LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14048 18.01.2017 Datum des Originals: 18.01.2017/Ausgegeben: 23.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5460 vom 19. Dezember 2016 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/13838 Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor etwa 30 Jahren wurde die Möglichkeit der "Haftvermeidung durch Gemeinwohlarbeit" beschlossen. Vor drei Jahren legte die Landesregierung das Programm "Schwitzen statt Sitzen" auf, als eine Gemeinschaftsaktion des Landes, der Kirchen und verschiedener Sozial- Verbände, die gemeinnützige Arbeit als Strafersatz möglich machen will. Nach Aussagen des Justizministerium würden die Zahlen des Projekts, dass in einigen Regionen des Landes läuft, für sich sprechen: 200.000 Hafttage hat Nordrhein-Westfalen dadurch bereits eingespart. Dadurch soll die zunächst im Großraum Duisburg angesetzte Kooperation jetzt auch auf den Leverkusener und Kölner Bereich ausgedehnt werden. In den Vollzugsanstalten des Landes sitzen pro Jahr im Schnitt rund 35.000 Häftlinge. Davon etwa 6.000, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben, zu der sie wegen minderschwerer Delikte verurteilt wurden. Viele können diese Geldstrafen aber nicht bezahlen. Wenn die Verurteilten nicht zahlen, müssen sie aber nach dem Gesetz zur sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe in Haft. Etwa 133 Euro kostet ein Häftling das Land erklärt dazu das Justizministerium. Das Potential derer, die gemeinnützige Arbeit leisten anstatt eine Ersatzfreiheitstrafe abzusitzen, liege laut Ministerium bei etwa 1100 bis 1200 Häftlinge täglich. Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 5460 mit Schreiben vom 18. Januar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14048 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die bisherigen Erfolge der Möglichkeit der Haftvermeidung durch Gemeinwohlarbeit in Nordrhein-Westfalen? Wer von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, soll gerade ausdrücklich nicht inhaftiert werden. In der Praxis geschieht dies aber doch, wenn die Verurteilten die Geldstrafe nicht zahlen können (sog. Ersatzfreiheitsstrafe). Durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen werden Verurteilte aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen. Die gemeinnützige Arbeit ist hingegen eine Maßnahme der sozialen Integration . Die Betroffenen werden zu einer geregelten Tagesstruktur angeleitet und erhalten bei Bedarf Unterstützung in der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen. Die Tilgung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit bietet den verurteilten Personen die Möglichkeit, ihrer Verantwortung nachzukommen und im Zuge dessen zur Aussöhnung mit der Gesellschaft beizutragen. Gleichwohl müssen die Verurteilten auf einen Teil ihrer Freizeit verzichten, was eine spürbare Sanktion darstellt. Die Haftvermeidung durch Gemeinwohlarbeit trägt zudem wesentlich dazu bei, den Belegungsdruck in den Haftanstalten zu minimieren und den Haushalt zu entlasten. Durch die ersatzweise Ableistung gemeinnütziger Arbeit werden in Nordrhein-Westfalen jährlich über 200.000 Hafttage vermieden. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Landesregierung nachdrücklich weiter dafür ein, die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren. Um etwaige Verbesserungen des bestehenden Instrumentariums zur Haftvermeidung eingehend zu prüfen und neue Vorschläge sowohl zur Anordnung als auch zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu erarbeiten, ist entsprechend dem Auftrag der Justizministerkonferenz eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter dem gemeinsamen Vorsitz von Brandenburg und Nordrhein-Westfalen - unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz - eingerichtet worden. 2. Welche Staatsanwaltschaften nutzen in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit der Haftvermeidung durch Gemeinwohlarbeit? Die Generalstaatsanwältin und Generalstaatsanwälte haben berichtet, dass sämtliche 19 Staatsanwaltschaften die Möglichkeit der Haftvermeidung durch Gemeinwohlarbeit nach Maßgabe der Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit vom 7. Dezember 2010 nutzen. 3. Wie viele Personen haben im Jahr 2016 jeweils in den Landgerichtsbezirken von dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ profitiert und haben anstatt einer Er-satzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit geleistet? Die Anzahl der Personen, die zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemeinnützig gearbeitet haben, wird in der Jahresstatistik nicht erfasst. Die Statistik gibt Auskunft über die Gesamtzahl der vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen, differenziert nach Fällen und Hafttagen, sowie die verschiedenen Varianten der Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafe (Tilgung durch gemeinnützige Arbeit, durch Zahlung und gemeinnützige Arbeit sowie durch Zahlung, gemeinnützige Arbeit und Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe). Auf wie viele Personen sich die er- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14048 3 fasste Anzahl der Fälle und Hafttage verteilt, ist nur durch eine manuelle Auswertung sämtlicher Vorgänge zu ermitteln. Dies ist in der für eine Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie viele Hafttage wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 jeweils in den Monaten aufgrund einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe, zu der sie wegen minderschwerer Delikte verurteilt wurden, abgesessen? Statistische Daten hierzu liegen der Landesregierung nicht vor. Eine Auswertung sämtlicher Vorgänge, die von Hand vorzunehmen wäre, ist in der für eine Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Die Kontaktaufnahme mit den oftmals obdachlosen Menschen sei nicht immer einfach . Welche Handlungsnotwendigkeiten sieht die Landesregierung um bestehende praktische und andere Probleme zur Umsetzung der Möglichkeit der Haftvermeidung zu beseitigen? Mögliche Verbesserungen bei der Haftvermeidung sind Gegenstand der Erörterungen der in der Antwort zu Frage 1 bezeichneten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Dabei wird auch der angesprochene Personenkreis in den Blick genommen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14048