LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14057 19.01.2017 Datum des Originals: 18.01.2017/Ausgegeben: 24.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5467 vom 19. Dezember 2016 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/13847 Haben Landesregierung und Ministerpräsidentin aus dem regierungsinternen Kommunikationsdesaster nach der Silvesternacht 2015 ihre Lehren gezogen? Am 19. Dezember 2016 erklärte der Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Thomas Breustedt, gegenüber der Online-Ausgabe der BILD, dass die Ministerpräsidentin auch in diesem Jahr über Silvester Urlaub machen werde. Dabei verwies Herr Breustedt darauf , dass die Ministerpräsidentin in ihrem Urlaub „grundsätzlich über die Sicherheitslage im Land auf dem Laufenden gehalten [werde], wenn dies erforderlich ist“. Die Ministerpräsidentin werde während ihrer Abwesenheit in der Staatskanzlei durch Minister Franz-Josef Lersch- Mense vertreten. Sollte die Notwendigkeit gegeben sein, werde Kraft entweder durch ihre Vertretung , durch Verantwortliche in der Staatskanzlei, oder auch durch Minister selber informiert. Sollte es Vorfälle geben, die es etwa aufgrund von WE-Meldungen notwendig machten, die Ministerpräsidentin zu informieren, sei dies in diesem Jahr „genauso sichergestellt, wie beim Jahreswechsel 2015/16“. Beim Jahreswechsel 2015/2016 in Köln war es zum ersten Mal nach allen bisherigen Erkenntnissen europaweit zu organisierter, gemeinschaftlich begangener sexueller Gruppengewalt gegen Frauen gekommen. Die Opfer wurden von Männergruppen umzingelt, eingeschlossen und sexuell genötigt – bis hin zur vollendeten Vergewaltigung. Das Phänomen war zuvor nur aus Ländern wie Ägypten bekannt gewesen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht hat die Abläufe der regierungsinternen Kommunikation nach dem letztjährigen Jahreswechsel ausgiebig begutachtet . Im Zuge dessen gaben sämtliche Vertreter der Kernexekutive der Landesregierung an, bis zum 4. Januar gar nicht miteinander gesprochen zu haben. Die WE-Meldungen über die dramatischen Geschehnisse am Kölner Hauptbahnhof wurden vom Innenminister gelesen, jedoch nicht als dringlich erachtet. Nach den Aussagen der Landesregierung wurde auch die Ministerpräsidentin nicht gesondert darauf aufmerksam gemacht, obwohl ihr Büro die WE- Meldung sehr wohl erhalten hatte. Der Chef der Staatskanzlei gab an, er habe die WE-Meldung nicht lesen können, da er keinen direkten Zugriff auf seinen Büro-Mail-Account habe. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14057 2 Der Regierungssprecher sah ebenfalls keinen Anlass zu handeln, da er die WE-Meldung zwar erhalten habe, aber nur in Rufbereitschaft gewesen sei. Der im Dienst befindliche stellvertretende Pressesprecher habe die WE-Meldung dagegen nicht bekommen. Die Pressestelle der Staatskanzlei habe zudem die Dimension der Taten vor dem 4. Januar nicht erkennen können, da sie „regionale Online-Medien“ nicht auswerten könne, da dafür das Personal fehle. Der Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 5467 mit Schreiben vom 18. Januar 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Die Landesregierung unterstützt die Aufarbeitung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss umfassend. Die Aussagen der bisherigen Zeugen haben sehr eindeutig klargemacht, dass sich die Dimension der Ereignisse erst mit einigen Tagen Verzögerung abzeichnete. Insbesondere in den Tagen nach dem 4. Januar 2016 wuchsen die Zahl der Anzeigen und Berichte und die Erkenntnis über sexuelle Misshandlungen massiv an. Aus den schrecklichen Ereignissen der Kölner Silvesternacht hat die Landesregierung u. a. mit dem 15-Punkte-Konzept zur weiteren Stärkung der inneren Sicherheit und besseren Integration vor Ort bereits klare Konsequenzen gezogen. Die Landesregierung hat verantwortlich gehandelt mit dem Ziel, solche Ereignisse in Zukunft zu verhindern. Mit diesem 15-Punkte-Paket sorgte und sorgt die Landesregierung u.a. für: Die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle im Bereich der Justiz für die Opfer der Straftaten aus der Silvesternacht in Köln, um diese zu begleiten, allgemeine Hilfestellung zu leisten und Opfergespräche zu führen. Mehr Polizei vor Ort: So sollen möglichst schnell 500 Polizisten zusätzlich an den Kriminalitätsbrennpunkten der Ballungsräume eingesetzt werden. Schnellere Verfahren, zum Beispiel durch personelle Verstärkung innerhalb der Staatsanwaltschaften für die noch zügigere Bearbeitung der anhängigen Verfahren. Mehr Videobeobachtung an Kriminalitätsbrennpunkten, um Straftäter abzuschrecken oder Straftaten besser nachweisen zu können. Der für die Umsetzung des 15-Punkte-Pakets u.a. notwendige Nachtragshaushalt wurde vom Landtag Nordrhein-Westfalen am 20. April 2016 verabschiedet. Über diese und weitere politische Maßnahmen im Zuge der Aufarbeitung wurden die Bürgerinnen und Bürger fortlaufend und transparent informiert. Dazu diente u.a. das der Fragestellerin vermutlich bekannte Online-Angebot: https://www.land.nrw/de/node/15985 Darüber hinaus hat jedes Ressort die Geschehnisse zum Anlass genommen, die Melde- und Informationswege zu überprüfen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Umgang mit WE-Meldungen zu sensibilisieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14057 3 1. Wurde im Rahmen der Nachbereitung der regierungsinternen Kommunikation nach der Silvesternacht 2015 der Prozessablauf zur Steuerung und Kenntnisnahme von WE-Meldungen verändert (betreffend Mail-Verteiler und Handlungsanweisungen bei bestimmtem Nachrichteninhalt, bitte mit ausführlicher Begründung für die einzelnen getroffenen Maßnahmen)? Der Prozessablauf zur Steuerung und Kenntnisnahme von WE-Meldungen wurde in der Staatskanzlei nach der Silvesternacht 2015 strukturell nicht verändert. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen der Landesregierung. 2. Ist eine WE-Meldung mit dem Inhalt, dass es in einer nordrhein-westfälischen Stadt „zu mindestens 11 Übergriffen zum Nachteil von jungen Frauen“, „begangen durch eine 40- bis 50-köpfige Personengruppe“ gekommen ist, „die Frauen hierbei von der Personengruppe umzingelt, oberhalb der Bekleidung begrapscht und bestohlen “ worden sind, „in einem Fall einem 19-jährigen deutschen Opfer Finger in die Körperöffnungen eingeführt worden sind“ und die Tätergruppe „einheitlich von den Opfern als Nordafrikaner im Alter zwischen 17 und 28 Jahren beschrieben “ worden sind, so bedeutend, dass die Ministerpräsidentin umgehend auch im Urlaub informiert werden sollte? Die Fragestellung beschreibt den Inhalt der WE-Meldung vom 1. Januar 2016 um 14.36 Uhr zur Kölner Silvesternacht. Diese WE-Meldung einschließlich ihrer Bewertung ist Gegenstand der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Silvesternacht 2015“. Insofern verweise ich auf die in diesem Rahmen gemachten zeugenschaftlichen Aussagen zur seinerzeitigen Bewertung der WE-Meldung. 3. Wurden die Dienstpflichten von Mitarbeitern der Staatskanzlei, die sich in Rufbereitschaft befinden und WE-Meldungen erhalten, abgeändert? Die Dienstpflichten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatskanzlei, die sich in Rufbereitschaft befinden, sind seit dem Jahreswechsel 2015/2016 nicht abgeändert worden. Es war und ist sichergestellt, dass die Ministerpräsidentin über wichtige Ereignisse auch bei Abwesenheit informiert wird. Dabei obliegt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern notwendigerweise ein Bewertungsspielraum. 4. Wertet die Pressestelle der Staatskanzlei mittlerweile auch regionale Online-Medien aus oder fehlt dafür weiterhin das Personal? An der Stellenzahl im Landespresse- und Informationsamt hat sich seit der Vernehmung des Regierungssprechers am 30. Juni 2016 durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV nichts geändert. Wie bereits in der Vernehmung des Regierungssprechers dargestellt, werden landes- und bundesweite Online-Medien regelmäßig beobachtet. Eine 24/7-Beobachtung der regionalen Online -Portale sowie sämtlicher Online-Auftritte von allen klassischen regionalen Print-, TV- und Hörfunk-Medien in Nordrhein-Westfalen erfolgt aus den gleichen wie im Untersuchungsausschuss erläuterten Gründen aktuell nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14057 4 5. Kann der Chef der Staatskanzlei mittlerweile außerhalb seines Büros auf seine dienstlichen E-Mails zugreifen? Ich konnte vor wie nach dem Jahreswechsel 2015/2016 außerhalb meines Büros auf meine dienstlichen E-Mails zugreifen. Demgegenüber bestand und besteht für mich kein Zugriff auf den Account des von meinem Vorzimmer verwalteten Funktionspostfachs. Wichtige E-Mails werden mir vorgelegt oder bei Abwesenheit an mein dienstliches Postfach weitergeleitet. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14057