliche Person vorhanden sein und gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine notfallmedizinische Versorgung der spendenden Person sichergestellt sein muss. Alleine über diese vier Beispiele Sicherstellung der notärztlichen Versorgungsstrukturen, Sicherstellung der medizinischen Notfallrettung insbesondere im ländlichen Raum, Gestellung von Prüfungskommissionen für die Abnahme der Prüfungen zum Notfallsanitäter und Sicherstellung der Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen für die Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten wird deutlich, dass es bei der Tätigkeit von Honorarärzten nicht um eine isolierte Betrachtung von Sozialversicherungspflichten gehen kann, sondern das erneut durch eine Rechtsprechung grundsätzliche Fragestellungen im Hinblick auf das Funktionieren des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes – Zivil- und Katastrophenschutz und sowie Rettungswesen als Gesamtsystem – beantwortet werden müssen, um eine kurzfristige Gefährdung der qualitativ hochwertigen Versorgung unserer Bevölkerung insbesondere im ländlichen Raum auszuschließen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13865 3 Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 5367 mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. 1. Wird sich die Landesregierung auf der Ebene des Bundes für die Schaffung einer Übergangsfrist einsetzen, so dass für alle Beteiligten Rechtssicherheit im derzeitigen System geschaffen wird? 2. Inwieweit wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine – der Regelung für Syndikusanwälte entsprechende – „Bereichsausnahme“ von der Sozialversicherungspflicht für Ärzte einzusetzen, die im Rahmen eines öffentlichen Sicherstellungsauftrages (zum Beispiel: notärztliche Versorgung, Blutspendeentnahme, Einsatz in Prüfungskommissionen zur Abnahme der Prüfung des Notfallsanitäters) in den vorgenannten Bereichen des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes nebenberuflich tätig werden? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Landesregierung hält mit Blick auf die in Frage 2 unter dem Begriff des „öffentlichen Sicherstellungsauftrages“ angeführten Beispiele wegen der unterschiedlichen Rechtsnatur eine Differenzierung zwischen dem Sicherstellungsauftrag der notärztlichen Versorgung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Rettungsgesetz NRW (RettG NRW), dem Versorgungsauftrag gemäß § 3 Transfusionsgesetz (TFG) und der Besetzung von Prüfungsausschüssen gemäß § 5 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan- APrV) hinsichtlich der in den Fragen geforderten Lösungsansätze für wichtig. Bezüglich der Sicherstellung der notärztlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen hat sich die Landesregierung bereits länderübergreifend für die Schaffung einer Lösung eingesetzt und im Bundesrat den aktuellen Entschließungsantrag des Landes Rheinland-Pfalz zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im ländlichen Raum unterstützt. In diesem Zusammenhang haben auf Bundesebene die Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG, BT-Drs. 18/10186) einen Änderungsantrag zum SGB IV und SGB VII vorgelegt. Dieser Antrag sieht eine Ausnahmeregelung für in der notärztlichen Versorgung eingesetzte Honorarärztinnen und -ärzte vor. Hier ist für eine Bewertung möglicher zusätzlicher Maßnahmen (Übergangsfristen o.ä.) die weitere Entwicklung auf Bundesebene abzuwarten. Gleichzeitig ist es Aufgabe der Landesregierung, alle Maßnahmen auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu betrachten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das System aus Sozial- und Rentenversicherung eine fundamentale Grundlage des Sicherungsnetzes der gesamten Versichertengemeinschaft darstellt. Jeder Eingriff muss daher auch vor diesem Hintergrund betrachtet und abgewogen werden. Hierzu gehört auch, mögliche untergesetzliche Lösungsansätze nicht auszuschließen. Aus diesem Grund sind die Bereiche des (honorar)ärztlichen Einsatzes in der Blutspende und bei der Gestellung aus Reihen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für Prüfungskommissionen gesondert zu betrachten. Für den Bereich des Versorgungsauftrages im Sinne des § 3 TFG liegt der Landesregierung eine einzelne Eingabe eines Leistungserbringers aus dem Blutspendewesen vor. Rückmeldungen zur Gestellung aus Reihen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für Prüfungskommissionen zeigen zwar in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13865 4 Teilen den Einsatz von Honorarärztinnen und -ärzten, liefern jedoch keine Anzeichen sozialversicherungsrechtlicher Schwierigkeiten. Für diese beiden Bereiche ist hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Relevanz ggf. eine weitergehende Prüfung erforderlich, um möglicherweise notwendige Maßnahmen zu dieser eng umrissenen Fragestellung ableiten zu können. 3. Welche Zwischenergebnisse liegen aus der beim Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen angesiedelten Expertengruppe zur künftigen Sicherstellung der notärztlichen Versorgung vor? 4. Wird die Landesregierung dem Landtag Nordrhein-Westfalen bis zum Ende des Jahres 2016 Ergebnisse aus der beim Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen angesiedelten Expertengruppe zur künftigen Sicherstellung der notärztlichen Versorgung vorlegen? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhanges ebenfalls zusammen beantwortet. Bei der angesprochenen informellen Arbeitsgruppe handelt es sich um kein dauerhaft implementiertes Expertengremium. Die Arbeitsgruppe ist in der Vergangenheit anlassbezogen zusammengetreten. Die Landesregierung setzt sich – wie in der Antwort zu den ersten beiden Fragen dargestellt – auf Bundesebene für eine Lösung zu den sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen ein. Das MGEPA plant darüber hinaus, das Thema Sicherstellung der notärztlichen Versorgung zusammen mit den von Seiten des Bundes in Aussicht gestellten Lösungsansätzen und den Ergebnissen der derzeit auf Bundesebene laufenden Initiativen gemeinsam mit den Beteiligten auf Landesebene mit Blick auf Tragfähigkeit, Zielerreichung und Auswirkungen zu erörtern. 5. Welche Schritte hält die Landesregierung weiterhin für denkbar, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten im derzeitigen System zu schaffen? Auf die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 4 wird verwiesen. Die Frage suggeriert eine generell vorherrschende Rechtsunsicherheit im Gesamtsystem bei allen Beteiligten. Diese besteht allenfalls in Einzelfragen. Das System des Rettungswesens in Nordrhein-Westfalen beruht auf einem mit breiter Mehrheit verabschiedeten Landesgesetz und u.a. mit Blick auf die angesprochene notärztliche Versorgung und Gestellung auf konsensualem Miteinander und nicht auf Zwang. Weitere denkbare Schritte hängen unmittelbar mit den dargestellten, derzeit laufenden Entwicklungen zusammen und werden mit den Beteiligten im Rahmen der vorgesehenen Erörterung ebenfalls besprochen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13865