LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/13978 16.01.2017 Datum des Originals: 16.01.2017/Ausgegeben: 19.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5465 vom 20. Dezember 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/13844 Kleinere Panne beim Bürgerentscheid in Bornheim?! – Doch wie steht es insgesamt um das Instrument des Bürgerentscheids in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit 1994 haben die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, durch Bürgerentscheide und Bürgerbegehren unmittelbaren Einfluss auf die kommunalpolitischen Entscheidungen in ihren Städten und Gemeinden zu nehmen. Am 20. November 2016 hatten beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bornheim die Gelegenheit, ihr Votum zur Zukunft des Bezugs des Trinkwassers abzustimmen. Auf die Frage „Soll die Stadt Bornheim weiterhin ihr Trinkwasser zu 75% vom Wasserbeschaffungsverband Wesseling-Hersel (WBV) und zu 25% vom Wahnbachtalsperrenverband (WTV) beziehen und darüber mit dem WBV einen langfristigen Vertrag abschließen“ antworteten 7046 Bürgerinnen und Bürger mit „Ja“, 7247 hingegen mit „Nein“. Somit haben weder die Anzahl der Ja-Stimmen noch die Anzahl der Nein-Stimmen das sich aus § 26 Abs. 4 GO NRW ergebende Quorum von 7885 Stimmen erreicht. Der Bürgerentscheid ist somit ungültig und das Ergebnis nicht bindend. Wie der General-Anzeiger Bonn am 20. November 2016 und die Bonner Rundschau am 1. Dezember 2016 berichteten, sei es bei dem Bürgerentscheid zu Problemen bei der Zustellung von Briefwahlunterlagen gekommen. Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sollen die erforderlichen Wahlunterlagen erhalten haben. Folglich konnten auch nicht alle wahlberechtigten Bürger von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch machen. Nach Aussage des Bürgermeisters von Bornheim hätten jedoch auch die vollständig zugestellten Wahlunterlagen keinen Einfluss auf das Ergebnis des Bürgerentscheids gehabt. Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5465 mit Schreiben vom 16. Januar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13978 2 1. Wie viele Bürgerentscheide gab es in den letzten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen ? (Bitte unterteilen nach Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sowie nach Kommunen und Jahren gegliedert.) 2. Wie viele Bürgerentscheide gab es in den letzten fünf Jahren, bei denen das erforderliche Quorum nicht erreicht worden ist? (Bitte detailliert und einzelgemeindlich nach Jahren sowie nach den Kategorien Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gegliedert angeben.) Die Landesregierung erhebt keine Daten über die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden nach § 26 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) und verfügt deshalb über keine eigenen Erkenntnisse über die Anzahl durchgeführter Bürgerentscheide sowie die Anzahl von Bürgerentscheiden, bei denen das erforderliche Quorum nicht erreicht worden ist. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung des o.g. Bürgerentscheids in Bornheim insbesondere vor dem Hintergrund, dass nicht alle wahlberechtigten Bürger die Wahlunterlagen erreicht haben? Der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises als zuständige Aufsichtsbehörde über die Stadt Bornheim hat dem Ministerium für Inneres und Kommunales zu dem am 20. November 2016 in der Stadt Bornheim durchgeführten Bürgerentscheid auf der Grundlage eines entsprechenden Berichts der Stadt Bornheim Folgendes berichtet: Im Vorfeld der Abstimmung seien 206 Abstimmungsscheine für ungültig erklärt und neu ausgestellt worden, da sie die Adressaten nicht erreicht hätten. Die neu erteilten Abstimmungsscheine einschließlich der Abstimmungsunterlagen seien bis zum 15. November 2016 per Post, ab 16. November 2016 per Boten zugestellt worden. Insgesamt seien 3.017 gültige Abstimmungsscheine ausgestellt worden. Abgegeben worden seien nach Angabe der Stadt Bornheim per Brief 2.402 Stimmen. 38 Personen hätten unter Vorlage ihres Abstimmungsscheins im Wahllokal gewählt. Es verbleibe somit eine Differenz von 577. Nach dem Tag des Bürgerentscheids bis zum 1. Dezember 2016 – damit verspätet - seien weitere 117 Abstimmungsbriefe eingegangen. Somit verblieben 460 Personen (ca. 15,24 %), die Unterlagen für eine Abstimmung per Brief angefordert, dann aber ihre Stimme nicht abgegeben hätten. Nach Angabe der Stadt Bornheim habe diese Quote bei vergangenen Wahlen zwischen 4,8% und 6,9 % gelegen. Da das nach § 26 Abs. 7 GO NRW geforderte Quorum um 839 Ja-Stimmen bzw. 638 Nein-Stimmen verfehlt worden sei, habe sich aus diesem Sachverhalt kein anderes Ergebnis bezogen auf den Bürgerentscheid ergeben können. Weiter habe der Bürgermeister mitgeteilt, dass im Hinblick auf die kommenden Wahlen eine umfassende Registrierung in den einzelnen Verfahrensschritten sowie eine genaue Erfassung der der Post übergebenen Unterlagen veranlasst worden sei. Diese von der Stadt Bornheim bzw. dem Landrat des Rhein-Sieg-Kreises als zuständiger Aufsichtsbehörde vorgetragene Argumentation ist schlüssig. Selbst wenn sämtliche nicht bzw. nicht rechtzeitig zurückgelaufenen 577 Abstimmungsscheine rechtzeitig abgegeben worden wären, wäre das nach § 26 Absatz 7 GO NRW erforderliche Quorum nicht erreicht worden. Das von der Stadt Bornheim festgestellte Abstimmungsergebnis gibt deshalb keinen Anlass für kommunalaufsichtsrechtliche Maßnahmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/13978 3 4. Welche Hilfestellungen leistet die Landesregierung den Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern, um Bürgerentscheide rechtskonform und bürgerfreundlich durchführen zu können? Das Ministerium für Inneres und Kommunales bietet auf seiner Homepage unter dem Titel „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“ ausführliche Hilfestellungen zu den Themen „Vorbereitung und Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden“. Weiter findet man dort ein Muster für eine Unterschriftenliste sowie zahlreiche rechtliche Erläuterungen zu Einzelfragen . Ferner sind dort die einschlägigen Rechtsgrundlagen zu finden. Im Rahmen der allgemeinen Aufsicht (vergleiche dazu Antwort auf Frage 5) können die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden die Kommunen im Zuge der Durchführung eines Bürgerentscheids beraten. 5. Inwiefern beobachtet die Landesregierung die Verfahren von Bürgerentscheiden in den nordrhein-westfälischen Kommunen, um daraus eventuell resultierenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf abzuleiten? Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz und Artikel 78 Absatz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen räumen den Gemeinden das kommunale Selbstverwaltungsrecht ein. Den Gemeinden steht somit das Recht zu, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Dies betrifft auch die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Die Aufsicht des Landes erstreckt sich darauf , dass die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden. Im Rahmen dieser allgemeinen Aufsicht werden auch die Verfahren von Bürgerentscheiden begleitet, sofern dies im Einzelfall erforderlich und geboten ist. Darüber hinaus beobachtet das Ministerium für Inneres und Kommunales die aktuelle Presseberichterstattung zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden und befindet sich in einem regelmäßigen und kontinuierlichen Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden über alle gegenseitig interessierenden Fragestellungen. Dazu gehören auch die Instrumente des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids in Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/13978