LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/14061 20.01.2017 Datum des Originals: 19.01.2017/Ausgegeben: 25.01.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5461 vom 19. Dezember 2017 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/13839 Werden die Vorteile des „Staatsanwalts vor Ort“ allein an der Dauer der Verfahren bemessen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen hat als einen Aspekt der Bekämpfung der Jugendkriminalität das Projekt "Staatsanwalt vor Ort" in das landesweit umgesetzte Konzept „Staatsanwalt für den Ort umgewandelt. Einer Jugendstaatsanwältin bzw. einem Jugendstaatsanwalt werden die Ermittlungen bei Jugendstraftaten in jeweils einem bestimmten Viertel, einem bestimmten Stadtteil oder, je nach Größe, einer Stadt zugewiesen. Die Bearbeitung durch eine örtlich fest zugewiesene Jugendstaatsanwältin bzw. einen Jugendstaatsanwalt stelle sicher, dass sie bzw. er den Ort samt Brennpunkten und dem sozialen Umfeld kenne, aus dem junge Täterinnen und Täter stammen. Zudem sei er mit dem familiären und sozialen Hintergrund sowie mit aktuellen privaten und beruflichen Problemen der jugendlichen Täterin bzw. des jugendlichen Täters eher vertraut. Er kenne den sozialen Umgang und weiß um Gefährdungen, die aus diesem für die Jugendlichen erwachsen. Dies ermögliche eine individuell angepasste Reaktion der Justiz auf Verfehlungen Jugendlicher. Grundlage des Konzepts „Staatsanwalt für den Ort“ zu einer effektiven Jugendkriminalitätsbekämpfung ist das im Jahr 2006 gestartete Modellprojekt des „Staatsanwalts vor Ort“ unter anderem in Remscheid. Ein besonders erfahrener Jugendstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wuppertal versieht seinen Dienst dabei überwiegend in den Räumen des Amtsgerichts Remscheid. Er steht damit als Ansprechpartner für Polizei, Jugendrichter und Jugendgerichtshilfe wie für sonstige an der Jugenderziehung beteiligte Institutionen unmittelbar zur Verfügung. An dieses Projekt knüpfte sich die Erwartung einer noch effektiveren Kriminalitätsbekämpfung Jugendlicher, da der Staatsanwalt vor Ort innerhalb kürzester Zeit in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendgericht, der Polizei und den sonstigen Behörden reagieren kann, um erzieherische Maßnahmen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu den Straftaten der Jugendlichen zu verhängen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/14061 2 Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 5461 mit Schreiben vom 19. Januar 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung nach der wissenschaftlichen Evaluation die Erfolge des weiter bestehenden Projekts „Staatsanwalts vor Ort“ im Jugendstrafrecht? 2. Wie wird die Landesregierung mit den bestehenden „Staatanwälten vor Ort“ umgehen? 3. Welche konkreten Vorteile sieht die Landesregierung im Konzept „Staatsanwalt für den Ort“ im Vergleich zum „Staatsanwalt vor Ort“? 4. Die Landesregierung hat bislang in Bezug auf das Projekt „Staatsanwalt vor Ort“ eingebracht, dass es nicht zu einer signifikanten Verfahrensbeschleunigung gekommen sei. Inwiefern konnte durch den „Staatsanwalt für den Ort“ eine signifikante Beschleunigung der Verfahren erreicht werden? 5. Warum werden die Vorteile des „Staatsanwalts vor Ort“, z.B. der kurze Draht durch die Anbindung an die örtlichen Amtsgerichte etc. allein an der Dauer der Verfahren bemessen? Die Fragen werden zusammen beantwortet. Das im Jahr 2011 vorgelegte Gutachten des Kriminologischen Seminars der Universität Bonn zur wissenschaftlichen Evaluation der Projekte „Staatsanwalt für den Ort“ und „Staatsanwalt vor Ort“ hat festgestellt, dass an sämtlichen Standorten gut funktionierende Netzwerke der am Jugendstrafverfahren beteiligten Stellen entstanden sind. Darüber hinaus sind die Wissenschaftler für das Projekt „Staatsanwalt für den Ort“ an den Standorten Bergheim, Bergisch Gladbach, Brühl, Gummersbach, Kerpen, Leverkusen und Siegburg zu dem Ergebnis gekommen, dass die verbesserte Zusammenarbeit und Abstimmung der Organisationsabläufe unter den Beteiligten zu einer optimierten Ausgestaltung der Ermittlungsverfahren und im statistischen Mittelwert zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer um 15 Tage - von 92 auf 77 Tage - geführt habe. Beim Projekt "Staatsanwalt vor Ort" hat die Evaluierung einen solchen relevanten Rückgang der Verfahrensdauer am Standort Remscheid dagegen nicht ergeben. Die Landesregierung hat daher angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Beschleunigungsgebot im Jugendverfahren zukommt, im Jahr 2012 das Modell „Staatsanwältin/Staatsanwalt für den Ort“ als zentralen konzeptionellen Bestandteil der Bekämpfung der Jugendkriminalität landesweit eingeführt. In dieses Modell ist auch der - einzige - „Staatsanwalt vor Ort“ integriert worden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/14061