LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13942 11.01.2017 Datum des Originals: 11.01.2017/Ausgegeben: 16.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5427 vom 8. Dezember 2016 des Abgeordneten Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg CDU Drucksache 16/13731 Massive Aussonderungen und künftiger Bestandsaufbau an der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. November 2016 wurde unter der Überschrift „Im Sog des Change Management“ über geplante Aussonderungen im Umfang von mehreren 100.000 Bänden an der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf sowie eine Fokussierung des künftigen Bestandsaufbaus dieser Bibliothek allein auf aktuelle Bedürfnisse von Wissenschaftlern und Studenten berichtet. Überdies sollen Sammlungen und Nachlässe künftig nur noch mit Genehmigung des Rektorats in den Bestand der Bibliothek übernommen werden. Es sollen mehr als 400.000 Bände als entbehrlich makuliert werden. Bei einer derart weitreichenden Aussonderung kann nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte Wissenschaftsund Forschungsrichtungen in dem betroffenen Bestand in besonderer, auch für die Nachwelt interessanter Weise dokumentiert sind. Solche Bücher können nach § 2 Abs. 1 und 4 Denkmalschutzgesetz NRW bewegliche Denkmäler sein, wenn an ihrem Erhalt ein öffentliches Interesse besteht. Nach § 3 Abs. 1. S. 3 und § 7 Denkmalschutzgesetz gilt für bewegliche Denkmäler , die von öffentlichen Einrichtungen betreut werden, worunter auch Bibliotheken zu verstehen sind, eine Erhaltungspflicht. Zudem ist nach § 4 Abs. 2 Kulturfördergesetz die Pflege des kulturellen Gedächtnisses ein Schwerpunkt der Kulturpolitik des Landes. Nach § 19 Abs. 3 Kulturfördergesetz nimmt die ULB Düsseldorf landesbibliothekarische Aufgaben wahr. Diese Aufgaben gehen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes über die Aufgaben der ULB Düsseldorf nach dem Pflichtexemplargesetz NRW hinaus. Eine Landesbibliothek steht nach allgemeiner Meinung in der Bibliothekswissenschaft als wissenschaftliche Bibliothek mit breitem Sammelspektrum allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung. Diese Aufgabenstellung bedingt eine gewisse Breite und Repräsentativität im Bestandsaufbau. Überdies verlangen die nach § 1 Abs. 2 Pflichtexemplargesetz NRW zwingend zu sammelnden Pflichtexemplare für eine sachgerechte Benutzbarkeit auch nach einem gewissen inhaltlichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13942 2 Kontext im Bestand, der breiter ist als die aktuellen Lehr- und Forschungsinteressen der Universität Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern auf die Errichtung einer eigenen Landesbibliothek verzichtet und diese Aufgabe leistungsfähigen Universitätsbibliotheken mit einem breiten Bestandsaufbau und bedeutenden historischen Sammlungen anvertraut . Diese Qualität der bibliothekarischen Versorgung ist gewissermaßen die Geschäftsgrundlage für landesbibliothekarische Funktion der Universitätsbibliotheken in Bonn, Düsseldorf und Münster. Damit verbunden ist auch die Erwartung, dass gerade diese drei wissenschaftlichen Bibliotheken in besonderer Weise ihre Rolle als Gedächtnisinstitution erfüllen, zumal es in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz etwa zu Sachsen oder Bayern keine Landesbibliothek gibt, die als Speicherbibliothek die Überlieferung auch und gerade solcher Literatur garantiert, an der kein aktuelles Interesse mehr besteht. Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 5427 mit Schreiben vom 11. Januar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. 1. Ist eine denkmalschutzrechtliche Prüfung dieses Vorganges im Rahmen der Rechtsaufsicht vorgesehen? Nein. 2. Die betroffenen Bücher wurden mit erheblichen Steuermitteln erworben. Wird ihre Nachnutzung durch andere Bibliotheken im Land ermöglicht? Aussonderung durch Abgabe an andere Institutionen ist keine gängige Praxis an wissenschaftlichen Bibliotheken1, weil sie allein schon im Angebot und insbesondere aber in der Verlagerung von Beständen mit hohem logistischen Aufwand und der Aufwendung von personellen und finanziellen Ressourcen verbunden ist. Angesichts der Tatsache, dass die Aussonderungsstrategie der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf vornehmlich Literatur vorsieht, die auch nach Aussonderung eines Exemplars weiterhin in analoger oder elektronischer Form im Land verfügbar sein wird (z. B. ältere Auflagen von Lehrbüchern), wird auf eine kostenintensive Verlagerung dieser Bestände verzichtet . Die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf wird in Ausnahmefällen ein Angebot an andere Bibliotheken abgeben. Hierunter fallen Lückenergänzung von Zeitschriften und die Abgabe von Spezialbeständen, für die an einer anderen wissenschaftlichen Bibliothek des Landes eine Archivierungspflicht besteht. Auch die neue, derzeit noch in Arbeit befindliche Aussonderstrategie wird die vorgenannten Grundsätze in jedem Fall beinhalten. 1 Vgl. Roeder, Corinna: Aussonderung von Printbeständen an wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland. Ein Überblick über die aktuelle Praxis und Rechtslage, in: Bibliotheksdienst 50 (2016), 1036 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13942 3 3. Ist die Landesregierung, der im Bereich der landesbibliothekarischen Aufgaben die Fachaufsicht über die ULB Düsseldorf zusteht, an der Aussonderungsentscheidung bzw. der Neuausrichtung des Erwerbungskonzepts beteiligt worden? Da die Aussonderungsentscheidungen und die Neuausrichtung des Erwerbungskonzeptes die landesbibliothekarischen Anteile der ULB Düsseldorf nicht betreffen, ist die Fachaufsicht der Landesregierung über die Landesbibliotheksaufgaben nicht beteiligt worden. 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass die Wahrnehmung genuin landesbibliothekarischer Aufgaben wie Erwerbung und Betreuung von Nachlässen und besonderen Sammlungen von der Genehmigung des Rektorats der Universität Düsseldorf abhängen soll? Über die Annahme von Sammlungen, die im Zusammenhang mit landesbibliothekarischen Aufgaben stehen, kann die Direktorin der ULB Düsseldorf wie bisher selbstständig entscheiden , muss die Annahme aber dem Rektorat anzeigen. Da die Aufnahme von Sammlungen und Nachlässen (vor allem auch räumliche) Ressourcen erfordert, ist die Anzeigepflicht aus Sicht der Landesregierung unproblematisch. 5. Wenn die ULB Düsseldorf künftig keinen breit angelegten Bestandsaufbau im Sinne einer repräsentativen Dokumentation des Publikationsgeschehens mehr vornehmen soll und überdies ihrer Rolle als Gedächtnisinstitution mit einer breit angelegten Überlieferung auch der gegenwärtig entbehrlichen Literatur nicht mehr nachkommen möchte, ist sie dann nach Ansicht der Landesregierung überhaupt noch geeignet, auch künftig die Funktion einer Landesbibliothek zu übernehmen? Die ULB Düsseldorf wird auch künftig durch die Wahrnehmung des Pflichtexemplarrechts für den Regierungsbezirk Düsseldorf und die Mitarbeit an der Erschließung der landeskundlichen Literatur in der Nordrhein-Westfälischen Bibliographie ihren Beitrag zu einer umfassenden Dokumentation der wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen Nordrhein-Westfalens erbringen . Die Wahrnehmung der landesbibliothekarischen Aufgaben wird durch den von der Hochschule eingeleiteten Veränderungsprozess nicht beeinträchtigt. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13942