LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13940 10.01.2017 Datum des Originals: 10.01.2017/Ausgegeben: 13.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5431 vom 10. November 2016 der Abgeordneten Andrea Milz CDU Drucksache 16/13735 Warum soll die ZUE Sankt Augustin als Pilotprojekt in ein Ausreisezentrum umfunktioniert werden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Dem Rat der Stadt Sankt Augustin wurde am 07.12.2016 eröffnet, dass die bisherige Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Sankt Augustin nun umfunktioniert werden soll. Laut Angaben der Bezirksregierung Köln plant das Innenministerium in der bisherigen ZUE Sankt Augustin künftig einerseits für ein Modellprojekt für die Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens zu nutzen und andererseits ein Rückführungszentrum einzurichten. All dies soll bereits zum Frühjahr 2017 umgesetzt sein. In einer einstimmig vom Rat beschlossenen Resolution heißt es: „[…] Diese damals erreichte Akzeptanz in breiten Teilen der betroffenen Stadtbevölkerung für die ZUE-Maßnahme basierte ausdrücklich auch auf der "Geschäftsgrundlage", dass die sich dort aufhaltenden Flüchtlinge wenige Wochen bis zu ihrer Weiterverteilung in die Kommunen des Regierungsbezirkes zur Durchführung ihrer Asylverfahren in der ZUE verbleiben sollten. Also eine Einrichtung für Menschen , die aus Ihrer Heimat geflohen waren und in Deutschland Aussicht auf Asyl und damit eine Perspektive haben. […] Die Personen in dem geplanten „Ausreisezentrum“ haben in Deutschland keine! Perspektive - es geht für sie nur noch um Ausreise und Abschiebung. Die gerichtlich festgestellte Ausreiseverpflichtung wird durch die diesbezügliche Weigerung der abgelehnten Asylbewerber auf unabsehbare Zeit nicht umgesetzt werden. Eine massierte Unterbringung ist erst recht in einem Ballungsraum nicht angezeigt. Eine Konzentration von je nachdem weit über 400 „Dublin-Flüchtlingen“ in einer Einrichtung ist sozial nicht verträglich und wird nicht zuletzt für Spannungen innerhalb der Einrichtung sorgen, denen man die Flüchtlinge nicht aussetzen sollte. Dass daraus auch Probleme außerhalb der Einrichtung entstehen können, ist wahrscheinlich. Entgegen den damals getroffenen Aussagen würde nun plötzlich eine völlig veränderte Situation für die Stadt entstehen. […]“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13940 2 Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5431 mit Schreiben vom 10. Januar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung werden durch das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verantwortlich geführt. In den letzten Jahren ist es nicht gelungen , die Rücküberstellungsquote von Asylsuchenden, deren Asylverfahren in einem anderen EU-Staat durchzuführen ist, deutlich zu steigern. Im Jahr 2015 gab es bundesweit 44.892 Übernahmeersuchen aus Deutschland an andere Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III") und 29.699 Zustimmungen der Mitgliedstaaten. Dem standen nur 3.597 erfolgte Überstellungen in andere Mitgliedstaaten gegenüber. Dies entspricht rd. 12 % der Zustimmungen. Im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.10.2016 gab es 44.809 Übernahmeersuchen an andere Mitgliedstaaten und 23.218 Zustimmungen der Mitgliedstaaten. Dem standen 3.226 Überstellungen in die anderen Mitgliedstaaten gegenüber. Dies entspricht rd. 14 % der Zustimmungen. Vor diesem Hintergrund hat sich das BAMF mit dem Land NRW auf die Durchführung eines zunächst auf 6 Monate angelegten Pilotverfahrens zur Effizienzsteigerung verständigt. Das Pilotverfahren betrifft neu einreisende Erstantragsteller und führt zu einer Entlastung der Kommunen in NRW, da eine Rücküberstellung bereits aus den Landeseinrichtungen erfolgen soll. Das Land stellt für das Dublin-Pilotprojekt rd. 900 Plätze bereit. Das Pilotprojekt ist in der Landeseinrichtung in Bottrop gestartet. Hier werden seit dem 01.12.2016 von insgesamt zurzeit 350 Plätzen bis zu 230 für das Dublin-Pilotverfahren genutzt. Es folgen nach derzeitigem Stand ab Februar 2017 die Einrichtung am Standort Ratingen (von insgesamt 450 Plätzen bis zu 300 für das Dublin-Pilotverfahren) und ab Februar 2017 die Einrichtung am Standort Sankt Augustin (von insgesamt 550 Plätzen bis zu 370 für das Dublin-Pilotverfahren). 1. Wie bewertet die Landesregierung die geplante Umfunktionierung der ZUE Sankt Augustin in ein Ausreisezentrum? 2. Auf welcher Grundlage wurde entschieden, dass die ZUE Sankt Augustin in ein Ausreisezentrum umgewidmet werden soll? Im Rahmen des Dublin-Pilotprojektes werden seitens des Landes rd. 900 Aufnahmeplätze in drei Einrichtungen bereitgestellt (s. Näheres in der Vorbemerkung). Dabei handelt es nicht um „Ausreisezentren“. Die genannten Einrichtungen werden nicht ausschließlich für die Unterbringung von unter das Dublin-Pilotverfahren fallenden Personen genutzt. Vielmehr werden dort auch sonstige Asylsuchende im Rahmen der Aufnahmeverpflichtung des Landes untergebracht und versorgt. Die Landeseinrichtungen für das Pilotverfahren wurden auf Vorschlag der Bezirksregierungen festgelegt. 3. Welches Konzept liegt der Umwidmung zu Grunde? (gemeint sind: die voraussichtlichen Belegungszahlen, die Angebote an die Bewohner und die Anwohner sowie die Einbindung von Behörden und Ordnungsdiensten, die Laufzeit) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13940 3 4. Wie will die Landesregierung die Situation von dann bis zu 400 ausreisepflichtigen Personen, die auf engsten Raum leben müssen, für die Betroffenen und die benachbarte Bevölkerung gestalten? Die ZUE Sankt Augustin ist auf insgesamt 550 Plätze ausgelegt, die derzeit und künftig gemischt belegt werden. Für das Dublin-Pilotprojekt sind ab Februar 2017 max. 2/3 der Plätze, d.h. bis zu 370 Plätze, vorgesehen (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung). Gemäß Projektansatz ist im Rahmen des Pilotprojektes eine Verfahrensdauer von jeweils ca. 3 Monaten vorgesehen. Die Angebote in den Landeseinrichtungen werden im Rahmen der vom Land festgelegten Qualitätsstandards vor Ort konkretisiert. Die Einbindung aller Beteiligten am Standort folgt dem Prinzip des ‚runden Tisches‘. Hier kommen regelmäßig die Personen zusammen , die in der Einrichtung für ein gutes Funktionieren und Zusammenwirken sorgen. 5. Was unternimmt die Landesregierung, um die Menschen in Sankt Augustin an der Entscheidung zur Umwidmung der ZUE in ein Ausreisezentrum zu informieren und zu beteiligen? Die Überlegungen zum Pilotprojekt wurden bereits in einem Termin am 30.11.2016 unter Beteiligung der Bezirksregierung Köln und der Stadt Sankt Augustin angesprochen. Zur ergänzenden Information der Stadt über das geplante Verfahren und die Rahmenbedingungen des Dublin-Pilotprojektes hat am 14.12.2016 ein weiteres Gespräch zwischen der Bezirksregierung Köln und der Stadt Sankt Augustin stattgefunden. Möglichst im Januar 2017 soll darüber hinaus eine Bürgerinformationsveranstaltung in der Stadt stattfinden. Zuvor werden die unmittelbaren Nachbarn von der Bezirksregierung Köln schriftlich allgemein über das Projekt informiert . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13940