LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1412 13.11.2012 Datum des Originals: 13.11.2012/Ausgegeben: 16.11.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 559 vom 10. Oktober 2012 der Abgeordneten Ina Scharrenbach und Walter Kern CDU Drucksache 16/1114 Entwicklung von Kaiserschnittgeburten in NRW Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 559 mit Schreiben vom 13. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 6. September 2012 meldete „Die Welt“: Krankenkassen schlagen Alarm – Darum kommt jedes dritte Kind per Kaiserschnitt“. Ausweislich des Artikels sowie zahlreicher Studien zu diesem Thema hat die Häufigkeit von Schnittentbindungen deutlich zugenommen. Zahlreiche Kritiker vermuten, dass die Zunahme von Kaiserschnittgeburten nicht nur medizinisch induziert ist, sondern sich die Anzahl sogenannter „Wunschkaiserschnitte“ deutlich erhöht hat. Ferner führt beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (im Folgenden kurz: „DGGG“) in ihrer Leitlinie „Absolute und relative Indikationen zur Sectio caesarea“ aus Augsut 2010 aus, dass „[..] auch auf Seiten der Ärzte [..] ein Wandel zu beobachten [ist]. Medizinische Erkenntnisse zeigen, dass die Risiken der verschiedenen Entbindungsmöglichkeiten für Mutter und Kind anders als früher einzuschätzen sind. Daraus ergeben sich andere Aufklärungspflichten und Entscheidungsprärogativen für den Geburtshelfer . Mancher Arzt sieht sich auch aus Gründen, die mit der Größe, Besetzung und Organisation der geburtshilflichen Einheit zusammenhängen, mitunter wohl auch mangels oder aufgrund eigener (negativer) geburtshilflicher Erfahrung oder allein aus defensivmedizinischem Denken veranlasst, der Schnittentbindung den Vorzug zu geben.“ Des Weiteren heißt es in der Ausführung der DGGG: „Zu den relativ indizierten Schnittentbindungen zählen auch solche, zu denen sich der Arzt aus Gründen der Klinikorganisation und Personalbesetzung (Entbindung in der Kernarbeitszeit durch erfahrenes Personal, sofor- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1412 2 tige Bereitschaft der Sekundärabteilungen), aus Mangel an Erfahrung (z.B. bei der Leitung einer vaginalen BEL-Geburt), also namentlich aus einer prophylaktischen, womöglich defensiven Haltung heraus entschließt; denn auch dieses Vorgehen ist letztlich durch Sorge vor Schäden und haftungsrechtlicher Verantwortung geprägt. Wie sehr derartige Überlegungen eine Rolle spielen können, zeigt die Tatsache, dass in kleinen Abteilungen mit weniger als 500 Geburten im Jahr Schnittentbindungen zwischen 18.00 und 22.00 Uhr wesentlich häufiger durchgeführt werden als in größeren Einheiten.“ 1. Wie hat sich die Anzahl der Kaiserschnittgeburten in den Krankenhäusern in NRW seit 2005 entwickelt (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken und Indikation )? Die Anzahl der Kaiserschnittentbindungen in den Plankrankenhäusern in NRW hat sich wie folgt entwickelt: Regierungsbezirk Arnsberg Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 28.970 8.254 28,5 2006 28.331 8.544 30,2 2007 28.433 9.632 33,9 2008 28.095 9.300 33,1 2009 26.838 8.940 33,3 2010 26.822 9.153 34,1 2011 26.172 9.256 35,4 Regierungsbezirk Detmold Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 18.204 4.286 23,5 2006 17.597 4.480 25,5 2007 17.647 4.710 26,7 2008 17.292 4.554 26,3 2009 16.929 4.670 27,6 2010 17.138 4.950 28,9 2011 16.666 4.775 28,7 Regierungsbezirk Düsseldorf Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 42.702 12.466 29,2 2006 42.754 12.984 30,4 2007 42.778 13.295 31,1 2008 43.094 13.688 31,8 2009 41.409 13.475 32,5 2010 42.189 14.216 33,7 2011 40.873 13.591 33,3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1412 3 Regierungsbezirk Köln Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 38.522 10.675 27,7 2006 37.850 10.802 28,5 2007 38.406 11.401 29,7 2008 38.450 10.999 28,6 2009 37.177 11.608 31,2 2010 38.109 12.068 31,7 2011 37.078 11.700 31,6 Regierungsbezirk Münster Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 22.960 6.930 30,2 2006 22.317 6.474 29,0 2007 22.375 7.377 33,0 2008 22.409 7.381 32,9 2009 21.747 7.302 33,6 2010 22.024 7.674 34,8 2011 21.246 6.834 32,2 NRW gesamt Jahr Entbindungen davon Kaiserschnitte Kaiserschnitte in % 2005 151.358 42.613 28,2 2006 148.849 43.284 29,1 2007 149.639 46.415 31,0 2008 149.340 45.922 30,7 2009 144.100 45.995 31,9 2010 146.282 48.061 32,9 2011 142.035 46.156 32,5 Informationen zu den Indikationen liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Wie viele primäre und sekundäre Kaiserschnitte wurden - soweit möglich unter Zugrundelegung der Deutschen Kodierrichtlinien - seit 2005 vorgenommen? Die Beantwortung dieser Frage ist nur mit unvertretbarem Aufwand durch entsprechende Einzelfragen bei allen Krankenhäusern in NRW möglich, die hierzu auf die einzelnen Behandlungsunterlagen jeweils zugreifen müssten. Dieser Aufwand übersteigt das für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage gerechtfertigte Maß. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1412 4 3. Welche Auswirkungen hat nach Einschätzung der Landesregierung der Personaldruck in geburtshilflichen Abteilungen von NRW-Krankenhäusern auf die Anzahl bzw. Häufigkeit von Kaiserschnittgeburten? Entgegen der in der Fragestellung formulierten Annahme liegen der Landesregierung keine konkreten Hinweise auf Personalengpässe in geburtshilflichen Abteilungen vor. Bezüglich der Gründe für den in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Anstieg des Anteils an Schnittentbindungen sind im Übrigen neben möglichen personellen Engpässen auch andere Aspekte wie mögliche Ängste bei betreuenden Ärztinnen und Ärzten, z.B. aufgrund von haftungsrechtlichen Fragen oder nicht ausreichend empfundene Erfahrungen mit Spontangeburten , Ängste bei den Gebärenden aufgrund mangelnder Informationen (insbesondere bei Gebärenden mit Migrationsgeschichte) oder die unterschiedliche Vergütung von Spontanund Schnittgeburten in der Diskussion. Aus diesem Grund wird sich auch das Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit mit dieser Problematik beschäftigen, um Verbesserungsvorschläge zur Senkung der Kaiserschnittrate zu entwickeln. 4. Wie hoch ist das durchschnittliche Honorar einer Hebamme für eine Geburt (auf- geschlüsselt nach Entbindungsort)? In der GKV gibt es eine bundesweit einheitliche Vergütungsregelung, die zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Hebammenverbänden vereinbart wird (§ 134a SGB V). Die Hebammen-Vergütungsvereinbarung wurde im Juli 2012 überarbeitet, um die höheren Haftpflichtprämien zu berücksichtigen. Die Vergütungen im Einzelnen ergeben sich aus dem Leistungsverzeichnis zur Hebammenvergütungsvereinbarung (als Anlage beigefügt). Angaben über die durchschnittliche Vergütung sind daher nicht möglich. Regionale Unterschiede dürfte es bei gleichen Leistungen nicht geben. 5. Wie hoch sind die Fallpauschalen unter Zugrundelegung des Landesbasisfall- wertes NRW für natürliche, vaginale Geburten und Kaiserschnittgeburten? Der Fallpauschalen-Katalog sieht für natürliche, vaginale Geburten und Kaiserschnittgeburten verschiedene Fallpauschalen vor, die das Vorliegen von Komplikationen und der Schwangerschaftsdauer berücksichtigen. Darüber hinaus hängt die Fallpauschale von der Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes und davon ab, ob die Geburt von einer Beleghebamme oder einer festangestellten Hebamme begleitet wird. Beispielhaft kann für die vaginale Entbindung ohne komplizierende Diagnose durch eine festangestellte Hebamme die DRG 060D mit der Bewertungsrelation 0,507 in Rechnung gestellt werden. Bei einer mittleren Verweildauer von 3,3 Tagen ergibt sich 2011 (Landesbasisfallwert : 2.912,65,- €) ein Erlös von ca.1.477,- €. Für eine primäre Schnittentbindung ohne komplizierende Diagnose (im Beisein einer festangestellten Hebamme) kann die DRG 001H mit der Bewertungsrelation 0,803 in Rechnung gestellt werden. Bei einer mittleren Verweildauer von 4,8 Tagen ergibt sich 2011 ein Erlös von ca. 2.339 €.